Das Milken Institut in Kalifornien listet mehr als 200 Wirkstoffe auf, die Forscher auf der ganzen Welt gegen Corona testen. Im Labor, und teils auch schon am Menschen. Folgende Medikamente könnten die Behandlung von Covid-19-Patienten ergänzen.
Hoffnungsträger gegen das Coronavirus: Molnupiravir von Merck
Große Hoffnungen setzen Forscher derzeit auf das ursprünglich gegen die Grippe entwickelte Mittel Molnupiravir des US-Konzerns Merck, das ähnlich wie Remdesivir die Ausbreitung des Coronavirus in den Körperzellen verringern soll. In einer Studie mit 800 mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Personen war das Ergebnis jedenfalls sehr vielversprechend.
Von denjenigen, die das Medikament bekamen – das waren die Hälfte aller Studienteilnehmer – mussten im Vergleich zur anderen Hälfte der Teilnehmer – sie hatten nur ein Placebo erhalten – nur halb so viele ins Krankenhaus. Keiner von ihnen starb. In der Gruppe der Teilnehmer, die ein Placebo erhalten hatten, mussten hingegen 53 ins Krankenhaus, acht starben. Großbritannien hat die Pille, die man bequem zu Hause einnehmen kann, als erstes Land weltweit am 4. November 2021 zugelassen. Die USA haben die Notfallzulassung für das Medikament beantragt.
Pfizer-Pille Paxlovid verhindert schwere Verläufe
Den größten Erfolg bei der Behandlung von Covid-19-Erkrankten verspricht bisher das antivirale Medikament des US-Pharmakonzerns Pfizer. Laut einer vom Unternehmen durchgeführten Studie mit mehr als 1.200 Erwachsenen, die sich mit dem Coronavirus infiziert und aufgrund von Vorerkrankungen wie Diabetes oder Fettleibigkeit ein hohes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf hatten, reduziert die Einnahme des Medikaments nach eigenen Angaben das Risiko einer Krankenhauseinweisung oder eines Todes um 89 Prozent.
Für ihre Studie hatte Pfizer die Studienteilnehmer in verschiedene Gruppen aufgeteilt: Eine Gruppe erhielt das Medikament namens Paxlovid (Kombination von PF-07321332 mit Ritonavir) fünf Tage nach Auftreten der ersten Symptome, eine andere Gruppe bereits nach drei Tagen. Eine weitere Gruppe erhielt statt des Medikaments ein Placebo. Alle Studienteilnehmer mussten fünf Tage lang alle zwölf Stunden entweder das eigens gegen das Coronavirus entwickelte Medikament oder ein Placebo einnehmen.
Laut Pfizer waren die Ergebnisse bei den Studienteilnehmern, die das Medikament bekamen, "ähnlich", die Pille damit in beiden Gruppen sehr wirksam. Weniger als ein Prozent von ihnen musste ins Krankenhaus, keiner von ihnen starb. Aus der Gruppe, die ein Placebo einnahmen, mussten hingegen knapp sieben Prozent ins Krankenhaus, zehn Patienten starben. Ein weiterer Vorteil des Medikaments: Es kann als Tablette eingenommen werden. Der Therapiebeginn ist daher auch von zu Hause aus möglich.
Die vorläufigen Ergebnisse sollen laut Pfizer so schnell wie möglich der US-Arzneimittelbehörde (FDA) für eine Notfallzulassung übergeben werden. Die Rekrutierung weiterer Studienteilnehmer, wie ursprünglich geplant, wurde laut Mitteilung des Pharmaunternehmens aufgrund der guten Ergebnisse, gestoppt.
Gute Tests: der Antikörper-Cocktail von Astrazeneca
In jüngsten Tests mit dem Antikörper-Cocktail AZD7442 (anderer Name: Evusheld) von Astrazeneca zeigte sich in einer klinischen Studie: Das Risiko, symptomatisch an Covid-19 zu erkranken, konnte mit der Kombination um 77 Prozent verringert werden. Am 14. Oktober 2021 begann die EMA mit einem Prüfverfahren zur Zulassung.
Kortison-Präparat Dexamethason
In schweren Fällen von Covid-19 kommt es zu einer überschießenden Reaktion des Immunsystems, was den Verlauf der Krankheit massiv beeinträchtigen kann. Hier soll Dexamethason ansetzen. Es ist ein Kortison-Medikament. Schon viele Jahre ist es zum Beispiel für die Behandlung von Arthrose zugelassen und dämpft dabei ebenfalls den Kampf des Immunsystems gegen den eigenen Körper.
Bei Corona-Patienten soll das entzündungshemmende Mittel auf der Intensivstation eine überschießende Immunreaktion bremsen, die bei Covid-19 häufig auftritt. Laut Robert Koch-Institut (RKI) ist der größte Nutzen bei invasiv beatmeten Patienten nachgewiesen. Das hatten auch schon Forscher der Universität Oxford nachgewiesen.
