Eine leuchtend grüne Blüte inmitten grauen Schotters ist eine schlechte Tarnung, wenn man als Heilpflanze beliebt ist. Das scheint der Blumenart Fritillaria delavayi auch "aufgefallen" zu sein. Forscher haben herausgefunden, dass die Pflanze dort andere Farben annimmt, wo der Mensch sie besonders stark aberntet: Sie versteckt sich, indem sie in Tarnfarben wächst.
Im Hochgebirge Chinas beheimatet
Die Fritillaria delavayi kommt nur in wenigen, hochalpinen Regionen Chinas sowie in Tibet und Bhutan vor. Sie lebt im Geröll und Schotter in einer Höhe von 3.000 bis 5.000 Metern. Sie ist eng mit der Lilie verwandt und bildet - erstmals nach fünf Jahren - auf ihrem etwa zehn Zentimeter langen Stängel jedes Jahr nur eine einzige Blüte aus, normalerweise in Grau- bis Grüntönen.
Mancherorts jetzt in anderer Farbe
Als die Forscher um Yang Niu vom Botanischen Institut Kunming der Chinesischen Akademie der Wissenschaften feststellten, dass Fritillaria delavayi plötzlich mancherorts nur noch in grau-brauner Tarnfarbe wuchs, machten sie sich auf die Suche nach einem Pflanzenfresser, der hier die Evolution der Pflanze beeinflusst haben mochte. Der Einzige, den sie fanden, hatte aber nur zwei Beine: der Mensch.
Der Mensch greift seit Jahrtausenden in die Entwicklung von Pflanzenarten ein: In der Züchtung, Auswahl und Verbreitung. Aber in diesem Fall einer evolutionären Entwicklung einer Pflanze war es umgekehrt: Die Pflanze reagierte auf den Menschen und entwickelte sich fort, um ihm zu entkommen.
Beliebt in der traditionellen chinesischen Medizin
Eigentlich droht den Arten der Fritillaria, die vor allem in Asien verbreitet sind, wenig Gefahr durch Fressfeinde, denn die strauchartigen Pflanzen sind zumeist giftig. Doch die kleine, etwa zwei Zentimeter im Durchmesser große Zwiebel von Fritillaria delavayi ist seit mehr als 2.000 Jahren in der chinesischen Medizin beliebt. In den vergangenen Jahren stieg ihr Preis - und damit das Ausmaß der Ernte dieser Pflanze.
Mensch als Evolutionstreiber
Die Forscher stellten fest, dass sich die Blüten dort am besten an ihre graubraune Schotter-Umgebung angepasst hatten, wo sie am meisten von Menschen geerntet wurden. Damit habe der Mensch hier den Selektionsdruck ausgeübt, der die Evolution in Gang hält:
"Kommerzielle Ernten üben einen viel höheren Selektionsdruck aus als viele Bedrängnisse der Natur." Prof. Hang Sun, Botanisches Institut Kunming der Chinesischen Akademie der Wissenschaften
Veröffentlicht wurde die Studie am 20. November 2020 im Fachmagazin Current Biology.
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