Ab dem kommenden Montag gilt sie, die Maskenpflicht in Geschäften und in öffentlichen Verkehrsmitteln in Bayern. Schon jetzt kann man im Supermarkt viele Menschen beobachten, die selbstgenähte oder gekaufte Masken tragen. Doch andere sind skeptisch und machen sich Gedanken, welche Folgen für die eigene Gesundheit das Tragen von Masken haben könnte.
Macht Masken zu tragen müde und unkonzentriert?
Auch uns erreichten Behauptungen und Fragen. Eine BR24-Userin verwies auf eine Doktorarbeit, die an der TU München im Jahr 2005 geschrieben wurde. Die Doktorandin untersuchte damals, welche Effekte das lange Tragen von OP-Masken auf Klinikmitarbeiter haben kann. Auch per Kettennachricht auf WhatsApp verbreitete sich diese Studie.
Doch schon bei einem ersten Blick in die Arbeit zeigt sich: Einige der angeblichen Folgen tauchen dort gar nicht auf. Die behaupteten Folgen - wie Konzentrationsstörungen, Herzrhythmusstörungen oder schlechte Feinmotorik - wurden von der Autorin gar nicht untersucht. Atem- und Herzfrequenz sind beim Tragen einer Maske gar nicht oder kaum höher als ohne Maske, die Untersuchung ergab hier keine signifikanten Ergebnisse. Das heißt: Maskentragen führte nicht dazu, dass die Probanden mehr ein- und ausatmeten, die Atmung und das Herz werden demnach nicht zusätzlich belastet. Die klinische Relevanz der nicht signifikanten Ergebnisse wird deshalb bereits in der Dissertation selbst als fraglich bezeichnet.
Angebliche Effekte größtenteils nicht nachgewiesen und nicht auf aktuelle Lage anwendbar
Manfred Blobner, geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin an der Klinik rechts der Isar der TU München, war 2005 erster Prüfer der Doktorarbeit. Er zeigt sich verwundert darüber, dass diese fünfzehn Jahre alte Arbeit sich nun verbreitet. Die Ergebnisse der Dissertation, die bei einer kleinen Gruppe nur eine geringe Erhöhung der CO2-Konzentration zeigte, seien zwar alle korrekt. Aus medizinischer Sicht sei es aber aus mehreren Gründen unsinnig, sie nun heranzuziehen.
Zunächst sei es in der Untersuchung speziell um medizinisches Personal gegangen, das oft stundenlang am Stück OP-Masken tragen muss – nicht nur für einen kurzen Abstecher in den Supermarkt. Daher sei es nicht sinnvoll, die Ergebnisse in Zeiten einer Pandemie als Argument heranzuziehen, um keine Maske tragen zu müssen. Die Ergebnisse der Studie beziehen sich auch nur auf einen "konsequenten und dichten Sitz" der Maske über eine lange Zeitspanne. Außerdem wurden zwei Typen von OP-Masken untersucht – bei selbstgenähten oder anderen Alltagsmasken, die viele Menschen nun tragen, könne es sich ganz anders verhalten.
Zu den Ergebnissen der Studie sagt Blobner, dass sich durch Ein- und Ausatmen unter einer gut abgedichteten Maske tatsächlich die CO2-Konzentration im Blut erhöhen kann. Allerdings macht das bei einer Stunde Tragezeit eine Erhöhung von fünfundzwanzig Prozent aus, die auch laut der Studie nach Entfernen der Maske "rasch" wieder abfallen. Dadurch bekäme man weder Herzunregelmäßigkeiten noch Probleme in der Feinmotorik. Nur sehr sensible Menschen würden möglicherweise eine leichte Müdigkeit verspüren.
Aber Blobner sagt auch: "Ein bisschen Müdigkeit, die bei Längerem Tragen der Maske möglich ist, ist nicht aufzuwiegen im Vergleich zum Schutz, die die Masken aktuell bieten können." Der Müdigkeitseffekt sei außerdem "weder gravierend noch wahrscheinlich".
