Statt einer Corona-Schutzimpfung mit einem Piks einfach ein Spray in die Nase sprühen - an diesem Projekt arbeiten Forscher um Joseph Rosenecker von der Ludwig-Maximilians- Universität (LMU) in München gerade. Und die bisherigen Studienergebnisse stimmen die Wissenschaftler zuversichtlich.
Versuche an Mäusen haben bewiesen, dass das Prinzip funktioniert: Speziell entwickelte kleinste Partikel können dafür sorgen, dass SARS-CoV-2-Viren gar nicht erst Zellen im Nasen-Rachen-Raum angreifen. Mit anderen Worten: Die von einem Team der LMU entwickelten Nanopartikel könnten nicht nur vor einer schweren Erkrankung schützen, wie es die bisher verfügbaren Corona-Impfstoffe tun, sondern sie könnten uns bestenfalls sogar vor einer Infektion bewahren.
Ein Nasenspray als echter "Game-Changer" in der Pandemie? Antworten auf die drängendsten Fragen zu dem Nasenspray von Joseph Rosenecker, Facharzt Kinder- und Jugendmedizin sowie Kinder-Pneumologie und Leiter des Forschungsprojekts und der Ambulanz für rehabilitative und präventive Pädiatrie an der LMU München.
Wie kam es zur Erforschung des speziellen Nasensprays?
Ursprünglich sei das Ziel der Forschungen gewesen, mRNA in die Atemwegszellen zu schleusen, um angeborene Erkrankungen wie zum Beispiel die Mukoviszidose zu heilen, sagt Professor Rosenecker im BR-Interview. Seit über 15 Jahren arbeite sein Team bereits "an mRNA für den Transfer in die Atemwege", betont der Mediziner.
Wie funktioniert das Nasenspray und warum könnte es in der Pandemie besonders helfen?
Der erste Kontakt der Coronaviren mit dem Körper finde über die Atemwege statt, erklärt Rosenecker. Bevor die Viren allerdings an die Atemwegszellen "andocken", wie der Mediziner sagt, müssten die Viren zunächst durch einen dünnen Flüssigkeitsfilm dringen, mit dem die Atemwege bedeckt sind. Die Theorie der Wissenschaftler ist daher: Sobald Viren auf diesen Flüssigkeitsfilm aufträfen, "könnten Antikörper in diesem Flüssigkeitsfilm dafür sorgen, dass das Virus gar nicht erst die Zellen angreift", so Rosenecker. Das heißt: Nicht nur schwere Krankheitsverläufe ließen sich mit dem Spray verhindern. Eine Infektion mit dem Virus würde mit dieser Methode ausbleiben. "Damit wären wir in der Lage, dieses Pandemiegeschehen effektiver zu bekämpfen", unterstreicht der Wissenschaftler.
Was sind die Vorteile des Nasensprays?
Doch nicht nur die Infektion quasi im Keim zu ersticken, wäre ein Vorteil eines solchen Nasensprays, wenn es nach den Vorstellungen von Rosenecker und seinem Team funktioniert. Die Akzeptanz eines Sprays zum Infektionsschutz sei höher als die einer Impfung, weil man keine Nadel brauche, betont der Mediziner. Weitere Vorteile des Nasensprays, die Rosenecker anführt, sind: Man brauche nicht "diese extremen Kühlketten" wie bei einem Impfstoff, wenn man Nanopartikel als Pulver lagere und erst kurz vor Gebrauch verflüssige, woran sein Team arbeite. Außerdem sei im Unterschied zur Impfung für die Verabreichung des Nasensprays wenig bis gar kein ärztliches Personal nötig.
Wie weit ist die Forschung bei der nasalen Impfung?
Bisher allerdings ist es den Münchner Wissenschaftlern erst gelungen, in Tierversuchen mit Mäusen nachzuweisen, dass das Prinzip zumindest mit DNA-Material von Viren funktioniert. Wie lange es dauern wird, bis aus den jetzigen Versuchen ein erfolgversprechendes mRNA-Spray wird, kann Rosenecker noch nicht sagen. Das hänge von vielen Faktoren ab, sagt der Mediziner, speziell auch von den bereitgestellten finanziellen Mitteln.
Seit August 2022 unterstützt das Bundesforschungsministerium das Münchner Projekt namens "Zell-Trans" mit 1,7 Millionen Euro. Laut Forscher Rosenecker brauche man aber "ein sehr viel höheres Investment" für die Entwicklung des Nasensprays. Und auch mehr Zeit. Bis ein funktionierender nasaler Impfstoff vorliegt, könnten noch Jahre vergehen.
Andere nasale Impfstoffe haben sich als vielversprechender erwiesen: Anfang September wurden zwei Präparate in Indien (Bharat Biotech, wird in die Nase getropft) und China (CanSino Biologics, wird als Nebel verabreicht) zugelassen. Dutzende weitere Kandidaten befinden sich in der Entwicklung, einige werden bereits in klinischen Studien getestet. Diese Sprays funktionieren aber anders, als das Spray der Münchner es einmal tun soll. Wie weit die Forschung zur nasalen Impfung in anderen Ländern ist, beleuchtet auch eine Folge des BR24-Info-Podcasts "Dreimal besser".
Weniger Erfolg zeigte der nasale Impfstoff von Astrazeneca in Kooperation mit der Universität Oxford: Am 11. Oktober 2022 gab das Unternehmen bekannt, dass die erste Phase der klinischen Studie gestoppt worden sei, weil der Covid-19-Impfstoff nicht den erhofften Erfolg zeigte. Das Nasenspray soll die Fähigkeit des Immunsystems verbessern, Krankheitserreger auf Schleimhäuten abzuwehren. Ein Problem bei dem Ansatz könnte aber darin bestehen, dass ein Großteil des Impfstoffs versehentlich geschluckt und im Magen verdaut wird, bevor er wirken kann.
Europäische Perspektiven
BR24 wählt regelmäßig Inhalte von unseren europäischen öffentlich-rechtlichen Medienpartnern aus und präsentiert diese hier im Rahmen eines Pilotprojekts der Europäischen Rundfunkunion.
- zum Artikel "EBU-Projekt Europäische Perspektiven"
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!