Lebensbedrohliche Probleme durch frostige Temperaturen bekommen Insekten hierzulande in der Regel nicht. Sie haben erfolgreiche Strategien entwickelt, mit Kälte umzugehen. Einen knackigen Winter mit Schnee und trockenem Frost stecken Schmetterling, Käfer und Kollegen locker weg. Schwierigkeiten haben diese Tiere eher mit wärmeren, feuchten Wintern. Dann müssen sie ihren Stoffwechsel nämlich immer wieder ankurbeln, und das kostet Energie. Zu fressen finden sie dann meist auch nichts. Das andere Problem sind Pilze, die ihnen bei feuchtkalter Witterung zusetzen.
Insektenorganismus im Winter
Die meisten Insekten suchen sich ein geschütztes Plätzchen und verharren dort kältestarr, bis die Tage länger und die Temperaturen angenehmer werden. In der Regel geschieht das als Larve, als Ei oder gut verpackt in der Puppenhülle, also in einem der robusten Jugendstadien. Es gibt allerdings auch Insekten, die den Winter als erwachsenes Tier überdauern. Zu dieser Gruppe gehört eine Hand voll Tagfalterarten, unter anderem der Kleine Fuchs und das Tagpfauenauge. Die Falter warten mit zusammengeklappten Flügeln kopfunter hängend in Nischen, Höhlen und Nistkästen, aber auch in Gartenhäuschen und Dachböden aufs Frühjahr.
"Muss man allerdings im Frühjahr aufpassen, dass die rauskommen. Denn sonst kommt es zum Tod am Fenster, wenn die ersten Frühlingstage kommen." Christian Stiersdorfer, Landesbund für Vogelschutz
Frostschutzmittel im Blut
Die große Ausnahme unter den Schmetterlingen ist der Zitronenfalter, der im Freien überwintert. Dazu lässt sich der Zitronenfalter einfrieren. Das ermöglicht ihm eine Art Frostschutzmittel im Blut. Es verhindert, dass sich im Körper des Schmetterlings Eiskristalle bilden, die die Zellwände durchstechen könnten und dadurch zum Tod des Gewebes führen würden.
Bitte sitzen lassen
Um einen eingeschneiten oder eisgekühlten Zitronenfalter muss man sich also keine Sorgen machen; der Bursche kommt wunderbar klar und bedarf keiner menschlichen Hilfe.
So kommen die Wildbienen über den Winter
Bei den staatenbildenden Wespen und Hummeln verkriechen sich die jungen Königinnen im Herbst in ein ruhiges Quartier: Hummeln am liebsten in lockere Erde oder unter eine Laubschicht, Wespen gerne in Höhlen, Nischen oder morsches Holz.
Alleinlebende Wildbienen dagegen überdauern fast immer in Puppenform. Fettgefressen und kältestarr ruhen sie in ihren Brutzellen im Boden, in dürren Brombeerranken oder in hohlen Stängeln. Deshalb aufgepasst: Wer den Garten im Herbst blank putzt und Balkonstauden sauber zurückschneidet, tötet damit vielleicht die Bestäuber der nächsten Saison.
"So was stehenzulassen, ist gut, und erst im Frühjahr dann abzuräumen. Diese alten Stängel haben durchaus ihre Ästhetik. Wartet man den ersten Raureif ab, ist selbst die hässlichste verblühte Blume dann plötzlich wieder wunderschön." Christian Stiersdorfer, Landesbund für Vogelschutz
Insekten-Schlafzimmer unterm Laubhaufen
Auch Florfliegen und Marienkäfer überwintern im Erwachsenenstadium. Beide Arten lieben Laubhaufen. Diesen Nützlingen kann man auch auf dem Balkon unter die Flügel greifen, indem man ihnen einen schuhkartongroßen und mit Stroh gefüllten Holzkasten anbietet. Die offene Seite mit schrägstehenden Holzlamellen oder einem geschlitzten Deckel versehen und das Ganze vor Regen geschützt aufhängen. Fertig.
Wenn man sowieso am Basteln ist, kann man gleich noch engmaschigen Draht oder eine Holzplatte vors Insektenhotel schrauben. Beides hindert Vögel daran, das Hotel als praktischen Futterspender zu nutzen. Die schlaue Kohlmeise bedient sich nämlich gern mal am kalten Insekten-Buffet. Genauso der Buntspecht.
Wunderliche Plätze
Insektennester finden sich aber nicht nur an den für sie vorgesehen Plätzen. Die kleinen lehmbraunen Zellen der Rostroten Mauerbiene etwa sind schon im Falz von Fensterrahmen und in den Schraubenlöchern von Gartentischen aufgetaucht. Auch hier gilt: Einfach in Ruhe lassen. Weder Nester noch Insassen richten Schaden an. Wenn so eine Zelle aber kaputtgeht oder zerstört wird, muss die Larve darin sterben.
"Wir wollen draußen bleiben ..."
Was man auf keinen Fall tun sollte: Gefundene Nester oder Tiere aus Mitleid mit in die Wohnung nehmen, warnt Christian Stiersdorfer vom Landesbund für Vogelschutz. Die vermeintliche Rettung ins Warme ist in Wirklichkeit ein Todesurteil.
"Da verbrauchen die unheimlich viel Energie, aber haben nichts zu futtern. Von daher ist es besser, wenn sie irgendwo erstarrt sitzen und warten aufs Frühjahr." Christian Stiersdorfer, LBV
Der Insektenorganismus ist nicht auf winterliche Aktivitäten, sondern auf eine Ruhephase ausgelegt. Insekten, die sich im Herbst in beheizte Räume verirren, sollte man deshalb freundlich, aber bestimmt an die Luft setzen.