Sie wird oft die "Krankheit mit den 1.000 Gesichtern" genannt, weil ihr Verlauf, die Beschwerden und auch der Therapieerfolg von Patient zu Patient so unterschiedlich sind. Multiple Sklerose - kurz MS - ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das eigene Immunsystem die äußere, isolierende Schicht der Nervenfasern im Gehirn und im Rückenmark angreift. Entzündungsherde bilden sich an den unterschiedlichsten Stellen (daher "multiple" Sklerose von griechisch skleros für "hart", also die Verhärtung von Organen und Gewebe). Nervenfasern werden dadurch geschädigt und können die Botschaften nicht mehr korrekt weiterleiten. Es kommt zu körperlichen Störungen und neurologischen Ausfallerscheinungen.
Immer mehr Menschen erkranken an Multipler Sklerose
Etwa 2,5 Millionen Menschen weltweit leben mit MS, davon ungefähr 700.000 in Europa und 250.000 in Deutschland, so die Angaben des Bundesverbands der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DSMG). Jedes Jahr kommen laut einer Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland allein hierzulande knapp 9.000 MS-Kranke dazu.
Nach den Berechnungen des Instituts gab es 2015 bereits 30 Prozent mehr MS-Kranke als noch 2009. Und - wie die aktuellen Zahlen belegen - ist kein Ende des Trends in Sicht. Experten erklären diesen Anstieg mit einer besseren Diagnostik und immer wirksameren Therapien, wodurch Patienten mit Multipler Sklerose immer länger leben. Besonders oft erkranken Frauen an MS. Im Durchschnitt trifft es sie dreimal häufiger als Männer. Woran das genau liegt, ist nicht ganz klar. Hormone könnten eine Ursache sein.
Coronavirus: MS-Patienten haben grundsätzlich kein erhöhtes Risiko
Nach derzeitigem Wissensstand haben MS-Patienten, die nicht mit immunsupprimierenden, also mit das Immunsystem unterdrückenden Substanzen behandelt werden, kein erhöhtes Risiko, sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu infizieren. Und auch ganz generell scheinen MS-Therapien nicht grundsätzlich einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung zu verursachen. Das ergab jedenfalls eine im Juni 2020 im Fachblatt "JAMA Neurology" veröffentlichte Studie. Wesentliche Risikofaktoren für einen schweren Verlauf nach einer Coronavirus-Infektion seien demnach vielmehr der Behinderungsgrad der an MS-Erkrankten, deren Alter und Übergewicht.
Ähnliches hatte auch schon eine Studie ergeben, die Ende April 2020 im Fachmagazin "The Lancet Neurology" veröffentlicht worden war. Sie zeigte, dass weder das Infektionsrisiko noch das Risiko für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung bei Patienten mit MS grundsätzlich erhöht ist. Bei bestimmten MS-Therapien kann aber doch ein erhöhtes Infektionsrisiko bestehen. Welche das genau sind, hat die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) auf ihrer Internetseite aufgelistet.
MS-Erkrankung und Impfung - die Empfehlungen
Die DMSG schätzt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Corona-Impfung einen MS-Schub auslöst oder sich negativ auf die Entwicklung der Erkrankung auswirkt, aus den Erfahrungen mit anderen Impfstoffen als "extrem gering" ein. Die Fachgesellschaft empfiehlt deshalb eine Corona-Impfung für MS-Erkrankte mit allen in der EU zugelassen Covid-19-Impfstoffen unter Einhaltung der nationalen Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO).
Stehen verschiedene Impfstoffe am Impftermin zur Verfügung, rät die DMSG derzeit, die mRNA-basierten Impfstoffe, also die von Biontech und Moderna, bei allen MS-Patienten zu bevorzugen. Die DMSG weist allerdings auf ihrer Internetseite darauf hin, dass diese Einschätzung noch nicht durch ausreichende Daten gestützt sei. Weitere, ständig aktualisierte Hinweise und Empfehlungen zur Corona-Impfung finden Sie auf den Seiten des Robert Koch-Instituts (RKI).
Worauf MS-Patienten während der Pandemie achten sollten
MS-Erkrankte, die aufgrund einer Therapie ein geschwächtes Immunsystem haben, sollten speziell vor einem vollständigen Impfschutz, aber auch danach besonders auf die in der Corona-Pandemie geltenden Hygiene- und Schutzmaßnahmen achten. Weitere Hinweise zum Risiko für MS-Patienten bietet auch das Robert Koch-Institut (RKI) auf seinen Internetseiten.
"Stay connected" - das Motto des Welt-MS-Tags 2021
"Stay connected - wir bleiben in Verbindung" - mit diesem Slogan des diesjährigen Welt-MS-Tages am 30. Mai 2021 will die DMSG Verbindungen schaffen, um gerade in Zeiten der Corona-Pandemie auf die noch größeren Herausforderungen von MS-Erkrankten aufmerksam zu machen. Es ist auch das Motto (#MSconnections), unter das die Multiple Sclerosis International Federation (MSIF) ihre anlässlich des MS-Tages stattfinden internationalen Aktionen seit vergangenem Jahr bis 2022 stellt.
Multiple Sklerose ist kein Muskelschwund
Multiple Sklerose ist kein Muskelschwund, wie die Abkürzung "MS" häufig fälschlicherweise interpretiert wird. Sie ist auch nicht zwangsläufig tödlich. Multiple Sklerose ist weder ansteckend noch eine psychische Erkrankung. Auch landen MS-Kranke nicht immer zwangsläufig im Rollstuhl.
Ursachen - Was verursacht Multiple Sklerose?
