Sehen Hunde das Glas – oder besser vielleicht den Napf - halb voll oder halb leer? Man kann sie kaum fragen, aber Melissa Starling, Verhaltensforscherin für Hunde aus Sydney in Australien, hat sich etwas einfallen lassen, womit genau das getestet werden kann.
"Wir haben ihnen zwei unterschiedliche Töne vorgespielt. Beim einen Ton bekamen sie eine Belohnung mit Milch, wenn sie mit ihrer Schnauze den Apparat berührten, beim anderen Ton kam nur Wasser." Melissa Starling, Hundeverhaltensforscherin
Bei der Versuchsanordnung sollen Hunde lernen, welcher Ton für welche Belohnung steht - wobei die Milch in der Regel aus Hundesicht leckerer ist.
In der Folge geht es um eine Entscheidung: Was machen Hunde, wenn sie einen Ton hören, der beides bedeuten kann: Milch oder Wasser? Laut Starling zeigt sich der Hunde-Optimist, wenn er sich dafür entscheidet, dass das ein "Milch-Ton" war. Hört der Hund also diesen Zwischenton und berührt mit der Schnauze das Gerät, das die Milch abgibt, hat er den mehrdeutigen Ton als positiv interpretiert.
Manche Hunde entpuppten sich bei den Tests sogar als ausgesprochene Optimisten:
"Die drückten ihre Schnauze an das Ziel, obwohl wir ihnen einen Ton vorspielten, der eher wie der Wasserton klang." Melissa Starling, Hundeverhaltensforscherin
Nicht alle 40 Hunde, die am Test teilgenommen haben, konnten das zeigen. Manche haben sogar vorher abgebrochen. Das könnte viele Gründe haben – vielleicht haben sie die Versuchsanordnung nicht verstanden oder sie fanden die Milch nicht lecker genug. Dennoch: Die Studie liefert Hinweise darauf, dass Hunde, genau wie wir Menschen, Erwartungen an die Zukunft haben – und sich danach verhalten.
Optimist, Pessimist - jede Aufgabe fordert etwas Anderes
Stefanie Sprauer ist Tierärztin in München und spezialisiert auf Verhaltenstherapie bei Hunden und anderen Haustieren. Sie fände es praktisch, wenn man wüsste, ob ein Hund optimistisch ist oder nicht. Für einen Blindenhund eignet sich vielleicht eher ein pessimistisches Wesen, vermutet sie.
"Weil, wenn der am Bahnsteig steht und der Zug fährt rein, und der Hund denkt, ach, ein Schrittchen mehr könnte schon noch funktionieren, dann kann das natürlich sehr riskant für den Blinden werden. Also da wäre der vielleicht nicht so gut geeignet, da hätte man lieber einen pessimistischen Hund, der sagt, Vorsicht, ich mache lieber einen Schritt zurück. Und geh auf die sichere Seite. Und so ein optimistischer Hund, der halt so ein bisschen draufgängerisch ist, der ist natürlich besser geeignet für einen Rettungshund." Stefanie Sprauer, Tierärztin
Bevor man einen Hund für solche Aufgaben ausbildet, wäre es also interessant zu testen, ob er optimistisch oder pessimistisch ist. Dennoch darf man dabei nicht vergessen – optimistisch und pessimistisch – das sind Begriffe, die Menschen beschreiben.
Um Hunde aber nicht zu vermenschlichen, spricht Stefanie Sprauer deshalb lieber von sicheren und unsicheren Hunden. Ob ein einzelner Hund sicher und gelassen ist, hängt laut Sprauer einerseits von seiner Rasse ab, aber auch von seiner Umwelt, also etwa seiner menschlichen Familie. Aber: "Wenn der genetisches Material eines unsicheren Hundes mitbringt, werde ich da nie einen total entspannten Hund daraus machen, aber ich kann da einen guten Hund draus entwickeln, der einfach einigermaßen sicher durchs Leben läuft, weil er sich an mir orientieren kann und seine Verantwortung abgibt und die Sicherheit von mir übernimmt."
Egal ob sicher oder unsicher, optimistisch oder pessimistisch – das Wesen eines Hundes spielt sich zum Glück nur selten in diesen Extremen ab. Die meisten Tiere befinden sich irgendwo dazwischen.