Nein, Masken machen nicht die Lunge krank
Eine andere Userin behauptete, durch Maskentragen werde es mit der Zeit "mehr Lungenkranke geben als je zuvor", weil die Maske "Keime in die Lunge" bringe. Bernd Salzberger, Infektiologe am Universitätsklinikum Regensburg, sagt dazu: "Das ist nicht richtig, hierfür gibt es keinen Anhalt."
Auch Blobner vom Klinikum München, dessen Team täglich mit Masken arbeitet, sagt, es gebe keine Belege für solche Behauptungen. Ihm sind keine Studien bekannt über erhöhte Lungenerkrankungen bei Klinikpersonal, das regelmäßig Masken trägt. Wenn Masken richtig und regelmäßig gereinigt sind und korrekt angelegt werden, bringen sie keine Keime in die Lunge, sondern tun das, wofür sie da sind: Sie schützen das Gegenüber vor Keimen.
Wichtig ist, die Masken nur mit sauberen Händen anzufassen sowie nur an den Bändern und Gummis, nicht die Stofffläche. Außerdem sollte man die Masken auch nach dem Waschen an einem sauberen Ort verwahren.
Ist Masken zu tragen für Kinder gefährlich?
Auf WhatsApp verbreiten sich zurzeit Kettenbriefe, die davor warnen, Kindern unter zwölf Jahren Masken aufzusetzen, da Kinder "zu wenig Luft" bekämen und das unter der Maske gesammelte CO2 zu einer "Atemlähmung" führen könne.
Für Kinder unter sechs Jahren gilt die Maskenpflicht ohnehin nicht. Ein Grund: Medizinische Masken sind ein Medizinprodukt - und da braucht es eine extra Zulassung für Kinder unter sechs Jahren und für das Alter zwischen sechs und zwölf Jahren.
"Hersteller streben selten Zulassungen für Medizinprodukte für Kinder an, weil die dafür notwendigen Studien sehr teuer und aufwändig sind", sagt Blobner. Im Falle von medizinischen Masken gebe es auch keinen Bedarf, da Kinder in Krankenhäusern nicht beschäftigt werden.
"Man hat also keinerlei Hinweise für eine Gefahr und schon gar keine Evidenz", sagt Blobner. Es ist also nicht nachgewiesen, dass Masken zu tragen für Kinder gefährlich ist, wie der Kettenbrief behauptet.
Infektionsgefahr steigt, wenn Kinder mit den Masken spielen
Der Kinder- und Jugendarztpräsident Thomas Fischbach warnte aus vor einer Maskenpflicht für Kindergartenkinder. Viele würden den Mund-Nasen-Schutz "eher als Spielzeug betrachten, daran herumhantieren und damit die Infektionsgefahr eher noch verstärken", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Eine Maskenpflicht sei aus entwicklungspsychologischer Sicht erst vom Grundschulalter an sinnvoll: Dann seien Kinder meist in der Lage, vernünftig mit Masken umzugehen.
Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung bei einer Maskenpflicht für Kinder könnten auch physiologische Unterschiede zu Erwachsenen sein. "Die Erhöhung der CO2-Konzentration durch Gesichtsmasken hat in erster Linie mit der Vergrößerung des Totraums zutun", sagt Blobner. Der Totraum ist der Anteil des Atemzugvolumens, der nicht am Gasaustausch in der Lunge teilnimmt, also die eingeatmete Luft, die nicht bis in die Lungenbläschen gelangt.
Kinder haben einen relativ größeren Totraum
Ohne Maske ist das die eingeatmete Luft, die im Mund, der Nase und der Luftröhre bleibt. Durch eine Maske vergrößert sich der Anteil um das Volumen zwischen Maske und Gesicht. Kinder haben auch ohne Maske einen größeren relativen Totraum, der sich mit einer Maske noch deutlicher vergrößert als bei Erwachsenen.