Wodurch Multiple Sklerose genau ausgelöst wird, ist noch unklar. Nach derzeitigem Stand der Wissenschaft müssen für die Entwicklung einer MS wohl mehrere Faktoren zusammenkommen. Eine Rolle spielen dabei:
- die Gene: Multiple Sklerose wird zwar nicht "vererbt“, es gibt aber wohl eine Veranlagung für MS. Kommen weitere Faktoren hinzu, steigt die Wahrscheinlichkeit, an MS zu erkranken.
- Umweltfaktoren: Diskutiert werden ein Vitamin-D-Mangel, die individuelle Darmflora und eine Virusinfektion als Auslöser der Multiplen Sklerose. Auffallend ist, dass nahezu alle MS-Patienten irgendwann im Leben eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus durchgemacht haben.
- Auch Rauchen erhöht wohl das Risiko, an Multipler Sklerose zu erkranken.
Erste Anzeichen und Symptome von Multipler Sklerose
Die ersten Symptome der Multiplen Sklerose treten in der Regel im frühen Erwachsenenalter zwischen 20 und 40 Jahren auf, manchmal aber auch schon früher. Typisch für den Anfang einer Multiplen Sklerose sind auftretende Sehstörungen und Gefühlsstörungen auf der Haut. Aber auch andere Symptome einer MS können gleich zu Beginn der Erkrankung auftreten, so zum Beispiel:
- motorische Ausfallerscheinungen (zum Beispiel Unsicherheit beim Gehen und in der Feinmotorik, verwaschene Sprache oder Blasenfunktionsstörung)
- Gleichgewichtsstörungen
- Aufmerksamkeitsstörungen
- Erschöpfung (sogenannte "Fatigue")
- sexuelle Funktionsstörungen
- depressive Verstimmungen
Verlaufsformen der Multiplen Sklerose
Je nach Verlauf der MS äußern sich die Beschwerden bei den Betroffenen unterschiedlich. Multiple Sklerose kann in folgenden Formen auftreten:
- Die schubförmige Multiple Sklerose: Zu Beginn der Erkrankung überwiegt dieser Verlaufstyp mit mehr oder weniger regelmäßig auftretenden Schüben. Etwa 90 Prozent aller MS-Kranken leben in den ersten 10 bis 15 Jahren mit dieser Form der MS. Ein Schub, bei dem die Symptome auftreten, kann einige Tage oder sogar Wochen anhalten. Anfangs bilden sich die Einschränkungen in der Regel wieder vollständig zurück, später verbleiben die Beschwerden ganz oder teilweise.
- Beim sogenannten primär progredienten oder auch primär chronisch progredienten Verlauf schreitet die Erkrankung von Anfang an kontinuierlich ohne klare Schübe voran. An dieser Form leiden etwa zehn Prozent der MS-Kranken.
- 40 bis 50 Prozent aller MS-Kranken, die zu Beginn an einer schubförmigen Multiplen Sklerose leiden, haben nach 10 bis 15 Jahren der Erkrankung einen sogenannten sekundär progredienten oder auch sekundär chronisch progredienten Verlauf. Nach 20 Jahren liegt ihr Anteil sogar bei 90 Prozent. Auch bei dieser Form verschlechtert sich der Zustand kontinuierlich, ohne erkennbare Schübe.
Diagnose der Multiplen Sklerose
Da die anfänglichen Symptome einer MS nicht immer klar einzuordnen sind, ist für eine gesicherte Diagnose eine eingehende Untersuchung notwendig. Dazu gehören insbesondere:
- eine umfassende Anamnese, also eine detaillierte Erfassung der bisherigen Krankheitsgeschichte
- eine neurologische und körperliche Untersuchung - hier werden verschiedene Körperfunktionen überprüft und abgefragt
- ein Test auf "evozierte Potenziale" - hier wird die Nervenleitfähigkeit- und Geschwindigkeit gemessen
- eine Lumbalpunktion (Nervenwassergewinnung) - sie liefert Hinweise auf entzündliche Veränderungen
- eine Magnetresonanztomographie (MRT, Kernspinresonanz-Tomographie des Gehirns und des Rückenmarks)
Erst Mitte Mai 2021 wurde die Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der MS aktualisiert und erweitert. Dadurch soll die Behandlung von an MS-Erkrankten verbessert werden.
Therapie der MS: Fortschreiten verhindern bzw. verzögern
Multiple Sklerose ist noch nicht heilbar. Aber dank immer besserer Therapien ist die Lebenserwartung von MS-Kranken im Vergleich zu gesunden Menschen heute kaum noch verkürzt. Die Behandlung von MS-Patienten hat verschiedene Ziele. Zum einen geht es darum, das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten beziehungsweise zu verzögern.
Linderung der Symptome
Ein weiteres Ziel bei der Behandlung von MS-Patienten ist, die Symptome zu lindern, um eine möglichst hohe Lebensqualität - trotz Multipler Sklerose - zu erhalten. Neben Medikamenten können hier unter anderem folgende Behandlungen helfen:
- Physiotherapie
- Ergotherapie
- Logopädie
- Psychotherapie
- neuropsychologische Therapie
Hilfe für MS-Patienten
Auf der Suche nach Therapien, Reha-Einrichtungen und neuen Forschungsergebnissen bieten unter anderem der Bundesverband der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, die Landesverbände und das MS-Kompetenznetz Informationen für MS-Kranke und Interessierte.
Der Welt-MS-Tag am 30. Mai
Am Welt-MS-Tag, der seit 2009 begangen wird und seit 2019 immer am 30. Mai stattfindet, initiieren weltweit MS-Vereine und Selbsthilfegruppen - in Deutschland allen voran die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) - Aktionsveranstaltungen rund um das Thema MS. Damit soll das öffentliche Bewusstsein für die chronische Erkrankung geschärft und die Menschen über Multiple Sklerose und ihre Auswirkungen auf das tägliche Leben informiert werden.