Wie gut oder schlecht "packen" wir belastende Ereignisse, schwierige Lebenssituationen, Stress? Wie sehr beeinträchtigen widrige Erlebnisse unseren Mut, unsere Kraft, unsere Fähigkeit, das Leben zu gestalten? Resilienz-Forscher sagen: Die Veranlagung spielt eine wichtige Rolle, auch Kindheit und Jugend, das familiäre Umfeld und soziale Unterstützung. Doch wir können auch selbst etwas tun, um unsere psychische (Widerstands-)Kraft zu stärken.
Eine gesunde Lebensweise
"So trivial es auch erscheinen mag: Gesunde Ernährung, regelmäßige körperliche Betätigung und ausreichender und erholsamer Schlaf bilden die wichtigsten Grundlagen für die Resilienzfähigkeit." Rebecca Böhme, Neurowissenschaftlerin
Laut der Neurowissenschaftlerin Rebecca Böhme gibt es ein "komplexes Zusammenspiel von Ernährung, Darmbakterien und Widerstandskraft gegen Stress". Eine mediterrane Diät (viel Gemüse, Fisch und faserreiche Vollkornprodukte, wenig Zucker) führe zu verringerten Mengen an Cortisol und Entzündungsmarkern im Blut. Sie trage damit entscheidend zur Widerstandsfähigkeit gegen Stress bei. Ähnliches gelte für Bewegung und Schlaf.
"Wer fit ist, hat im Ruhezustand weniger Cortisol im Blut und zeigt einen geringeren Anstieg, wenn ein stressiges Ereignis eintritt, selbst wenn es 'nur' ein psychischer Stressfaktor ist... Wer unregelmäßig oder zu wenig schläft, hat einen stark erhöhten Cortisollevel und mehr Entzündungsmarker im Blut." Rebecca Böhme
Unterstützung und Nähe
Stabile soziale Beziehungen – ob in Partnerschaft, Familie oder Freundeskreis – bilden einen Hauptfaktor der Resilienz. Da sind sich viele Forscher einig. Wer also seine Bindungen pflegt und selbst ein verlässlicher Partner ist, fördert damit seine (und des Partners) psychische Stabilität.
"Entscheidend ist nicht die Quantität der Beziehungen, sondern das Gefühl, sich in der Not auf jemanden verlassen zu können, und das Wissen, dass man sich Hilfe holen kann." Rebecca Böhme
Gedankenexperimente und Reflexion
Die dritte Selbsthilfe-Strategie zielt auf unsere Gedanken. Denn auch wenn wir auf bestimmte Ereignisse keinen Einfluss haben: Wir können beeinflussen, wie wir darüber denken.
Von Bedeutung ist ganz allgemein unsere Erwartungshaltung gegenüber uns selbst, unserem Leben und unseren Mitmenschen. Sie beeinflusst laut Böhme unser Stressempfinden. Die Forscherin empfiehlt, realistisch zu sein. Wir sollten unsere Erwartungen überdenken und ans wahre Leben anpassen.
"Wir werden alle Erfahrungen machen, die nicht angenehm sind: einen geliebten Menschen zu verlieren, verlassen zu werden, einen Lebenstraum nicht erfüllen zu können, mit Krankheit, Schmerz und Leid konfrontiert zu werden. Wer sich darüber klar wird, dass solche Erlebnisse ebenso dazugehören wir die guten, schönen, angenehmen Seiten des Lebens, der wird allein durch diese Einsicht resilienter." Rebecca Böhme
In schwierigen Situationen helfe ein Perspektivwechsel.
"Eine stressvolle Lebensphase lässt sich leichter ertragen, wenn man sich bewusst macht, dass es nur eine Phase ist und ruhigere Zeiten folgen werden." Rebecca Böhme
Auch Achtsamkeitsmeditation nennt die Neuropsychologin als effektive Methode, um eine neue Perspektive zu gewinnen. Die Meditationspraxis schaffe "eine gewisse Distanz zu den eigenen Emotionen und Empfindungen, auch zu körperlichem Spüren und zu Schmerzerfahrung".
Außerdem hilfreich: Erlebnisse zu reflektieren und neu zu bewerten. Auch an der Einstellung zum Stress selbst könne man arbeiten und Stressfaktoren als Chancen oder Herausforderungen verstehen.
Auf diesen Aspekt weist auch George Bonanno hin, der als Professor für klinische Psychologie an der Columbia University in New York das "Loss, Trauma and Emotion Lab" leitet. "Fasst du ein Ereignis als traumatisch auf oder als Gelegenheit, zu lernen und zu wachsen?" Dies mache einen großen Unterschied. Welche Folgen ein Ereignis für uns habe, hänge entscheidend davon ab, wie wir es deuten und bewerten.
Rebecca Böhme hält es für eine gute Übung, sich regelmäßig herauszufordern, sich immer wieder neuen Erfahrungen und Aufgaben zu stellen.
"Wenn wir neue Erfahrungen als eine Möglichkeit sehen, zu lernen, zu wachsen und uns zu entwickeln, werden wir auch negativen Erlebnissen eine positivere Note geben können." Rebecca Böhme
Ein Gefühl von Autonomie
Was unsere Gedanken in schwierigen Situationen angeht, so ist wesentlich, sich selbst ein Gefühl von Autonomie und Handlungsfähigkeit zu geben: das Gegenteil der Opferrolle, das Gegenteil von Ausgeliefertsein und Passivität.
"… das Bewusstsein dessen, dass wir es in der Hand haben, wie wir emotional und kognitiv mit der gegebenen Situation umgehen. So können wir ein Gefühl der Autonomie auch in Situationen erreichen, in denen unsere Handlungsfähigkeit durch äußere Umstände stark beschränkt ist." Rebecca Böhme
Heilende Wirkung der Kreativität
Wenn ein Trauma bereits eingetreten ist, können kreative Beschäftigungen heilend wirken. Ob es sich dabei um ein Gedicht handelt, ein Musikstück oder ein Gemälde: Kreativität hilft, Gefühlen eine Form zu geben, sie auszudrücken und zu verarbeiten.
Hinzukommt: Die kreative Beschäftigung entführt ins Hier und Jetzt. Sie schafft eine Ruhepause von Sorgen und schmerzhaften Erinnerungen. Wer Musik machen, malen oder tanzen kann, dem kann das in schwierigen Phasen eine Stütze sein.
Den Künstler in sich selbst zu wecken und zu fördern, ist deshalb auch eine Strategie, um seine Resilienz zu fördern.
Quellen:
- Rebecca Böhme: Resilienz. München 2019
- Maria Konnikova: "How people learn to become resilient". The New Yorker 2016
- "Resilienz: Geschichte, Modelle und Anwendung". In: Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie, Bd. 19 / Jan. 2020
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