Von Kritischen Infrastrukturen (KRITIS) hängt die Versorgung der Bevölkerung und damit auch die öffentliche Sicherheit ab: Sie liefern elektrischen Strom, sichern den Verkehr und die Verfügbarkeit lebensnotwendiger Nahrungsmittel. Unter dem weitverzweigten Netzwerk der KRITIS sind all jene Einrichtungen zusammengefasst, die maßgeblich sind für das Funktionieren des Gemeinwesens. Dazu gehört auch die Wasserversorgung.
Auf der einen Seite geht es dabei um das Trinkwasser, auf der anderen Seite um die Beseitigung von Abwasser. In Deutschland werden täglich pro Person circa 129 Liter Trinkwasser für verschiedene Zwecke verbraucht. Beliefert werden die Haushalte von insgesamt 5.748 Wasserversorgungsunternehmen, von denen die meisten in kommunaler Hand sind. Die Privatisierung hat sich in diesem essenziellen Bereich nicht durchgesetzt.
Klimawandel und Cyberangriffe bedrohen Wasserversorgung
Der Klimawandel und die damit einhergehenden Extremwetterlagen, wie das Hochwasser im Jahr 2013, sind besonders für den Bereich Wasser eine Herausforderung. Doch auch menschengemachte Störungen der kritischen Wasserinfrastruktur werden zu einem immer größeren Problem.
Wolf Merkel, Vorstand für das Ressort Wasser des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW), sieht momentan keine Zunahme bei den physischen Angriffen, also zum Beispiel bei Sabotage. Das liege auch daran, dass die Sicherheitsstandards für physische Angriffe zuletzt deutlich hochgefahren wurden. Merkel sagt aber auch: "Bei den Cyberangriffen merken wir, dass in den letzten Jahren die Anzahl deutlich zugenommen hat."
Nicht alle Wasserversorger gehören zur KRITIS
Die Schutzmaßnahmen gegen Hackerattacken sind für die Wasserbranche gesetzlich vorgeschrieben. Sie gelten aber nur für diejenigen Unternehmen, die unter die sogenannte KRITIS-Verordnung des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) fallen. Entscheidend dafür sind Schwellenwerte. Manuel Atug, Experte für IT-Sicherheit, kritisiert das in der ersten Doppelfolge der neuen Doku-Reihe ARD Wissen: "In der BSI-KRITIS-Verordnung wird genau definiert nach welchem Schwellenwert, nach welchem Maßstab jemand Kritische Infrastruktur ist. Versorge ich beispielsweise 500.000 Menschen mit Frischwasser, bin ich eine kritische Infrastruktur aus dem Sektor Wasser."
Sind nun etwas weniger als 500.000 Menschen von der Wasserversorgung betroffen, muss sich das Unternehmen also nicht an die Vorgaben halten. In Zahlen heißt das: 99 Prozent der Wasserversorger in Deutschland fallen nicht unter die KRITIS.
Blackout: Wasserversorgung und die Abhängigkeit von der Energie
Neben der direkten Cyberabwehr hängt die Wassersicherheit in besonderem Maße von der Energieversorgung ab: Hat im Extremfall eine ganze Region keinen Strom zur Verfügung, dann ist auch die Wasserversorgung keine Selbstverständlichkeit mehr. Innerhalb des Stromversorgungssystems gibt es jedoch verschiedene Maßnahmen, den langfristigen Blackout zu verhindern.
Bei einem kurzfristigen Stromausfall hingegen müssen die Wasserversorger abgesichert sein: Für mindestens 72 Stunden ist dann die Trinkwassernotversorgung zu gewährleisten. Dafür stehen meist Notstromaggregate bereit. Aber auch die Schwerkraft hilft aus: Viele Wasserversorgungssysteme haben zum Beispiel noch zusätzliche Wassertürme, die auch ohne Strom auskommen.
- Zum Artikel: Stromausfälle im Winter: "Man sollte definitiv vorsorgen"
Notversorgung: Brunnen geraten in den Fokus
Kommt es, aus welchem Grund auch immer, zum Ausfall der öffentlichen Wasserversorgung, gibt es in Deutschland noch ein System an Trinkwassernotbrunnen. Diese circa 5.000 Notbrunnen befinden sich in der Regel in Ballungsräumen. Sie sind eine vom üblichen Rohrnetz unabhängige Versorgungsmöglichkeit.
Bei der aktuellen Überprüfung der Kritischen Infrastrukturen im Kontext des neuen KRITIS-Dachgesetzes seien diese Notbrunnen auch wieder stärker in den Fokus geraten, sagt Wolf Merkel. Einige Kommunen würden dazu übergehen, wieder neue Notbrunnen anzulegen. Das sei in den vergangenen Jahrzehnten eher nicht der Fall gewesen.
Bayerns Herausforderung: Kleinräumige Versorgungsstruktur
Der Blick nach Bayern zeigt: Grundsätzlich ist der Süden durchaus reich an Wasser. Bayern ist aber auch das Bundesland mit den meisten Kleinstversorgungsunternehmen in ganz Deutschland. Über 2.000 von den circa 6.000 öffentlichen Versorgern sind in Bayern ansässig. Besonders der Klimawandel, aber auch Sabotageaktionen können diese Strukturen empfindlichen schädigen.
"Das sind kleine Versorger auf dem Land, in dörflichen Strukturen, die an vielen Stellen nur eine einzige Quelle, einen Speicherbehälter haben", sagt Merkel. "Wenn diese Quelle versiegt, gibt es kein Wasser mehr. Dann muss man gegebenenfalls über Tankwagen notversorgen." Das kann die zuständigen Behörden vor große Herausforderungen stellen. Denn diese kleinen Unternehmen müssen sich aufgrund ihrer Größe meist auch nicht an die KRITIS-Verordnung halten. Laut Wolf Merkel sind die Maßnahmen des bayerischen Umweltministeriums und des Gesundheitsministeriums trotz der systemischen Schwierigkeiten aber durchaus vorbildlich.
Mit dem Zweiteiler „Deutschland im Ernstfall“ startet das neue Format ARD Wissen (Montags, 22:50 Uhr im Ersten). Beide Folgen sind jetzt in der Mediathek verfügbar
Folge 1: „Deutschland im Ernstfall – Wie schützen wir unsere Infrastruktur?“
Folge 2: „Deutschland im Ernstfall – Wie sicher ist unsere Energieversorgung?“
Informationen zum Thema Cybersicherheit finden Sie bei tagesschau.de
Planet Wissen: "Kritische Infrastruktur - Wie sie in Deutschland geschützt wird" web first in der ARD Mediathek und am 15. Februar 2023 in ARD alpha
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