In Bayern gibt es etwa 50 Internate. Das sind Bildungseinrichtungen, in denen viele Schüler auch wohnen und nur am Wochenende oder in den Ferien nach Hause fahren. Je nach Einrichtung müssen die Eltern einiges für ein Internat bezahlen, aber in Coronazeiten interessieren sich gestresste Familien wieder mehr für diese Art der meist privaten Beschulung.
Internate haben schwierige Zeiten hinter sich
Die erste Coronawelle traf vor allem kleinere Internate hart. Eltern meldeten ihre Kinder ab, weil sie wegen Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit das Schulgeld nicht mehr bezahlen konnten. Auch vorher sanken Schülerzahlen, weil es insbesondere in kirchlichen Einrichtungen Missbrauchsfälle gab und Eltern das Vertrauen verloren hatten. "Schülerschwund bei den Jüngsten ist deutschlandweit ein Phänomen. Auch die Missbrauchsfälle sind ein spürbarer Faktor. Das ist mit Sicherheit ein Grund, weshalb gerade jüngere Kinder weniger häufig in Internaten angemeldet werden", sagte Christopher Haep, der Vorsitzende des Verbands katholischer Internate, im Jahr 2014.
Internate bieten kleine Gruppen und regelmäßigen Unterricht
Jetzt scheint sich der Trend umzukehren: Familien entdecken die Beschulung und Versorgung der Kinder jenseits der Heimatgemeinde als Chance, heil durch die Pandemie zu kommen. Digital gut ausgestattete Internate, die regelmäßigen Unterricht garantieren, können sich als Rettungsanker erweisen. "Es ist noch zu früh, um zu einem endgültigen Schuss zu kommen, aber wir können im Moment sagen, dass wir bereits mehr Verträge für das kommende Schuljahr abgeschlossen haben als vor Corona", so der Leiter im Landheim Ammersee, Rüdiger Häusler.
Corona fördert den Wunsch nach Gemeinschaft
In Internaten findet der Unterricht in Coronazeiten entweder digital für die ganze Klasse statt oder im persönlichen Kontakt in festen Kleingruppen. Zum Mittagessen und in der Freizeit dürfen sich Gruppen, die auch zusammenwohnen, unbefangen treffen. Die geschützte Schulsituation im Internat ist für viele Eltern eine Möglichkeit, Druck aus der Familien zu nehmen. Denn Homeschooling und Homeoffice zehren an den Nerven.
"Auch während des Homeschooling waren die meisten hier im Internat, weil wir hier mehr Möglichkeiten haben. Das heißt, wir werden getestet, sind dann hier im Haus in der Hausgemeinschaft, können Sport machen, haben viele Freizeit-Möglichkeiten und können auch zusammen lernen." Julius, Oberstufenschüler im Landheim Ammersee
Schulfamilien im Internat gelten in Corona als sichere Inseln
Manche Internate - wie beispielsweise die Schule Schloss Salem am Bodensee - bieten Familien in der Krise zinslose Kredite an, um die schwierige Zeit der Pandemie zu überbrücken. Auch Spenden werden innerhalb der Elternschaft gesammelt. "Wir haben deutlich gestiegene Anmeldezahlen: über zehn Prozent Zuwachs im Vergleich zu den Vorjahren", so Bernd Westermeyer, Leiter des Internatsgymnasiums auf Schloss Salem. "Das überrascht mich ehrlich gesagt nicht, denn die Internate können in dieser Krisensituation Stärken ausspielen, die andere Schulen, auch wenn sie sich sehr gut aufstellen, so nicht haben", sagt Westermeyer.
Privatschulen und Internate können flexibel auf Krisen reagieren
Das Internat bietet Vorteile, die es beim öffentlichen Schulbesuch nicht gibt. Wer sozusagen in der Schule wohnt, muss beispielsweise in keinen Schulbus mehr steigen, wodurch eine mögliche Infektionsquelle wegfällt. Die Mitglieder einer Wohngruppe im Internat werden regelmäßig auf das Coronavirus getestet, so dass Begegnungen innerhalb der festen Gruppe zwanglos möglich sind.
Teure Internate haben vergleichsweise viele Lehrerinnen und Lehrer, um Schüler individuell zu fördern. In der Regel ist das Freizeitangebot vielfältig. Damit kommen manche Internate den gestiegenen Ansprüchen der Familien entgegen. "Eltern haben heute sehr hohe Erwartungen an ihre Kinder. Damit die sich erfüllen, möchten sie eine individuelle Behandlung, ganz persönlich soll auf Lernstärken und -schwächen eingegangen werden", sagt Bildungsforscher Klaus Hurrelmann von der Berliner Hertie School of Governance.
Familien werden mürbe, wenn an staatlichen Schulen der Distanz- und Präsenzunterricht häufig wechselt, damit die Planbarkeit fehlt und Kinder darunter leiden, phasenweise ganz voneinander isoliert zu sein. Das sind Gründe, warum Privatschulen und Internate derzeit wieder Aufwind bekommen.
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