Vielleicht hat unser eigenes Sonnensystem einst gar nicht so unähnlich ausgesehen, vor rund 4,56 Milliarden Jahren: Da ist ein heller Stern in der Mitte. Es gibt noch keine Planeten, stattdessen eine ausgedehnte staubige Struktur. Und diese Struktur ist einigermaßen gut erkennbar in zwei Ringe mit dunkleren Lücken dazwischen aufgeteilt.
Der stellare Jungspund IRS 63
Bei dem hellen, jungen Stern in der Mitte handelt es sich allerdings nicht um die Sonne – die sich mit besagten rund 4,56 Milliarden Jahren in der Mitte ihrer Entwicklung befindet – sondern um IRS 63. IRS 63 ist streng genommen noch gar kein richtiger Stern, sondern ein sogenannter Protostern, rund eine halbe Million Jahre alt. Eines Tages werden sich aus der ausgedehnten, staubigen Struktur wahrscheinlich Planeten bilden – oder vielleicht tun sie das schon?
Dominique Segura-Cox vom Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik in Garching und ihre Kollegen beschreiben im Fachmagazin „Nature“ ihre Untersuchung dieses sehr jungen Sternsystems.
Die Anfänge der Planetenentstehung im Schlangenträger
IRS 63 befindet sich in rund 470 Lichtjahren Entfernung von der Erde im Sternbild Schlangenträger. Mit bloßem Auge ist dort nicht viel zu erkennen, da sich IRS 63 in einer dichten, staubigen Molekülwolke befindet, in der auch noch weitere Sterne entstehen. Mithilfe des ALMA-Instruments der Europäischen Südsternwarte ESO konnten die Forscher allerdings im Millimeterwellenlängenbereich die Strahlung des Staubes von IRS 63 einfangen und so erstmals seine Struktur genauer räumlich auflösen.
Zwei Ringe, zwei Lücken und ein Protostern
Der äußere Ring befindet sich ungefähr in einer Entfernung, wo sich bei uns im Sonnensystem der Zwergplanet Pluto am weitesten von der Sonne entfernt. Der innere Ring hingegen ist von dem Protostern so weit entfernt wie der Planet Neptun von der Sonne. Die Lücken befinden sich jeweils zwischen Protostern und innerem Ring beziehungsweise zwischen den zwei Ringen – und haben ihrerseits Ausmessungen, die die durchschnittliche Entfernung zwischen Erde und Sonne um ein Vielfaches übersteigen.
IRS 63 wird noch viele weitere zehn Millionen Jahre brauchen, bis er sich von einem Protostern zu einem „richtigen“ Stern entwickelt haben wird. Dann allerdings wird er wohl, zumindest was die Masse angeht, unserer Sonne gar nicht so unähnlich sein. Doch wann werden sich seine Planeten bilden?
Ringe und Lücken deuten auf Planeten hin
Eigentlich waren Forscher davon ausgegangen, dass sich in einem neuen Sternsystem zunächst der Stern aus einer Wolke aus Gas und Staub zusammenballt und danach erst seine Planeten aus der protostellaren Scheibe, die den Stern umgibt. Entdeckungen von jungen Sternsystemen mit ringförmigen Scheibenstrukturen kratzen jedoch an diesem Modell der Planetenentstehung. Denn die Ringe und die Lücken zwischen ihnen deuten darauf hin, dass dort die Planetenentstehung bereits in vollem Gange ist. Bislang waren solche Systeme allerdings rund eine Million Jahre alt.
Ein Stern entsteht – seine Planeten auch
IRS 63 nun ist nur halb so alt. Zwar sind seine Ringstrukturen noch nicht so ausgeprägt wie beispielsweise die von HL Tauri, einem prächtig beringten Protostern, der 2014 bei Forschern große Aufmerksamkeit erregte. Allerdings werten Segura-Cox und ihre Kollegen die zwei Ringe und Lücken von IRS 63 als Hinweis darauf, dass die Planetenentstehung tatsächlich fast parallel zur eigentlichen Sternentstehung stattfindet. Also nicht: erst Stern, dann Planeten, sondern beides fast gleichzeitig und damit sehr viel früher als bislang gedacht.
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