Darum geht es:
- Eine klinische Studie des Impfstoffherstellers Pfizer/Biontech untersuchte vor der Zulassung, dass der Impfstoff symptomatische Infektionen und schwere Krankheit verhindert.
- Dass der Schutz vor Ansteckung und Übertragung dabei nicht untersucht wurde, habe der Konzern erst vor kurzem zugegeben, behauptet ein prominenter Impfgegner. Pfizer hat dies jedoch schon im November 2020 kommuniziert.
- Studien zeigen: Die Impfstoffe schützten zu Beginn der Impfkampagne auch weitgehend vor Übertragung. Mit den neueren Virusvarianten hat der Übertragungsschutz nachgelassen.
Seit Dezember 2020 wurden weltweit Milliarden Menschen gegen das Corona-Virus geimpft. Der Impfstoff "Comirnaty" von Pfizer/Biontech war das erste Vakzin, das zunächst in Großbritannien und kurz darauf auch in den USA und durch die Europäische Kommission in der EU zugelassen wurde. Die Wirksamkeit dieses Impfstoffs und anderer Impfstoffe ist durch zahlreiche Studien belegt: Die Corona-Impfung schützt vor schwerer Krankheit, auch bei den bislang bekannten Virusvarianten.
Dennoch verbreiteten sich seit Beginn der Impfkampagne immer wieder falsche Behauptungen und Desinformation zu den Corona-Impfstoffen. Zuletzt wurde in den sozialen Medien die Aussage einer Pfizer-Präsidentin im EU-Parlament geteilt, als vermeintliche Enthüllung.
Vermeintliche Enthüllung zu Übertragungsschutz
Der britische Schauspieler und Komiker Russell Brand teilte am 13. Oktober 2022 auf seinem Instagram-Account ein Video, in dem er selbst in die Kamera spricht und sich empört: "Eine leitende Angestellte von Pfizer hat zugegeben, dass sie niemals Impfstoffe auf Übertragung getestet haben. Das bedeutet, dass Covid-Pässe und "Stoppt die Ausbreitung" bestenfalls nur Vermutungen und schlimmstenfalls Lügen waren."
Auf diese Behauptung Brands folgt im Instagram-Video ein Videoausschnitt einer Anhörung im EU-Parlament vom 10. Oktober 2022. Der niederländische Politiker und EU-Parlamentsabgeordnete Robert Roos fragt darin, ob der Hersteller Pfizer/Biontech vor der Zulassung getestet habe, ob eine Impfung auch die Weitergabe des Virus verhindere. "Nein", antwortet Janine Small, Präsidentin für internationale Märkte bei Pfizer. Ihre weitere Antwort ist in Brands Video abgeschnitten. Das Video wurde bis Mitte November allein auf Instagram laut Angaben der Plattform rund 2,5 Millionen mal aufgerufen.
Doch Brands Aussagen fehlt entweder wichtiger Kontext, oder sie sind falsch.
Mit welchem Ziel wurden die Corona-Impfstoffe entwickelt und was ist über einen Übertragungsschutz der Corona-Impfung bekannt? Der #Faktenfuchs hat mit einer Virologin gesprochen, den Impfstoffhersteller Pfizer angefragt und Studien zum Thema ausgewertet.
Zulassungs-Studie bestätigte Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffs
Ansteckungen zu verhindern sei nicht das vorrangige Ziel gewesen bei der Impfstoffentwicklung, sagt Ulrike Protzer, Leiterin des Virologischen Instituts an der TU München im Interview mit dem #Faktenfuchs. "Die Impfung heißt ja Covid-19-Impfung, und ist entwickelt worden, um einen Schutz vor Covid-19, also vor der Erkrankung, zu bieten."
Brands Formulierung, die Pfizer-Präsidentin habe etwas "zugegeben", ist daher irreführend. Das Pharma-Unternehmen Pfizer/Biontech hat vor der Zulassung des Impfstoffes im Dezember 2020 nie behauptet, dass es den Corona-Impfstoff auf einen möglichen Übertragungsschutz hin untersucht habe.
