Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) zu Geisterfahrern: Eine Falschfahrerwarntafel steht an  Ausfahrt Lorch/Ost an der B29, bei einer Präsentation Pilotprojekt zur Falschfahrer-Prävention.
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Warntafel gegen Geisterfahrer: Präsentation einer Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV)

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Studie: Geisterfahrer sind besonders häufig Senioren

Warum fährt jemand in falscher Richtung auf die Autobahn? Schätzungsweise fast 2.000 Autofahrer pro Jahr in Deutschland tun genau das, sie werden zu Geisterfahrern. Etwa die Hälfte davon ist laut einer Studie 65 Jahre oder älter.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Der Gesamtverband der Versicherer, GDV, hat anonymisierte Daten seiner Mitgliedsunternehmen ausgewertet und untersucht, warum jemand zum Falschfahrer wird. Anders als andere wissenschaftliche Einrichtungen können die Versicherer auf eine große Datenmenge zurückgreifen: psychologische Gutachten, Gerichtsakten, Unfallskizzen. Jeder Versicherungsfall ist gut dokumentiert, erklärt Siegfried Brockmann, der die Abteilung Unfallforschung beim GDV leitet: "Wir haben weiterhin die Polizeidaten ausgewertet und das aggregiert mit all dem, was man aus öffentlichen Meldungen bekommen konnte. Und selbst so haben wir es gerade mal auf 222 Fälle geschafft."

Viele ältere Menschen unter den Falschfahrern

Für eine harte Statistik mag das nicht ausreichen, aber Brockmann ist dennoch stolz auf seine Studie, die im Vergleich zu älteren Untersuchungen einiges mehr an Daten liefern soll. Und er zieht bereits Erkenntnisse daraus: "Rund 50 Prozent der Falschfahrer waren jenseits der 65, und 40 Prozent jenseits der 75. Und wenn ich noch weitergehe, jenseits der 85 waren es sogar noch 10 Prozent. Und das muss man ja spiegeln an der Zahl der tatsächlichen Fahrer in dem Alter, und da sieht man schon, dass das sehr hohe Zahlen sind. Und in den Fällen sehen wir auch eine größere Anzahl von Demenzfällen beziehungsweise anderer Arten von Verwirrtheit."

Ähnliches hätten vorangegangene Studien bereits ergeben, allerdings, betont Brockmann, mit einer geringeren Fallzahl.

Große Warnschilder an Ausfahrten

Bisher versuchen Verkehrsplaner und Wissenschaftler, das Problem mit technischen und planerischen Mitteln in den Griff zu bekommen. Beim Thema Beschilderung verweisen Experten gerne auf Österreich, wo riesige gelbe Warnschilder an Autobahnausfahrten anzeigen, wenn man in die falsche Richtung auffährt. In Belgien sollen Kameras künftig Geisterfahrer erkennen und Meldungen an die Einsatzkräfte absetzen und zusätzlich Warnlichter zur Information für andere Autofahrer einschalten. Ein ähnliches System, das Falschfahrer per Infrarotsensoren erkennen soll, haben Studierende der Universität des Saarlandes entwickelt. In Deutschland gibt es seit 2013 außerdem eine Checkliste für die Planung von Ausfahrten zum Beispiel an Rastanlagen, die Experten für besonders unübersichtlich halten.

Begleitete Fahrten: auf Einsicht der Autofahrer setzen

Gerade das Problem mit älteren Fahrern will Siegfried Brockmann aber anders angehen. Er setzt dabei nicht auf Fahrverbote für ältere Menschen, sondern auf Einsicht. Dazu schlägt er begleitete Fahrten vor, bei denen die älteren Menschen behutsam gesagt bekommen, was noch gut läuft und was nicht.

Bei einer Gruppe von Falschfahrern sind solch präventive Maßnahmen aber sinnlos: bei denen, die absichtlich und ganz bewusst die Fahrtrichtung wechseln. "In sehr vielen Fällen können wir das Manöver sehen, was dieser Falschfahrt vorausgegangen ist", erklärt Brockmann, "und dann kommt für mich die große Überraschung, dass in rund einem Drittel dieser Fälle jemand auf der Fahrbahn im fließenden Verkehr gewendet hat. Also nicht etwa am Stauende, was verboten ist, aber immerhin noch irgendwie verständlich wäre."

Um solche Fälle zu verhindern, sagt Brockmann, müsse man auf technische Maßnahmen setzen: "Autopiloten", die eine Weiterfahrt verhindern und das Auto am Straßenrand abstellen. Die Technik dafür ist in den neuesten selbstfahrenden Autos schon weitgehend vorhanden.

Schnellere Warnung vor Falschfahrern

Berthold Färber, emeritierter Psychologe an der Bundeswehr-Uni in München, findet solche hochtechnologischen Ansätze interessant. Er verweist aber darauf, dass ältere Autos aufgrund der langen Nutzungsdauer noch viele Jahre auf den Straßen sein werden. Deshalb setzt er vorerst auf Technologien, mit denen andere Autofahrer vor Falschfahrern gewarnt werden: "Die Warnung muss schneller erfolgen als jetzt", so Färber, "bisher haben wir eine ganze Meldekette, das muss verifiziert werden, dann geht es über den Rundfunksender und dann kommt es an. Das Ganze könnte mit technischen Möglichkeiten schneller passieren."

Am Ende könnte es eine Mischung sein: Das Navi im Auto zeigt den Falschfahrer an, auf den Schilderbrücken über der Autobahn erscheint eine Warnung, neue, intelligente Autos bremsen automatisch runter und ordnen sich rechts ein. Und auch der Bayerische Rundfunk wird im Verkehrsfunk – wie seit Jahrzehnten – weiterhin vor Falschfahrern warnen.

Was tun, wenn man zum Geisterfahrer wird?
Bildrechte: picture-alliance/dpa; Collage: BR
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#verkehrstipps

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