Das Bundeswirtschaftsministerium will noch im Herbst 2023 seine Strategie für die erforderlichen Back-up-Kraftwerke im Bereich erneuerbare Energien präsentieren. Bereits im August wurden vorläufige Zahlen zum Thema veröffentlicht. Wann Genaueres dazu bekannt gegeben wird, ist jedoch weiterhin unklar.
Wie steht es um die Reservekapazitäten?
Doch die Zeit drängt: Ab 2030 sollen laut dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bereits mindestens 80 Prozent des Stroms aus Windkraft und Photovoltaik stammen. Da braucht es auch Reservekapazitäten. Denn bei den Erneuerbaren hängt die Energiegewinnung stark von den Wetterbedingungen ab. So kann es vorkommen, dass die erzeugte Energie nicht den gesamten Bedarf erfüllt.
Kraftwerksstrategie: Wie Dunkelflauten kompensieren?
Diese Lücken in der Energieversorgung, oft bezeichnet als "Dunkelflauten", können die Stabilität des gesamten Stromnetzes gefährden und treten besonders im Winter auf, wenn ein niedriges Energieangebot auf eine hohe Nachfrage trifft. Die Hochrisikophase dafür fällt in Deutschland auf den Zeitraum zwischen dem 23. Januar und den 6. Februar.
Ein Stromsystem, das überwiegend auf Erneuerbaren Energien basiert, kann also durch solche Dunkelflauten überbeansprucht werden. Feststeht, dass die Planung des Back-up-Leistungsbedarfs für 2030 höchst komplex ist. Thomas Hamacher, Energiesystemforscher von der Technischen Universität München, sagt dazu: "Auf der einen Seite brauchen wir die konventionellen Back-up-Kraftwerke. Und die sollten wir nicht infrage stellen. Da sollten wir daran arbeiten, kostengünstige, einfache, möglichst effiziente Lösungen hinzubekommen."
Back-up-Kraftwerke: Gasbetriebene Anlagen wohl am geeignetsten
Kohlekraftwerke dürften sich in dieser Hinsicht als zu träge erweisen, während Atomkraftwerke aufgrund ihrer Auslegung für den Dauerbetrieb ungeeignet sind. Prädestiniert dafür sind gasbetriebene Anlagen. "Man muss sie schnell einschalten, schnell wieder ausschalten können, wir müssen von niedriger Last zu hoher Last schnell hin- und herfahren können. Und unsere heutigen Kraftwerke sind nicht unbedingt dafür ausgelegt", sagt Hamacher.
Parallel dazu müsse das Stromsystem flexibilisiert werden. Entscheidend dafür: die Fähigkeit von Stromspeichern und Verbrauchern, sich an die Erzeugung anzupassen, einschließlich der Möglichkeit, bestimmte Bereiche in kritischen Zeiten zu drosseln. Zum Beispiel könnte man die Ladestrategie von E-Autos flexibel gestalten. Doch auch Stromimporten aus dem Ausland sollte man sich laut dem Energiesystemforscher nicht verschließen: "Wir müssen aufhören, nur auf Deutschland zu schauen. Die Bayern zum Beispiel müssen mit den Tschechen, den Österreichern und den Schweizern reden und gemeinsam überlegen, wie das in die Zukunft geht."
Reservekapazitäten: keine Risiken eingehen
Aufgrund dieser Gemengelage könne man aktuell bei der Planung der Reservekapazität keine Risiken eingehen. Das bestätigt auch Christian Rehtanz vom Institut für Energiesysteme, Energieeffizienz und Energiewirtschaft der Technischen Universität Dortmund. Daher sei es wahrscheinlich, dass die Kohlekraftwerke nicht stillgelegt, sondern als Notreserve beibehalten werden. Rehtanz betont: "Man muss sich sehr sorgfältig überlegen: Wie reizt man an, dass genau die Technologien, die wir brauchen, Gaskraftwerke, Wasserstoff-ready und eine digitalisierte Flexibilität, dass das auch möglichst schnell da ist?" Und das Jahr 2030 sei da schon eher morgen als übermorgen.
Im Video: So funktionieren Kraftweke
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