Weltweit richten Flüsse, die über die Ufer treten, pro Jahr einen Schaden von geschätzt rund 90 Milliarden Euro an, Tendenz steigend. Unklar war bisher, ob sich Europa gerade in einer längeren Phase mit vielen Hochwasserereignissen befindet. Wissenschaftler um Günter Blöschl, Professor für Wasserbau und Ingenieurhydrologie an der Technischen Universität Wien, konnten nun belegen, dass die letzten drei Jahrzehnte zu den hochwasserreichsten Perioden in Europa in den vergangenen 500 Jahren zählen. An der Studie, die in der Fachzeitschrift Nature erschienen ist, waren insgesamt 34 Forschungsgruppen beteiligt. Nach ihren Untersuchungen haben die Überschwemmungen in den vergangenen Jahrzehnten oft ein größeres Ausmaß. Außerdem traten Überschwemmungen früher häufiger in kalten Phasen auf. Heute ist die globale Erwärmung eine der Hauptursachen für die steigende Zahl.
Die Merkmale der Überschwemmungen der letzten Jahrzehnte sind anders als die in vergangenen Jahrhunderten." Alberto Viglione, Politecnico di Torino, Co-Autor der Studie.
Historische Daten aus einem halben Jahrtausend
Für die Studie wurden Zehntausende historischer Dokumente mit zeitgenössischen Hochwasserberichten aus den Jahren 1500 bis 2016 analysiert. Das Team der TU Wien arbeitete dabei mit Historikern aus ganz Europa zusammen. Gemeinsam stellten sie eine Datenbank zusammen mit einer genauen Datierung fast aller von schriftlichen Quellen gemeldeten Hochwasserereignisse. Bisher mussten sich die Forscher oft auf andere, weniger genaue Informationsquellen wie Seesedimente verlassen.
Früher Hochwasser bei Kälte, jetzt bei Wärme
Bei der Datenanalyse konnten die Wissenschaftler neun hochwasserreiche Perioden in bestimmten Regionen identifizieren. Zu den bemerkenswertesten Zeiträumen gehörten 1560-1580 (West- und Mitteleuropa), 1760-1800 (der größte Teil Europas), 1840-1870 (West- und Südeuropa) und 1990-2016 (West- und Mitteleuropa). Vergleiche mit rekonstruierten Lufttemperaturen zeigten, dass es in diesen historischen Hochwasserperioden wesentlich kühler war als in den Phasen dazwischen.
"Dieser Befund scheint der Beobachtung zu widersprechen, dass in einigen Gebieten wie im Nordwesten Europas das wärmere Klima in jüngster Zeit mit größeren Überschwemmungen verbunden ist. Unsere Studie zeigt zum ersten Mal, dass sich die zugrunde liegenden Mechanismen geändert haben: Während in der Vergangenheit unter kälteren Bedingungen häufiger Überschwemmungen aufgetreten sind, ist jetzt das Gegenteil der Fall. Die hydrologischen Bedingungen der Gegenwart unterscheiden sich stark von denen in der Vergangenheit." Günter Blöschl, Professor für Wasserbau und Ingenieurhydrologie an der Technischen Universität Wien
Auch der Zeitpunkt der Überschwemmungen innerhalb des Jahres hat sich geändert. Früher ereigneten sich 41 Prozent der Überschwemmungen in Mitteleuropa im Sommer. Heute sind es 55 Prozent. Diese Verschiebungen hängen mit Änderungen von Niederschlag, Verdunstung und Schneeschmelze zusammen. Sie sind ein wichtiger Indikator, um die Bedeutung des Klimawandels von anderen Einflüssen wie weniger Wald und Veränderungen am Fluss abzugrenzen.
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