Mögliche Wirkung bei schwer erkrankten Covid-19-Patienten
In Großbritannien testen Forscher im Rahmen der Studie "Recovery Trial" eine ganze Reihe von schon bekannten Medikamenten auf ihre Wirkung auf das SARS-Cov-2-Virus, auch Dexamethason.
An der Universität Oxford wurden rund 2.100 schwer betroffene Patienten mit Dexamethason behandelt, eine Kontrollgruppe von 4.000 Patienten ohne das Medikament. Das Ergebnis der Untersuchung ist beeindruckend. Mit der Einschränkung: Sie ist noch nicht in einem Fachmagazin veröffentlicht worden und hat damit noch kein peer-review durchlaufen, in dem Fachkollegen die Qualität der Studie beurteilen.
Demnach verringert das Medikament die Sterblichkeit um ein Drittel bei Patienten, die an ein Beatmungsgerät angeschlossen waren und um ein Fünftel bei Patienten, die nur eine Sauerstofftherapie bekommen haben.
Die Forscherinnen und Forscher führen das auf die dämpfende Wirkung von Dexamethason auf das Immunsystem zurück. Patienten, die keinerlei Atemunterstützung im Krankenhaus bekommen haben, hatten von Dexamethason keinen Vorteil.
WHO: Remdesivir zeigt keine Wirkung
Am 17. Oktober 2020 meldete die Weltgesundheitsorganisation (WHO), dass der als Corona-Medikament eingesetzte antivirale Wirkstoff Remdesivir, ursprünglich gegen Ebola entwickelt, nur wenig bis keinen Nutzen habe. Das geht aus Daten der von der WHO koordinierten Solidarity-Studie hervor, die bislang aber noch nicht in einem begutachteten Fachjournal erschienen ist. Mitte November bekräftigte die WHO ihr Urteil und sprach sich gegen eine Behandlung im Krankenhaus aus.
Am 6. August 2021 findet ein Cochrane Review ebenfalls kaum Evidenz für eine Wirksamkeit des Wirkstoffs Remdesivir bei Covid-19. Der Wirkstoff Remdesivir zeige in randomisierten kontrollierten Studien nur geringe oder gar keine Auswirkungen auf die Sterblichkeit bei erwachsenen hospitalisierten Patienten mit Covid-19 hat. Auch auf die Länge einer notwendigen Beatmung scheint Remdesivir nur einen kleinen oder gar keinen Effekt zu haben. Zu diesem Ergebnis kommt der Cochrane Review auf Basis von fünf Studien mit 7.452 Patientinnen und Patienten.
EU-Kommission lässt Remdesivir in der EU zu
Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA empfahl am 25. Juni 2020 eine Zulassung unter Auflagen für das Mittel mit dem Handelsnamen Veklury. Am 3. Juli 2020 hat die EU-Kommission das Medikament in der EU zugelassen. Die Empfehlung der EMA gilt für die Behandlung von Erwachsenen und Heranwachsenden ab 12 Jahren. Voraussetzung für eine Behandlung ist, dass der Patient eine Lungenentzündung hat und mit zusätzlichem Sauerstoff versorgt werden muss, aber noch nicht beatmet wird.
Zwar kann das Medikament möglicherweise die Zeit bis zu einer Genesung im Schnitt um vier Tage verkürzen, das zeigte eine internationale Studie mit über 1.000 Teilnehmern bei Covid-19-Patienten mit leichten bis mittleren Verläufen (Stand: 9.6.2020). Die Sterblichkeit ging in der Untersuchung aber nur geringfügig zurück.
Wie wirkt das Medikament Remdesivir?
Der Wirkstoff Remdesivir, der ursprünglich gegen Ebola entwickelt wurde, erwies sich im Tierversuch als wirksam gegen SARS und Mers-CoV. Remdesivir hat zudem schon erste Tests an gesunden Probanden und Ebola-Patienten durchlaufen und sich darin als verträglich erwiesen.
Der Wirkstoff des Mittels ähnelt den RNA-Bausteinen, die RNA-Viren wie SARS und Mers-CoV zur Vervielfältigung ihres Erbgutes benötigen. Wird von den viralen Oberflächen-Enzymen Remdesivir in die Viren-RNA, dem Träger der Erbinformation, eingebaut, soll sich das Virus nicht mehr vermehren können. So beschreibt Matthias Gotte von der University of Alberta in Kanada die Wirkungsweise von Remdesivir im Journal of Biological Chemistry vom 24. Februar 2020.
Herz-Kreislauf-Medikamente
Bei schwer kranken Covid-Patienten hat sich Heparin bewährt, sagt der Intensivmediziner Bernhard Zwissler vom Münchner Uniklinikum Großhadern: "Das liegt einfach daran, das Covid-19 ganz offensichtlich v.a. das Gefäßsystem betrifft. Das kann zu Thrombosen und zu Embolien führen. Weswegen wir heute viel konsequenter auf die Blutgerinnungshemmung achten."
