Die Impfsaison in Deutschland hat begonnen: Seit Anfang dieser Woche ist das angepasste Corona-Vakzin von Biontech verfügbar. Am zurückliegenden Freitag hat zudem US-Hersteller Moderna die Zulassung für sein neues Präparat erhalten. Experten betonen, wie wichtig gerade für gefährdete Personen ein ausreichender Schutz gegen Covid-19 ist. Denn: Laut aktuellem Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) steigen die Zahlen der Corona-Infektionen seit etwa neun Wochen wieder an, wenn auch aktuell auf niedrigem Niveau.
Bernd Salzberger, Vorsitzender der Gesellschaft für Infektiologie und Bereichsleiter Infektiologie am Universitätsklinikum in Regensburg, rechnet mit einer neuen Corona-Welle im Herbst und Winter, wie er im Interview mit Bayern 2 erklärt. "Wir werden, glaube ich, zum Glück wenig schwere Erkrankungen haben", sagt er. Dafür reiche die Immunität in der Bevölkerung aus. Einige Menschen sollten sich aber schützen. Auch Wolfgang Ritter, Vorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes (BHÄV), rät im Interview mit dem BR insbesondere Menschen über 60 sowohl zur Corona- als auch zur Influenza-Impfung.
Wer sollte sich gegen das Coronavirus (wieder) impfen lassen?
Das RKI empfiehlt Menschen ab 60 Jahren sowie "Erwachsenen mit Grunderkrankungen, die ein erhöhtes Risiko für schwere Covid-19-Verläufe haben, [...] zusätzlich zur Basisimmunität weitere Auffrischimpfungen". Das heißt: Wer 60 Jahre oder älter ist oder eine Grunderkrankung hat, die das Risiko für gefährliche Verläufe einer Covid-19-Erkrankung erhöht, sollte sich trotz sogenannter Basisimmunität bestehend aus zwei Impfungen und einer Auffrischimpfung ein weiteres Mal gegen das Coronavirus impfen lassen. Eine solche weitere Auffrischimpfung empfiehlt der Mediziner Ritter vom BHÄV diesen Personen, wenn "der letzte Kontakt [mit dem Virus, also die letzte Infektion] oder die letzte Impfung mehr als zwölf Monate her ist". So empfiehlt es auch das RKI.
Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine Impfung?
Laut Hausarzt Ritter ist Oktober "ein super Zeitpunkt" für eine Corona- wie auch eine Influenza-Impfung. Der Grund, zumindest für die Influenza-Impfung: Reitter zufolge dauert es vier Wochen, bis der Wirkstoff maximal wirkt; er lasse aber sechs Monate nach der Impfung auch wieder nach. Lässt man sich im Oktober gegen die Grippe impfen, ist man noch bis April geschützt; also so lange "unsere Influenza geht", wie der Mediziner sagt.
Ab wann gibt es die angepassten Impfstoffe?
Das angepasste Vakzin von Biontech ist nun verfügbar. Das Präparat des US-Herstellers Moderna wurde am 15. September für Europa zugelassen, etwa zwei Wochen nach dem neuen Biontech-Präparat. Ein angepasster Impfstoff des Herstellers Novavax wartet noch auf Zulassung. Die Auslieferung des Influenza-Impfstoffs hat kürzlich begonnen.
Was bringen die neuen Präparate?
Aufgrund einer sogenannten Immunflucht sind ältere Impfungen gegen neuere Corona-Varianten weniger wirksam. Die neuen Präparate sind auf die Viren-Mutanten ausgerichtet. Seit Ende August ist in Deutschland neben Omikron auch BA.2.86 "Pirola" aktiv. Wie Salzberger vom Universitätsklinikum in Regensburg im BR erklärt hat, sind die angepassten Impfstoffe allerdings auch gegen diese Virusvariante wirksam.
Ist es eine Doppel-Impfung an einem Tag sinnvoll?
Einen Kombinationsimpfstoff für Corona und Influenza wird es in diesem Jahr noch nicht geben. Man könne sich aber gleichzeitig gegen Influenza und gegen das Coronavirus impfen lassen, sagt Hausarzt Ritter. Das mache auch absolut Sinn, "wenn die Indikation gestellt wurde, sich gegen beide Viren impfen zu lassen". Denn dann habe man den maximalen Schutz, betont der Arzt.
