Desinformation hat viele Gesichter. Sehr oft spielen Bilder eine Rolle dabei, wenn falsche Informationen verbreitet werden, um Menschen zu täuschen oder Schaden anzurichten. Bilder können manipuliert oder aus dem Zusammenhang gerissen sein. Bilder können lügen. Dieser #Faktenfuchs gibt zwei Beispiele, wie Bilder zwar stimmen können - damit aber doch falsche Informationen verbreitet werden.
- Dieser Artikel stammt aus 2022. Alle aktuellen #Faktenfuchs-Artikel finden Sie hier.
Russischer Angriff war keine Gasexplosion
Zahlreiche Zeitungen und Newsportale haben ihre Berichte über russische Angriffe in der Ukraine mit dem Bild eines zerstörten Gebäudes veranschaulicht. Viele, etwa britische Zeitungen, und auch "Bild", verbanden dies mit dem Foto einer verletzten Frau.
In den sozialen Netzwerken behaupten einige, das Gebäude auf diesen Fotos sei nicht durch einen russischen Angriff zerstört worden. Stattdessen, so wird behauptet, handele es sich um die Folgen einer Gasexplosion in der russischen Stadt Magnitogorsk im Jahr 2018. Sowohl Zeitpunkt als auch Ort der Aufnahme werden also angezweifelt.
Eine Gasexplosion in einem Haus in Magnitogorsk gab es Ende Dezember 2018 tatsächlich. Dieses Bild der Nachrichtenagentur AFP wurde wenige Tage nach der Explosion aufgenommen. Es zeigt ein achtstöckiges Gebäude, ein Teil der Häuserfront ist zerstört.
Die Gebäude auf den beiden Bildern - dem Agenturbild und dem, das in dem Tweet oben gezeigt wird - ähneln sich zwar, aber es sind nicht die selben. Das zeigt auch ein weiteres Bild der AFP vom Angriff auf die ukrainische Stadt Tschuhujiw am 24. Februar 2022:
Das Gebäude auf diesem Bild hat fünf Stockwerke und rechts von der Zerstörung sind mehr Balkons zu sehen als in dem Tweet-Bild.
Auch ein genauerer Blick zeigt, dass es sich um das Gebäude handelt, das nach Angaben der Agenturen durch den russischen Angriff zerstört wurde: Auf beiden Bildern ist ein rotes Stück Stoff zu erkennen, das von einem der zerstörten Balkons hängt (roter Kringel). Auf einem der zerstörten Balkons darunter liegt Schutt. Die Anordnung ist auf beiden Bildern gleich (gelber Kringel). Und auf einem der Balkons rechts davon hängt eine grüne Abspannung - auch dies ist auf beiden Bildern identisch (blauer Kringel).
All diese Indizien sind auf dem Agenturbild von dem Haus, das 2018 bei der Gasexplosion zerstört wurde, nicht zu sehen. Für eine falsche Behauptung (das Haus in der Ukraine sei bei einer Gasexplosion 2018 zerstört worden) wurde also die Authentizität eines aktuellen Bildes in Frage gestellt.
Ein weiteres Beispiel macht deutlich, wie Bilder trügen können: Wenn sie ein anderes Ereignis zeigen als das, über das berichtet wird. Dies ist jüngst bei "Bild TV" geschehen.
Bilder von 2015 bei aktueller Berichterstattung verwendet
In den sozialen Netzwerken kursierte ein Ausschnitt von "Bild TV", in dem eine riesige Explosion zu sehen ist - im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Krieg in der Ukraine. Im Untertitel des Videos stand "Russen kämpfen sich nach Kiew vor".
Die Aufnahmen verbreiteten sich laut diesem Faktencheck der AFP auch ohne die Einbindung in die Sendung von "Bild TV" unter den Hashtags #UkraineRussiaCrisis und #RussiaUkraineConflict. Im vermeintlichen Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine wurden sie offenbar insgesamt mehr als 200.000 Mal gesehen. Auch wurde laut AFP behauptet, das Kraftwerk in der Seperatistenregion Luhansk stehe in Flammen.
Tatsächlich zeigen die Bilder eine Explosion aus dem Jahr 2015 in der chinesischen Stadt Tianjin. Über die Explosion in Tianjin berichtete damals die britische Rundfunkanstalt BBC. In dem Video der BBC auf Youtube ist dasselbe Videomaterial zu sehen, dass sich über "Bild TV" und die Hashtags im fälschlichen Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine verbreitete.
Im Vordergrund ist der Schattenriss eines Krans zu sehen - so wie in dem auch von "Bild TV" gezeigten Ausschnitt.
"Bild" entschuldigt sich
In den sozialen Netzwerken ist der Fehler auch Usern aufgefallen, manche reagieren verunsichert das falsch verwendete Bildmaterial: "Was ist davon zu halten?" fragt etwa einer auf Twitter.
"Bild" hat auf Twitter darauf reagiert , den Fehler bedauert und angekündigt, die Videos zu korrigieren.
Bilder mit Vorsicht betrachten
Schon 2006 schrieben der Historiker Edgar Wolfrum und der Zeithistoriker Cord Arendes in einer Abhandlung der Universität Heidelberg über "Die Macht der Bilder": "Bilder und Fotos entfalten ihre eigene Dynamik mit unvorhersehbaren Folgen – je nachdem, auf welches Publikum sie stoßen."
Wer sich über den Krieg gegen die Ukraine informiert, sollte achtsam sein: Bilder dienen sowohl Medien, als auch jenen, die Desinformation verbreiten, dazu, das Berichtete zu veranschaulichen. Dabei können Fehler passieren oder Bilder bewusst aus dem Zusammenhang gerissen werden. Vergleiche und eine genaue Betrachtung können helfen. Tipps, wie Bilder und Quellen richtig eingeordnet werden, können Sie hier lesen.
Fazit:
Zwei Aufnahmen haben sich in den letzten Tagen im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine stark in den sozialen Netzwerken verbreitet: Das Foto eines zerstörten Hauses in der Ukraine nach einem russischen Angriff und ein Video mit einer riesigen Explosion. Das Video zeigt jedoch ein Ereignis aus dem Jahr 2015 in China und hat mit dem derzeitigen Krieg nichts zu tun. Auch das Foto ist authentisch, wird aber als vermeintlicher Beleg für eine Falschbehauptung genutzt. Die Beispiele machen deutlich, dass Bilder zwar authentisch sein - mit ihnen aber dennoch falsche Informationen verbreitet werden können.
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