Bei Kindern unter zwei Jahren und auch noch bei Kindern zwischen zwei und sechs Jahren könnte also basierend auf diesen Überlegungen die CO2-Konzentration schneller steigen, so Blobner. Allerdings nur, wenn die Maske komplett dicht sitzt und aus medizinischem Material gefertigt ist. Bei selbstgenähten Masken vermutet Blobner einen deutlich geringeren Effekt. Bei Kindern zwischen sechs und zwölf Jahren wirke sich die Maske auf den relativen Totraum weniger stark aus als bei kleineren Kindern. Auch all diese physiologischen Überlegungen wurden allerdings bisher nicht wissenschaftlich mit Masken überprüft.
Ebenso gebe es keine Untersuchungen dazu, dass eine Atemlähmung ein realistisches Szenario sei, so Blobner. Generell gibt es zwei Typen von Atemlähmungen: Bei einer peripheren müsse das Zwerchfell beschädigt sein, was hier keine Rolle spiele. Eine zentrale Atemlähmung gehe in der Regel mit Müdigkeit bis hin zur Eintrübung des Bewusstseins einher, so Blobner. Bevor es zu einer relevanten Atemlähmung kommt, würde man also bemerken, wie das Kind sehr müde wird.
Blobner merkt aber an, dass beispielsweise Kinder, die krebskrank sind, und auch Kinder im asiatischen Raum oft Masken tragen (und zwar wesentlich länger als für einen Einkauf im Supermarkt), ohne dabei das Bewusstsein zu verlieren.
Enthalten Masken schädliche Stoffe?
Mehrere User gaben zu bedenken, dass Masken auch schädliche Stoffe enthalten können, die man einatmet. Es gilt, das richtige Material für seine Maske zu wählen. Die Staatsregierung empfiehlt: Wer sich eine Alltagsmaske selber bastelt, sollte eng-gewebte hundertprozentige Baumwolle verwenden. Diese würden "in ihrer Funktionsweise am ehesten einem Mund-Nasen-Schutz entsprechen", erklärte das Gesundheitsministerium auf Anfrage des BR. Außerdem sei der Stoff temperaturbeständig und lasse sich gut formen.
Mit anderen Materialien sollte man vorsichtig sein: Staubsaugerbeutel oder Karton sind beispielsweise laut Gesundheitsministerium nicht geeignet. Die Drogerie-Kette dm und der Staubsaugerbeutel-Hersteller Melitta wiesen darauf hin, dass manche Staubsaugerbeutel gesundheitsschädigend sein können – und außerdem Viren unzureichend filterten.
Zudem gilt auch hier: Zumindest bei OP-Masken wurden bisher keine negativen Effekte (wie erhöhte Fälle von Lungenerkrankungen bei Ärzten und Klinikpersonal) beobachtet, auch nicht über lange Zeiträume.
Ist Maskentragen problematisch für Asthmatiker?
Immer wieder stellen User auch die Frage, ob ein Mundschutz Asthmatikern Probleme machen kann. Blobner verneint das – "solange das Asthma nicht auf einer Allergie gegen die Maskeninhaltsstoffe beruht". Asthmatiker sollten also speziell bedenken, aus welchem Material ihre Maske hergestellt wurde. Hausstauballergiker sollten – wie alle anderen auch – darauf achten, dass die Maske frisch gereinigt und nicht staubig ist, wenn sie sie aufsetzen.
Auch bei anderen chronischen Atemwegserkrankungen im Frühstadium sollte das Maskentragen den meisten Patienten keine Probleme machen: Sie haben dann zwar schon einen niedrigen Sauerstoffdruck, so Blobner, und atmen deswegen vermehrt. Das würde die CO2-Konzentration im Blut eher senken. Nur für Patienten mit einer "globalen respiratorischen Insuffizienz", also einer sehr schweren Atemwegserkankung im fortgeschrittenen Stadium, könnte es problematisch sein. Sie haben sowieso schon eine hohe CO2-Konzentration im Blut, die sich nicht weiter erhöhen sollte.
