Satellitenbilder Stickstoffdioxid
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#Faktenfuchs: Ist wegen der Coronakrise die Luft besser?

#Faktenfuchs: Ist wegen der Coronakrise die Luft besser?

Satellitenbilder zeigen, dass im März weniger Stickstoffdioxid über großen Städten Bayerns in der Luft war als im selben Monat des Vorjahres. Ist die Corona-Krise die alleinige Ursache dafür? Es spielen mehrere Faktoren zusammen.

Während der Corona-Krise und den Ausgangsbeschränkungen ist das Verkehrsaufkommen auf den Straßen gesunken. Viele arbeiten im Homeoffice und sparen sich den Fahrweg in die Firma. Ein Großteil der Geschäfte und Gaststätten hat geschlossen und wo am Wochenende üblicherweise Stau auf den Autobahnen herrscht, sind die Straßen wie leergefegt.

Dennoch haben sich zum Beispiel in Würzburg die Luftschadstoffe in der Innenstadt kaum verändert.

  • Dieser Artikel stammt aus 2020. Alle aktuellen #Faktenfuchs-Artikel finden Sie hier

Debatte um den Diesel nimmt wieder Fahrt auf

Im Internet und besonders in Social Media nutzen dies einige, um umweltpolitische Maßnahmen und die Umweltschädlichkeit von Diesel in Frage zu stellen oder zu verneinen. "Umweltzonen? Fahrverbote? Dieselbashing?" kommentiert zum Beispiel ein FDP-Politiker aus Magdeburg den BR-Artikel zu Würzburg.

Die AfD titelt anlässlich von Messwerten aus Baden-Württemberg "Feinstaub und Stickoxid: Der Diesel war’s nicht" und die bereits durch Fake News aufgefallene Webseite von "Anonymousnews Russland" geht noch weiter und behauptet: "Diesel-Lüge entlarvt: Feinstaub-Werte steigen trotz Shutdown". Die AfD Bayern schreibt auf Facebook vom "Diesel-Schwindel" und der "Feinstaub-Hysterie".

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Social-Media-Posts mit Zweifeln an Diesel-Einschränkungen

Folgende Faktensammlung für Bayern zeigt, was die Messwerte beeinflusst und warum Dieselabgase damit nicht aus dem Schneider sind.

Stickstoffdioxid-Veränderung im Zeitraum von 20 Tagen

Die Europäische Allianz für öffentliche Gesundheit EPHA hat kürzlich Satellitenbilder zu Stickstoff-Dioxid-Emissionen zu europäischen Großstädten veröffentlicht, darunter München mit einem Umfeld, das auch Rosenheim, Augsburg, Ingolstadt, Nürnberg und Würzburg erfasst. Dargestellt werden Stickstoffdioxid-Emissionen im Vergleich von 2019 und 2020, jeweils für den Zeitraum von 5. bis 25. März. Danach nahm die Belastung der Luft deutlich ab. Die zeigen übrigens auch die Bilder für Stuttgart.

"Die NO₂-Verschmutzung in den Städten stammt hauptsächlich vom Verkehr, insbesondere von Dieselfahrzeugen, die ebenfalls eine Hauptquelle von Feinstaub sind", schreibt die EPHA, ein Bündnis nichtstaatlicher Organisationen für Gesundheits- und Umweltschutz, im Begleittext.

Die niedrigere NO2-Belastung, deren Darstellung auf ESA-Satellitendaten beruht, fällt zeitlich zusammen mit der Einschränkung des öffentlichen Lebens während der Corona-Krise: weniger Straßenverkehr, weniger Flugverkehr, weniger Industrie-Tätigkeit. Aber kann man die NO2-Entlastung – in unserer Betrachtung für Bayern – direkt der Abnahme des Verkehrs und noch spezieller dem geringeren Dieselverbrauch zuschreiben? Da wird es komplexer.

Rückgang von NO2-Emissionen, wo sonst viel Verkehr ist

"Wir beobachten, dass ab dem 21.3.2020 an den verkehrlich hoch belasteten Standorten ein Rückgang der Stickstoffdioxid-Immissionen mit unterschiedlicher Ausprägung zu verzeichnen ist", sagte eine Sprecherin des Bayerischen Landesamtes für Umwelt. Weil gerade an den vom Verkehr stark belasteten Stellen die NO2-Immissionen auffallend zurückgingen, sei ein Zusammenhang mit den Ausgangsbeschränkungen wahrscheinlich. Diese gelten in Bayern seit dem 21. März.