Die für die Zulassung wegweisende klinische Phase-3-Studie, deren Protokoll im November 2020 veröffentlicht wurde, wurde laut Pfizer konzipiert und durchgeführt, "um die Wirksamkeit von BNT162b2 [Bezeichnung des Impfstoffs] zur Vorbeugung von durch SARS-CoV2 [Bezeichnung des Virus] verursachten Krankheiten, einschließlich schwerer Krankheiten, zu bewerten", schreibt ein Pfizer-Sprecher in einer Mail-Antwort an den #Faktenfuchs. "Die BNT162b2-Studien waren nicht darauf ausgelegt, die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen die Übertragung von SARS-CoV-2 zu bewerten."
- Warum manche Daten aus den Zulassungsstudien auch nach zwei Jahren nicht öffentlich verfügbar sind, hat der #Faktenfuchs hier recherchiert.
FDA und EMA wiesen auf fehlende Erkenntnisse zu Übertragungsschutz hin
Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA), die dem Pfizer-Impfstoff am 11. Dezember 2020 eine Notfallzulassung für die USA erteilte, schrieb schon damals in einem Pressestatement: "Derzeit sind weder Daten verfügbar, um zu bestimmen, wie lange der Impfstoff Schutz bietet, noch gibt es Hinweise darauf, dass der Impfstoff die Übertragung von SARS-CoV-2 von Mensch zu Mensch verhindert."
Auch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), die den Pfizer-Impfstoff am 21.12.2020 zur Zulassung durch die EU-Kommission empfahl, war sich über fehlende Erkenntnisse zum Übertragungsschutz bewusst. Bei einem virtuellen Meeting am 11. Dezember 2020, bei dem der Entwicklungsstand und die mögliche Zulassung verschiedener Impfstoffe besprochen wurde, hielt die EMA in einer Präsentation fest, dass die Frage der Virusübertragung noch spezifische Studien nach der Zulassung benötige.
STIKO vermutete gewissen Übertragungsschutz
Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut entwickelt auf Basis evidenzbasierter Medizin Impfempfehlungen für Deutschland. Laut STIKO war es durchaus ein Ziel der Covid-19-Impfung, Übertragungen des Virus zu verhindern. So steht es im Beschluss für die Empfehlung der COVID-19-Impfung mit Datum vom 14. Januar 2021.
Gleichzeitig verweist aber auch die STIKO darauf, dass es hierzu noch nicht genügend Daten gebe. So könne man noch nicht abschließend bewerten, inwiefern die COVID-19-mRNA-Impfstoffe eine Übertragung des Virus von Mensch zu Mensch reduzieren oder verhindern.
Impfung schützte vor Übertragung bei Ursprungsvariante von SARS-CoV-2
Auch wenn der Pfizer-Impfstoff gar nicht explizit dafür entwickelt wurde: Laut Virologin Protzer bestand zu Beginn der Impfkampagne Ende Dezember 2020, als noch vorrangig die Ursprungsvariante von SARS-CoV-2 kursierte, ein gewisser Übertragungsschutz: "Man hat sofort, als die Impfung zugelassen war, untersucht, ob es auch eine Sars-CoV-2 Impfung ist", ob die Impfung also nicht nur vor der Krankheit Covid-19, sondern auch vor Ansteckung mit dem Virus selbst schütze.
Das Ergebnis: "Der Schutz vor Infektion war anfänglich gegeben. Und wenn ich mich selbst nicht anstecke, dann kann ich das Virus auch nicht weitergeben", sagt Protzer. Erste Studien, die den Übertragungsschutz belegten, wurden kurz nach der Zulassung etwa in Israel durchgeführt und im Februar 2021 beziehungsweise im Juli 2021 veröffentlicht.