"Solche Patienten sind aber schwer krank", sagt Blobner "Sie sollten auf gar keinen Fall Covid-19 bekommen und deswegen in Isolation bleiben, bis es eine Impfung gegen SARS-CoV-2 gibt." Deshalb stelle sich für die Betroffenen die Frage der Maske eigentlich gar nicht.
Hilft eine Maske auch, wenn ein Infizierter hustet?
Als Argument gegen eine Maskenpflicht und die Wirksamkeit von Masken generell zogen User auch aktuelle Experimente des "Annals of Internal Medicine" heran – eine Untersuchung, die gar nicht die generelle Wirksamkeit von Masken abdeckt oder repräsentative Ergebnisse liefert. Für die Studie der Wissenschaftler aus Seoul husteten vier Covid-19-Patienten aus Südkorea jeweils fünfmal auf eine Petrischale, die sich 20 Zentimeter vor ihrem Gesicht befand. Dieses Experiment wurde viermal wiederholt.
Beim ersten Mal trugen die Patienten keine Maske, beim zweiten Mal eine chirurgische Maske, beim dritten Mal eine Baumwollmaske und beim vierten Mal erneut keine. Das Ergebnis: Weder die chirurgischen noch die Baumwollmasken filterten effektiv Sars-CoV-2 heraus, wenn die infizierten Patienten husteten.
Masken schützen in den meisten wichtigen Situationen
Der Infektiologe Bernd Salzberger vom Universitätsklinikum Regensburg hält diese Studie allerdings nicht für einen Beweis für die Unwirksamkeit von Masken: "Hier hat man Infizierte aufgefordert, stark in eine Maske zu husten - das ist nicht direkt mit der realen Situation zu vergleichen", sagt er. Masken würden vor allem helfen, beim Sprechen Tröpfen aufzufangen. Damit sei die Maske in den meisten wichtigen Situationen geeignet, Infektionen zu verhindern.
Die generelle Wirksamkeit von Masken ist seit langem zahlreich bewiesen, für SARS-Infektionskrankheiten und für private Haushalte (unter anderem hier und hier).
Auch Blobner von der TU München sagt, er als Intensivmediziner könne zwar nachvollziehen, dass Masken zu tragen unangenehm sei – aber das sei kein Grund, es nicht zu tun und nach Gründen dagegen zu suchen. Stattdessen soll man das Tragen von Masken nur auf die nötigen Momente begrenzen, wie einen kurzen Einkauf im Supermarkt oder eine U-Bahnfahrt. Wichtig sei Maskentragen vor allem, wenn man anderen Menschen näher als anderthalb Meter kommt.
Fazit
Einen Mundschutz zu tragen hilft – es macht nicht krank und außer für Menschen mit sehr schweren Atemwegserkrankungen ist es auch nicht problematisch. Jene Patienten sollten aber ohnehin in Isolation bleiben, bis es einen Impfstoff gibt. Es ist auch nicht nachgewiesen, dass Masken zu tragen für Kinder gefährlich ist. Bei sehr langer Tragezeit kann eine Maske in vereinzelten Fällen müde machen, weil sich die CO2-Konzentration unter der Maske erhöht. Bei der Wahl des Mundschutzes sollte man darauf achten, dass man nicht auf Stoffe allergisch ist, die in dieser enthalten sind. Empfohlen wird Baumwolle.
UPDATE: Dieser Artikel stellt den Stand der Wissenschaft vom April 2020 dar. Mittlerweile gibt es weitere Studien zu diesem Thema. Aktuellere Informationen finden Sie hier:
- https://www.br.de/nachrichten/wissen/faktenfuchs-warum-maskentragen-fuer-kinder-unbedenklich-ist,SCGG38z
- https://www.br.de/nachrichten/wissen/masken-gegen-corona-welche-am-besten-schuetzen,S7XsGu7