Aber, sagte die Sprecherin des Umweltlandesamtes: "Auch ohne die Ausgangsbeschränkungen wäre der NO2-Wert deutlich gesunken." Denn fast gleichzeitig habe sich die Wetterlage geändert. Starker Ostwind habe kalte Luft und Turbulenzen gebracht. Solches Wetter sorge für "eine Verdünnung der Schadstoffe". Dabei spielen aber auch noch kleinräumige Gegebenheiten eine Rolle. Am konkreten Standort der Messung hat es schon eine Auswirkung, ob die Bebauung in der Windrichtung steht oder nicht.

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Verlauf Stickstoffdioxid-Messung 1.3.20 bis 27.3.20

Landesamt für Umwelt: Belastbare Aussagen erst nächstes Jahr

Eine Aussage, wie viel von der Stickstoffdioxid-Reduktion auf das Konto des Verkehrs, Wetterfaktoren oder lokalen Gegebenheiten geht, ist nach Auskunft des Landesamtes für Umwelt derzeit nicht möglich. Aussagen für kurze Zeiträume seien schwierig und mit hoher Unsicherheit belastet.

"Erst bei Betrachtung mittlerer Konzentrationen über einen langen Zeitraum, zum Beispiel über ein Kalenderjahr bei vergleichbaren meteorologischen Verhältnissen sind belastbare Aussagen möglich", so die Sprecherin des Landesamtes. Zuverlässige Daten sind demnach erst Anfang kommenden Jahres zu erwarten.

UBA: 65 Prozent der NO2-Emissionen im Verkehr von Diesel-Pkw

Wenn dann Aussagen zum Verkehrsanteil vorliegen, der sich übers Jahr wieder ändern kann, dann lässt sich auch die Frage nach dem Dieselanteil stellen. Generell gehen laut Umweltbundesamt 60 Prozent der Stickstoffdioxid-Belastung in den Städten auf das Konto des Verkehrs. Und davon rühren 65 Prozent der direkten NO2-Emission von Diesel-Pkw her. Lkw- und Lieferverkehr verursachen zusammen rund 28 Prozent.

Feinstaubwerte wetterbedingt angestiegen

Für die Konzentration von Feinstaub in der Luft gibt es ebenfalls verschiedene Quellen, wie das Heizen mit Holz, den Verkehr, die Landwirtschaft oder wiederum das Wetter. Ab dem 23. März, als die Ausgangsbeschränkungen schon in Kraft waren, zeigen Messstationen zum Beispiel in München sogar relativ hohe Feinstaubwerte.

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Verlauf Feinstaub-Messung 1.3.20 bis 27.3.20

Ein wesentlicher Grund dafür ist das Wetter. Wie die Sprecherin des Landesamtes für Umwelt erklärt, herrschte eine ausgeprägte Inversionswetterlage, bei der es in Bodennähe kaum Luftaustausch gab. Zudem sei mit dem Ostwind trockene, staubige Luft nach Bayern gelangt, die schon länger nicht mehr von Regen ausgewaschen wurde.

Der Peak direkt am 21. März könnte durch kurzfristig wechselnde Winde bei insgesamt schwächerer Windgeschwindigkeit ausgelöst worden sein. Aber auch hier gelte, dass Interpretationen über kurze Zeitabschnitte schwierig seien. Im Süden Bayerns könne es auch sein, dass ab 27. März etwas Saharastaub dazu kam.

Fazit

Die Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid nahm während der Corona-Krise in Bayern ab. Dies zeigen Satellitenbilder und auch bodennahe Messungen vom Bayerischen Landesamt für Umwelt. An den Stellen, die stark von Verkehr belastet sind, ist der Rückgang deutlich. Deshalb kann man von einem Zusammenhang mit den Ausgangssperren und dem verminderten Verkehr ausgehen.

Allerdings ist auch die Wetterlage ausschlaggebend. Genaue Aussagen zu den Schadstoffwerten sind laut Landesamt für Umwelt erst bei Messungen über einen längeren Zeitraum und einer nachfolgenden Prüfung der Daten möglich. Das wird Anfang kommenden Jahres der Fall sein.

Die Belastung der Luft mit Feinstaub war Ende März, nach Beginn der Ausgangsbeschränkungen, sogar relativ hoch. Ein wesentlicher Grund waren trockene Winde und eine Inversionswetterlage.

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