Säuglinge auf der Intensivstation, Kleinkinder, die schweratmig und mit Husten die Notaufnahmen füllen. Dass es gegen eine Infektion mit dem RS-Virus endlich einen Impfstoff gibt, ist ein Erfolg, sagt Klaus Überla, der Sprecher der Arbeitsgruppe Respiratorische Syncytial-Viren von der Ständigen Impfkommission des Robert-Koch-Instituts, kurz Stiko. Zwei Jahrzehnte virologische Grundlagenforschung machten sich jetzt bezahlt. Hier verbesserte Schutzmöglichkeiten zu haben sei wirklich ein großer Fortschritt, so Überla.
Doch für den RSV-Impfstoff von Pfizer, den die EU im August unter anderem für Schwangere zugelassen hat, gibt es noch keine Impfempfehlung von der Stiko. Man könnte meinen, sie zögert. Doch dem widerspricht Klaus Überla: "Die Stiko zögert nicht, die Stiko führt ihre normale Überprüfung der Wirksamkeit und Sicherheit dieser Impfstoffe jetzt durch."
Was für eine Impfempfehlung für Schwangere spricht
Bei ihrer Analyse der Daten hat die Stiko zum Beispiel festgestellt, dass der RSV-Impfstoff von Pfizer namens Abrysvo bei Schwangeren sehr wirksam ist. Das bedeutet: Die Kinder der geimpften Mütter haben sehr viel seltener schwere Atemwegserkrankungen durch das RS-Virus.
Eigentlich eine gute Nachricht findet auch Folke Brinkmann vom Uni-Klinikum Schleswig-Holstein. "Die Idee ist ja eigentlich bestechend, dass man sagt: In der Schwangerschaft impft man die Mütter und wenn die Mütter gegen einen Erreger einen Antikörper haben, geben sie den über die Plazenta an die Kinder weiter. Die Kinder sind dann gerade in den ersten Wochen geschützt, gerade dann, wenn sie eben am gefährdetsten wären."
Was gegen eine Impfempfehlung für Schwangere sprechen könnte
Bei ihrer Untersuchung stieß die Stiko aber auch darauf, dass es bei der Studie zum Pfizer-Impfstoff bei den geimpften Schwangeren zu etwas mehr Frühgeburten kam als in der Kontrollgruppe der nicht geimpften Schwangeren. Dabei betont Klaus Überla von der Stiko, dass die Zahlen dazu nicht statistisch signifikant seien. "Aber es war ein Risikosignal. Und das ist etwas, was wir noch besser verstehen müssen, um damit dann auch eine entsprechende Risiko-Nutzen-Bewertung für diesen neuen Impfstoff dann auch für Schwangere durchführen zu können."
Konkurrent GlaxoSmithKline brach Impfstudie mit Schwangeren ab
Frühgeburten waren laut der medizinischen Fachzeitschrift British Medical Journal auch der Grund, warum der Pfizer-Konkurrent GlaxoSmithKline in der Studie zu seinem RSV-Impfstoff Arexvy die Impfung schwangerer Probandinnen komplett gestoppt hatte.
Bei Pfizer war die leicht erhöhte Frühgeburtsrate allerdings nicht bei Studienteilnehmerinnen in Europa und den USA zu beobachten, sondern in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Es ist möglich, dass diese gar nicht mit der Impfung zusammenhängt. Aber auch nicht ausgeschlossen. Deswegen gibt es laut Klaus Überla eine Überlegung der Stiko, die Impfung der Schwangeren erst für die späte Schwangerschaft zu empfehlen, wenn das Risiko der Frühgeburtlichkeit quasi keines mehr ist.
Wie Säuglinge und Kleinkinder sonst vor RSV geschützt werden können
Allerdings kann man Säuglinge und Kleinkinder auch anders schützen, mit einem Prophylaxe-Mittel zum Beispiel, mit dem man den Kindern Antikörper verabreicht. Die einmalige Injektion schützt für fünf Monate vor schweren RSV-Erkrankungen und wird empfohlen für Frühchen und Kinder mit Risikofaktoren.
Außerdem sind Säuglinge laut Klaus Überla besser vor einer RSV-Infektion geschützt, wenn sie in den ersten vier bis sechs Lebensmonaten möglichst viel gestillt werden. Denn auch dabei übertragen sich Antikörper gegen RSV von der Mutter aufs Kind.
Zur Frage, ob er Schwangeren schon jetzt im Herbst und Winter 2023 zu einer Impfung raten würde, hat der Sprecher der Stiko-Arbeitsgruppe eine klare Meinung: "Ich würde im Moment nicht impfen. Da haben wir einfach noch nicht die Daten, wir haben aber auch keine Daten, die das wirklich widerlegen. Wir müssen da einfach noch weiter in die Auswertung reingehen."
Impfempfehlung der Stiko kommt voraussichtlich im Frühjahr 2024
Eine Impfempfehlung der Stiko wird es voraussichtlich im Frühjahr kommenden Jahres geben. Zugelassen und verfügbar sind die Impfstoffe schon in der EU für Schwangere und Menschen ab 60. Wer sich nach ärztlicher Beratung dafür entscheidet, kann sich also impfen lassen, muss aber selbst dafür zahlen.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!