Wer am Meer lebt, lebt auch vom Meer. Das trifft nicht nur auf unsere heutige Gesellschaft mit ihrer Fischerei und Seefahrt zu, sondern offensichtlich auch auf Neandertaler.
Vor über 80.000 Jahren lebten Verwandte des modernen Menschen an der Atlantikküste in Portugal, und zwar in der Figueira Brava-Höhle, etwa 30 Kilometer südlich des heutigen Lissabon.
Eine Neandertaler Höhle voller Essensreste
Ein internationales Forscherteam hat die Höhle genauer untersucht. Die Kalkablagerungen dort sind zwischen 86.000 und 106.000 Jahre alt. Das bedeutet: Alle Fossilien, die man wiederum in diesen Kalkablagerungen findet, sind ebenso alt.
Die Höhle mit ihren drei Eingängen liegt heute direkt am Meer, doch zu Zeiten der Neandertaler lag sie noch etwa zwei Kilometer im Landesinneren, so die Forscherinnen und Forscher. Reste von Mahlzeiten der Neandertaler finden sich als Fossilien in der Höhle, und die Mischung ist erstaunlich.
Miesmuscheln, Venusmuscheln, Braune Krabbenspinnen, Hai, Aal, Meeräsche, Gans, Kormoran, Tölpel, Seebrassen, Delfine oder sogar Seehunde standen auf dem Speiseplan der Neandertaler. Dazu kam noch Wild vom Land: Hirsche, Ziegen, Pferde oder Auerochsen, aber auch kleine Schildkröten. Des Weiteren fanden die Forscher in der Höhle Reste von Olivenbäumen, Weinreben, Feigen und anderen typisch mediterranen Pflanzensorten.
Am häufigsten war Pinienholz zu finden, das wahrscheinlich als Brennmaterial genutzt worden ist. Zusätzlich entdeckten die Forscher auch Pinienzapfen.
Neandertaler lebten nicht nur im kalten Nordeuropa
Für die Forscherinnen und Forscher der Universität Göttingen und der Universität Barcelona, die die Studie im Fachmagazin Science veröffentlicht haben, sind die Ergebnisse aus mehrerlei Gründen interessant.
Erstens habe man bisher den Verzehr von Meeresfrüchten oder Fisch nur bei Homo sapiens nachweisen können. Jetzt erstmals bei den Neandertalern.
Zweitens herrsche oft noch das Bild vom Neandertaler vor, der die kühlen, nördlichen Breiten Europas oder Asiens bewohnt hat. Das ließe sich wohl so nicht halten:
"Die meisten Neandertaler haben wohl in südlichen Regionen gelebt, vor allem in Italien oder der iberischen Halbinsel. Wahrscheinlich war ihre Lebensweise sehr ähnlich wie die der Neandertaler von der Figueira Brava-Höhle." Prof. Joao Zilhao, Universität Barcelona
Und drittens zeige dieser Fund, dass Menschen früher als gedacht am und vor allem mit dem Meer gelebt haben, Neandertaler wie Homo sapiens.
"Das könnte erklären, wie es Menschen vor 45.000 bis 50.000 Jahren geschafft haben, einen Teil des Indischen Ozeans, die Timorsee, zu überqueren, um so Australien und Neu Guinea zu bevölkern. Und dann, vor etwa 30.000 Jahren, die in der Nähe liegenden Inseln des Westpazifik." Prof. Joao Zilhao, Universität Barcelona
Fisch macht auch Neandertaler schlau
Darüber hinaus sind fette Seefische oft sehr reich an Omega-3-Fettsäuren, die für die Gehirnentwicklung wichtig sind.
"Wenn das einen Einfluss hat, dann hatte es den für alle Menschenarten, auch Neandertaler, nicht nur die afrikanische Homo sapiens-Bevölkerung, die später nach Europa gekommen ist." Prof. Joao Zilhao, Universität Barcelona
Und dass Neandertaler nicht dümmer oder primitiver gewesen sind als Homo sapiens, gilt mittlerweile als gesichert. Sie konnten zum Beispiel mit Feuersteinen Feuer machen oder haben auch Höhlenmalereien angefertigt.
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In der Frühzeit der Menschheit lebten zahlreiche Menschen der Gattung "Homo" auf der Erde, zum Beispiel der Denisova-Mensch, der Homo floresiensis, der Homo luzonensis und der Homo naledi, die sich zum Teil auch miteinander vermischt haben. So haben sowohl moderne Europäer als auch Afrikaner Neandertaler-Gene in ihrem Erbgut.
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