Weitere Studien bestätigten den Schutz vor Ansteckung und damit Übertragung, wie etwa diese Untersuchung, die Ende April 2021 in Großbritannien veröffentlicht wurde.
"Bei der Alpha-Variante war der Schutz vor Ansteckung [nach Erreichen des vollen Impfschutzes] mehr als 14 Tage nach der Impfung bei 89 Prozent", so Protzer.
Weniger Übertragungsschutz bei Beta-, Delta- und Omikronvarianten
Allerdings habe der Übertragungsschutz bei den folgenden Virusvarianten abgenommen. "Es kam die Delta-Variante. Da war der Übertragungsschutz schon reduzierter, also nicht mehr bei 75 Prozent, [wie bei Beta], sondern eher bei 60 Prozent. Die Omikron-Variante hat es geschafft, noch ansteckender zu werden und diesem Ansteckungsschutz noch weiter zu entgehen."
Zur Übertragbarkeit des Virus unter Omikron gebe es bisher keine ausreichenden Daten, schreibt das Robert Koch-Institut in seinem FAQ zu Covid-19 und Impfen unter dem Punkt "Wie wirksam sind die Covid-19-Impfstoffe?": Die Übertragbarkeit des Virus "scheint bei Geimpften weiterhin reduziert zu sein, wobei das Ausmaß der Reduktion nicht vollständig geklärt ist."
Studien aus Norwegen und Dänemark zeigten jedoch, dass eine Impfung die Übertragbarkeit auch der Omikron-Variante nach der Grundimmunisierung um sechs bis 21 Prozent und nach der Auffrischimpfung um weitere fünf bis 20 Prozent reduziere.
Selbst bei Omikron biete die Impfung also einen gewissen Schutz vor Ansteckung und Übertragung, sagt auch Protzer, und schätzt diesen noch etwas höher ein als das RKI: "Es ist immer noch so, dass ein etwa 50-prozentiger Schutz bestehen bleibt durch die Impfung im Vergleich zu Ungeimpften."
Neue Impfstoffe: Noch keine aussagekräftigen Daten
Seit September sind zwei neue, an Omikron angepasste Impfstoffe zugelassen, sie werden von der STIKO für Auffrischimpfungen ab 12 Jahren empfohlen.
Beide lösen laut RKI im Vergleich zu den bisherigen mRNA-Impfstoffen eine verbesserte Antikörperantwort gegenüber verschiedenen Omikron-Varianten aus. Zur klinischen Wirksamkeit beim Menschen, also auch zur Frage des Übertragungsschutzes, liegen laut Angaben des Robert Koch-Instituts jedoch noch keine aussagekräftigen Daten vor.
Impfungen ermöglichen Normalität
Dass man mit der Impfung letztlich nicht nur sich, sondern auch andere schützt, liegt laut Protzer aber nicht nur am Übertragungsschutz: "Es schützt natürlich andere auch deshalb, weil wir insgesamt einfach viel normaler mit diesem Virus umgehen können, weil eben nicht mehr so viele Menschen schwer krank werden, ins Krankenhaus müssen, beatmet werden müssen, unsere Intensivstationen belasten."
Fazit:
Der Impfstoffhersteller Pfizer/Biontech untersuchte vor der Zulassung seines Corona-Impfstoffs in einer klinischen Studie, dass dieser symptomatische Infektionen und schwere Krankheit verhindert. Ob die Impfung auch vor Ansteckung und Übertragung schützt, wurde vor der Zulassung nicht untersucht - das kommunizierte das Pharmaunternehmen schon im November 2020. Die entsprechende Aussage einer Pfizer-Präsidentin im EU-Parlament ist daher nicht neu und keine Enthüllung, wie von einem prominenten Impfgegner behauptet.
Spätere Studien zeigen: Die Impfstoffe schützten zu Beginn der Impfkampagne auch weitgehend vor Ansteckung und Übertragung. Mit den neueren Virusvarianten hat der Übertragungsschutz jedoch nachgelassen.
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