Sie wird oft die "Krankheit mit den 1.000 Gesichtern" genannt, weil ihr Verlauf, die Beschwerden und auch der Therapieerfolg von Patient zu Patient so unterschiedlich sind. Multiple Sklerose - kurz MS - ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das eigene Immunsystem die äußere, isolierende Schicht der Nervenfasern im Gehirn und im Rückenmark angreift. Entzündungsherde bilden sich an den unterschiedlichsten Stellen (daher "multiple" Sklerose von griechisch skleros für "hart", also die Verhärtung von Organen und Gewebe). Nervenfasern werden dadurch geschädigt und können die Botschaften nicht mehr korrekt weiterleiten. Es kommt zu körperlichen Störungen und neurologischen Ausfallerscheinungen.
Besonders Frauen erkranken an Multipler Sklerose
Etwa 280.000 Menschen in Deutschland leben mit MS, 1,2 Millionen sind es in Europa, 2,8 Millionen weltweit, so die aktuellen Zahlen des Bundesverbands der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG). Frauen trifft es etwa dreimal häufiger als Männer, in jungen Jahren bis zum 20. Lebensjahr sogar viermal so oft. Woran das genau liegt, ist noch unklar. Übergewicht von Mädchen erhöht laut DMSG ihr Risiko, später an MS zu erkranken, wie auch die generell angeführten Risikofaktoren für MS: Rauchen und Alkohol, zu wenig Aufenthalt an der frischen Luft, zu wenig Sonnenexposition und mangelnde körperliche Aktivität.
Multiple Sklerose ist kein Muskelschwund
Multiple Sklerose ist kein Muskelschwund, wie die Abkürzung "MS" häufig fälschlicherweise interpretiert wird. Sie ist auch nicht zwangsläufig tödlich. Multiple Sklerose ist weder ansteckend noch eine psychische oder rein durch Gene übertragene Erkrankung. Auch landen MS-Kranke nicht immer zwangsläufig im Rollstuhl.
Ursachen: Was verursacht Multiple Sklerose?
Was genau MS verursacht, ist noch immer nicht eindeutig geklärt. Die Gene spielen wohl eine Rolle. Zum Ausbruch der Erkrankung kommt es aber erst, wenn noch andere Faktoren, wie etwa bestimmte Umwelteinflüsse oder eine Virusinfektion hinzukommen.
Rauchen, niedriger Vitamin-D-Spiegel, die Verbindung der individuellen Darmflora und Entzündungen im zentralen Nervensystem, die sogenannte Darm-Hirn-Achse sowie Fettleibigkeit oder ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus gelten ebenso als mögliche Auslöser für MS wie eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus.
Erste Anzeichen und Symptome von Multipler Sklerose
Die ersten Symptome der Multiplen Sklerose treten in der Regel im frühen Erwachsenenalter zwischen 20 und 40 Jahren auf, manchmal aber auch schon früher. Typisch für den Anfang einer Multiplen Sklerose sind auftretende Sehstörungen und Gefühlsstörungen auf der Haut. Aber auch andere Symptome einer MS können gleich zu Beginn der Erkrankung auftreten, so zum Beispiel:
- motorische Ausfallerscheinungen (zum Beispiel Unsicherheit beim Gehen und in der Feinmotorik, verwaschene Sprache oder Blasenfunktionsstörung)
- Gleichgewichtsstörungen
- Aufmerksamkeitsstörungen
- Erschöpfung (sogenannte Fatigue)
- sexuelle Funktionsstörungen
- depressive Verstimmungen
Verlaufsformen der Multiplen Sklerose
Je nach Verlauf der MS äußern sich die Beschwerden bei den Betroffenen unterschiedlich. Multiple Sklerose kann in folgenden Formen auftreten:
Die schubförmige Multiple Sklerose: Zu Beginn der Erkrankung überwiegt dieser Verlaufstyp mit mehr oder weniger regelmäßig auftretenden Schüben. Etwa 90 Prozent aller MS-Kranken leben in den ersten 10 bis 15 Jahren mit dieser Form der MS. Ein Schub, bei dem die Symptome auftreten, kann einige Tage oder sogar Wochen anhalten. Anfangs bilden sich die Einschränkungen in der Regel wieder vollständig zurück, später verbleiben die Beschwerden ganz oder teilweise.