In Studien werden auch andere Gerinnungshemmer untersucht. Recht spezielle, aber auch weit verbreitete wie Aspirin. Und darüber hinaus auch Blutdrucksenker wie Valsartan oder Ramipril.
Chloroquin – altbekanntes Mittel mit offenen Fragen
Weltweit wurde in den vergangenen Monaten auch das Medikament Chloroquin auf seine Wirksamkeit auf das SARS-Cov-2-Virus untersucht. Chloroquin ist ein weit verbreitetes Medikament gegen Malaria und Autoimmunerkrankungen und wurde auch als potenzielles antivirales Breitbandmedikament beschrieben. Neben seiner antiviralen Aktivität besitzt Chloroquin eine immunmodulierende Aktivität, die seine antivirale Wirkung in vivo verstärken könnte. Chloroquin ist ein kostengünstiges und erprobtes Malaria-Medikament, das als Tablette geschluckt wird.
Die Ergebnisse dazu waren aber widersprüchlich. Bei in vitro-Versuchen, also Versuchen, die nicht im lebenden Organismus (in vivo) stattfinden, hat sich auch das Mittel Chloroquin als wirksam gegen das Coronavirus gezeigt.
Chloroquin wirkt nicht gegen Covid-19
Eine Studie, die am 22. Mai 2020 im renommierten Fachmagazin "The Lancet" veröffentlicht wurde, wurde mittlerweile zurückgezogen. Die Forscher waren dabei zum Schluss gekommen, dass Hydroxychloroquin und der verwandte Wirkstoff Chloroquin möglicherweise keinen Nutzen hätten. Am 15. Juni schließlich nahm die US-Arzneimittelbehörde FDA die Sondergenehmigung für die Malaria-Mittel Hydroxychloroquin und Chloroquin zur Behandlung von Covid-19 zurück. Am 17. Juni stellte auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die klinischen Studien zur Wirksamkeit des Medikaments Hydroxychloroquin im Kampf gegen das Coronavirus endgültig ein.
Problematisch sind insbesondere seine Nebenwirkungen, deswegen wurde in Brasilien (Stand 17.04.2020) schon eine kleine Studie mit Chloroquin abgebrochen, weil es bei den behandelten Patienten zu lebensgefährlichen Herzrhythmusstörungen oder Herzmuskelschäden gekommen war.
Die britischen Wissenschaftler der Recovery-Studie hatten ihre Untersuchungen zu Chloroquin am 5. Juni 2020 abgebrochen. Sie gehen nicht davon aus, dass das Medikament bei Covid-19 helfen kann.
Einsatz von HIV-Medikamenten bei Covid-19
HIV-Medikamente, die dazu dienen, die Viruslast im Körper zu dämpfen, hatten bei anderen Coronaviren wie MERS und SARS vor Jahren einzelne Erfolge gezeigt. Daran knüpften Forscher weltweit an. Sie hofften, mit antiviralen Arzneien auch beim aktuellen Coronavirus SARS-CoV-2 etwas ausrichten zu können.
Ende Juni 2020 lagen die Ergebnisse aus einem Studienarm der Recovery-Studie der Universität Oxford vor. Ein Teil der Patienten war mit den beiden HIV-Medikamenten Lopinavir und Ritonavir behandelt worden. Dabei stellte sich heraus, dass die beiden Mittel bei schwer erkrankten Patienten nicht wirksam sind. Die Studienleitung brach die Behandlung wegen fehlender Erfolgsaussichten vorzeitig ab.
Rekonvaleszentenserum – Therapie mit Antikörpern
Wissenschaftler arbeiten im Fall von Corona auch an einem Rekonvaleszentenserum, besser bekannt als passive Immunisierung: Man gewinnt Antikörper von einem Menschen, der bereits mit Corona infiziert ist und reichert diese künstlich im Labor an. Ähnliche Verfahren wurden bei Ebola bereits verwendet und haben dort Erfolge gezeigt. Auf diese Weise wird ein natürliches Medikament entwickelt, das eine sehr hohe Wirksamkeit haben soll.
Der Vorteil der Methode: Das Medikament zeigt häufig wenige bis keine Nebenwirkungen. Der Nachteil: Die Produktion ist recht teuer und kann in den meisten Fällen nur als Reservemedikament bei Patienten mit schwerem Krankheitsverlauf eingesetzt werden.
Im Rahmen der britischen RECOVERY-Studie wurde am 30. Oktober 2020 die klinische Prüfung mit den monoklonalen Antikörpern der Firma Regeneron bei schwer erkrankten COVID-19-Patienten gestoppt, die auf eine "high-flow" oder mechanische Beatmung angewiesen sind. Auch die Pharmafirma Lilly hat ihre klinische Studie mit dem Antikörper Bamlanvivimab gestoppt, weil nicht gezeigt werden konnte, dass schwer erkrankte Patienten davon messbar profitieren. Möglicherweise helfen die Antikörper besser, wenn sie früher im Krankheitsverlauf eingesetzt werden, dieser Zweig der Prüfung der RECOVERY-Studie wird darum weiter geführt.
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