Planeten ohne jegliche romantische Sternenauf- und –untergänge, auch das hat unsere Galaxis wahrscheinlich zu bieten. Das bislang kleinste Exemplar dieser Gattung der frei fliegenden Planeten will nun ein Astronomenteam um Przemek Mróz vom California Institute of Technology ausgemacht haben. Laut einer im Fachmagazin „Astrophysical Journal Letters“ erschienenen Studie soll dieser richtig einsame Wanderer kleiner als die Erde sein und etwa so groß wie unser roter Nachbar Mars.
Hundert Milliarden einsame Planeten - vielleicht
Der Fund mag erstaunen. Ist doch ein Planet üblicherweise dadurch definiert, dass er sich auf einer Umlaufbahn um sein Zentralgestirn bewegt. Trotzdem häufen sich seit einigen Jahren Hinweise darauf, dass gar nicht mal so wenige Planeten solo im All unterwegs sind, ohne Stern, ohne Umlaufbahn, ohne die bereits erwähnten Sternenauf- und –untergänge. Tatsächlich könnte die Zahl der frei fliegenden Planeten in der Milchstraße in etwa so groß sein wie die Zahl der Sterne in der Milchstraße, und das sind immerhin mindestens hundert Milliarden Sterne.
Nun sind Przemek Mróz und seine Kollegen also auf den bislang kleinsten Kandidaten gestoßen. Dafür verwendeten sie vor allem Beobachtungsdaten der OGLE-Himmelsdurchmusterung, die bereits seit 28 Jahren den Himmel erkundet. Aber wie findet man überhaupt ein Objekt, das sehr klein und vor allem sehr dunkel ist, da es nicht selbst leuchtet?
Indirekte Mikrogravitationslinse statt direkte Beobachtung
Herkömmliche Exoplaneten, also Planeten, die um einen anderen Stern als die Sonne kreisen, finden Astronomen derzeit nämlich auch nur, indem sie diesen anderen Stern untersuchen und nicht den Planeten selbst. Exoplaneten können sich über ein leichtes Ziehen über ihre Schwerkraft am Stern bemerkbar machen oder aber, indem sie an ihm von uns aus gesehen vorüberziehen. Die direkte Beobachtung von Exoplaneten ist mit den derzeitigen technischen Mitteln kaum möglich.
Nun fehlt einem frei fliegenden Planeten aber genau die entscheidende Zutat des Zentralgestirns. Trotzdem können diese einsamen Wanderer irdische Astronomen ihre Existenz indirekt verraten. Zu Hilfe kommt hier ein Effekt namens Mikrogravitationslinseneffekt. Er beruht im Grunde genommen auf Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie und auf der Tatsache, dass ein massereiches Objekt das Licht eines – von uns ausgesehen – dahinterliegenden Himmelskörpers wie eine Linse bündeln kann.
Frei fliegende Planeten bündeln das Licht eines dahinterliegenden Sterns
Zieht ein frei fliegender Planet also an einem Stern vorüber, kann er wie eine Linse wirken und das Licht des Sterns ein klein wenig bündeln. Irdischen Teleskope registrieren somit für die Länge dieses Transits, dass der Stern ein klein wenig heller scheint. Die Länge dieses Transits wiederum kann Hinweise auf die Linse selbst liefern. Mróz und seine Kollegen nun fanden das bislang kürzestes Transitereignis: Es dauerte lediglich rund 42 Minuten, bis die Linse – also der Planetenkandidat – den dahinterliegenden Stern passiert hatte. Dies lieferte den Hinweis, dass es sich bei dem Kandidaten um ein extrem kleines Objekt handeln muss und sich größenmäßig zwischen Mars und Erde bewegt.
Bislang nur Planetenkandidaten
Einen Namen hat dieser Planetenkandidat nicht, das Transitereignis selbst trägt den kaum einprägsamen Titel OGLE-2016-BLG-1928. Tatsächlich sind bislang alle derartigen frei fliegenden Planeten lediglich Kandidaten. Denn um sie als Planeten zu bestätigen, sollte man zumindest einen zweiten Blick darauf werfen. Das aber ist nun einmal bei frei fliegenden Planeten unmöglich. Wenn sie erst mal an dem Stern vorübergezogen sind, kommen sie nicht wieder.
Frei fliegend oder weit weg?
Dann ist da auch noch die Frage, ob diese Planeten wirklich frei fliegend sind oder ob sie sich lediglich in extrem großen Orbits um ihre Sterne befinden. Diese Sterne selbst würden in dem Mikrolinsengravitationsereignis kaum auftauchen. Für OGLE-2016-BLG-1928 fanden Mróz und seine Kollegen heraus: Sollte der einsame Wanderer doch gar nicht so einsam sein, müsste sein Stern von ihm mindestens achtmal so weit entfernt sein wie die Sonne von der Erde.
Auch bei anderen frei fliegenden Kandidaten können Astronomen nicht sicher sein, ob es sich dabei nicht doch um Planeten auf sehr weiten Umlaufbahnen handelt. Allerdings konnten sie bislang auch noch keinen Hinweis darauf finden, dass es so ist.
Woher und wohin mit den frei fliegenden Planeten
Und schließlich wäre da die Frage: Wo kommen diese ganzen frei fliegenden Planeten eigentlich her? Tatsächlich gibt es dafür mehrere Möglichkeiten, zumindest rein theoretisch. Für ihren wandernden Winzling favorisieren die Astronomen um Mróz ein Szenario, laut dem er zunächst wie ein ganz normaler Planet um einen Stern entstanden, dann aber aufgrund der gravitativen Wechselwirkungen mit anderen, massereicheren Planeten aus seinem System hinausbefördert worden wäre. Theoretischen Berechnungen zufolge sollte das gar nicht mal so selten vorkommen. Ob das stimmt oder überhaupt stimmen kann, könnten weitere Untersuchungen und Funde der Freiflieger unter den Planeten zeigen.
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