Beim sogenannten primär progredienten oder auch primär chronisch progredienten Verlauf schreitet die Erkrankung von Anfang an kontinuierlich ohne klare Schübe voran. An dieser Form leiden etwa zehn Prozent der MS-Kranken.
40 bis 50 Prozent aller MS-Kranken, die zu Beginn an einer schubförmigen Multiplen Sklerose leiden, haben nach 10 bis 15 Jahren der Erkrankung einen sogenannten sekundär progredienten oder auch sekundär chronisch progredienten Verlauf. Nach 20 Jahren liegt ihr Anteil sogar bei 90 Prozent. Auch bei dieser Form verschlechtert sich der Zustand kontinuierlich, ohne erkennbare Schübe.
Diagnose der Multiplen Sklerose
Da die anfänglichen Symptome einer MS nicht immer klar einzuordnen sind, ist für eine gesicherte Diagnose eine eingehende Untersuchung notwendig. Dazu gehören insbesondere:
- eine umfassende Anamnese, also eine detaillierte Erfassung der bisherigen Krankheitsgeschichte
- eine neurologische und körperliche Untersuchung - hier werden verschiedene Körperfunktionen überprüft und abgefragt
- ein Test auf "evozierte Potenziale" - hier wird die Nervenleitfähigkeit- und Geschwindigkeit gemessen
- eine Lumbalpunktion (Nervenwassergewinnung) - sie liefert Hinweise auf entzündliche Veränderungen
- eine Magnetresonanztomographie (MRT, Kernspinresonanz-Tomographie des Gehirns und des Rückenmarks)
Therapie der MS: Fortschreiten verhindern beziehungsweise verzögern
Multiple Sklerose ist noch nicht heilbar. Bei akuten Schüben erhalten MS-Patienten hochdosiertes Kortison, das entzündungshemmend wirkt. Behandlungsziel bei MS ist generell, das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten beziehungsweise zu verzögern.
Da es sich bei MS um eine Autoimmunerkrankung handelt, brauchen MS-Kranke vor allem eine starke Immunabwehr. Dabei können Medikamente ebenso helfen wie ein gesunder Lebensstil mit entsprechender Ernährung. Zu empfehlen sind zum Beispiel: viel Gemüse und entzündungshemmende Omega-3-Fettsäuren. Zu meiden sind dagegen: zu viele Kohlenhydrate und Zuckerhaltiges.
Chemotherapie für schwere MS-Verläufe
In schweren Fällen, bei der die MS rasch fortschreitet, können MS-Kranke auch mit einer Chemotherapie behandelt werden. Bei dieser Therapie wird mithilfe der Chemotherapie zunächst das eigene, gegen den eigenen Körper gerichtete Immunsystem ausgeschaltet. Anschließend erhalten die Patienten eine Infusion aus Knochenmarkszellen, die ihnen zuvor entnommen wurden. Sie sollen im Knochenmark anwachsen und quasi ein neues Immunsystem bilden, das die Nervenhüllen nicht mehr angreift.
Dank immer besserer Therapien ist die Lebenserwartung von MS-Kranken im Vergleich zu gesunden Menschen heute kaum noch verkürzt.
Linderung der Symptome
Ein weiteres Ziel bei der Behandlung von MS-Patienten ist, die Symptome zu lindern, um eine möglichst hohe Lebensqualität - trotz Multipler Sklerose - zu erhalten. Neben Medikamenten können hier unter anderem folgende Behandlungen helfen:
- Physiotherapie
- Ergotherapie
- Logopädie
- Psychotherapie
- neuropsychologische Therapie
Hilfe für MS-Patienten
Auf der Suche nach Therapien, Reha-Einrichtungen und neuen Forschungsergebnissen bieten unter anderem der Bundesverband der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, die Landesverbände und das MS-Kompetenznetz Informationen für MS-Kranke und Interessierte.
Der Welt-MS-Tag am 30. Mai
Am Welt-MS-Tag, der seit 2009 begangen wird und seit 2019 immer am 30. Mai stattfindet, initiieren weltweit MS-Vereine und Selbsthilfegruppen - in Deutschland allen voran die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) - Aktionsveranstaltungen rund um das Thema MS. Damit soll das öffentliche Bewusstsein für die chronische Erkrankung geschärft und die Menschen über Multiple Sklerose und ihre Auswirkungen auf das tägliche Leben informiert werden.
Im Video: Lebenslinien - Mein bewegtes Leben mit MS
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