Bei zwei Impfungen: In welchen Arm sollte geimpft werden?
Ritter sagt: "Wir empfehlen den Patienten: Wenn zum Beispiel der rechte Arm der dominante ist, dann würde man die Impfungen in den linken Arm machen, weil [...] dann fallen Sie halt nicht in Ihrem Alltag komplett für 24 Stunden aus." Beide Impfstoffe – der gegen Corona und der gegen Influenza – sollten also in den gleichen Arm "mit einem gewissen Abstand der zwei Einstichstellen" gespritzt werden, rät der Mediziner.
Die Impfstoffe soll es bald in Einzel-Fläschchen geben. Stimmt das?
Laut Deutschem Apothekerverband soll es die neuen, an die Virusvarianten angepassten Impfstoffe in Einzeldosen geben statt in Fläschchen für sechs Impfungen. "Wenn wir zum Beispiel mit den Unternehmen Biontech und Novovax reden, da kriegen wir noch gegenteilige Informationen", sagt Ritter dazu. Er sei gespannt, was wirklich kommen werde, fügt er hinzu. Lediglich Moderna hat zugesagt, rechtzeitig zur Impfsaison Einzeldosen bereitstellen zu wollen.
Inwiefern profitieren Impfwillige und Ärzte von den Einzeldosen?
Für ihn als Arzt, aber auch für Impfwillige würden die Einzeldosen einiges erleichtern. Ärzte müssen dann nicht Impfdosen bestellen, die genau auf die Anzahl der Impfwilligen abgestimmt sind. Und der Patient könnte einfach in die Arztpraxis kommen und eine Corona-Impfung verlangen. "Und wenn es ein 'passender' Patient ist, dann würde er von uns die Impfung bekommen und kann wieder gehen", erklärt Ritter. Er muss also nicht warten, bis sechs Impfwillige sich in der Praxis angemeldet haben.
Warum gab es bisher keine Einzeldosen bei Corona-Impfstoffen?
Ein Grund: Die Impfstoff-Hersteller konnten mit den Mehrfachdosen laut Ritter deutlich mehr Impfstoff produzieren. Das war in der Phase der Pandemie wichtig, als weltweit noch nicht genug Impfstoff zur Verfügung stand. "Da war es dann auch einfach moralisch nicht zu vertreten, wenn man sagt: Ja, nur für die Applikation in Deutschland stellen wir jetzt um und [...] machen jetzt einzelne Impfstoffdosen daraus."
Ein weiterer Grund, warum die Corona-Impfstoffe bisher nur in Mehrfachdosen-Fläschchen abgefüllt wurden, ist, weil dafür weniger Material verbraucht wurde. Auch das habe geholfen, dass mehr Impfstoff verfügbar war, sagt Ritter.
Ist eine Impfung auch in Apotheken möglich?
Die großen Apotheken-Ketten könnten gegen Corona und Influenza impfen, sagt der Vorsitzende des BHÄV. Prinzipiell gebe es dieses Angebot, die einzelne Apotheke selbst müsste entscheiden, ob sie eine Impfung anbietet. Denn eine Corona-Impfung bedeutet für Apotheken einen nicht unerheblichen Aufwand: extra Schulungen und einen eigenen Raum für Patienten zum Beispiel. Das können und wollen nicht alle Apotheken stemmen. Das Gros der Patienten würde bei der Impfung ohnehin eher auf die Ärztinnen und Ärzte vertrauen, ist Ritters Erfahrung.
Für eine höhere Impfquote – gerade für Influenza und Corona – braucht es seiner Meinung nach vielmehr eine Aufklärungskampagne anstelle einer Impfmöglichkeit in Apotheken. Der Patient müsse animiert werden, zum Arzt zu gehen und zu sagen: 'Ich hätte gerne diese Impfung', meint der Mediziner. Ansonsten empfiehlt er Menschen, die sich nicht anstecken wollen oder dürfen: Menschenansammlungen und Innenräume meiden. Und "gerne wieder Maske tragen".
Dieser Artikel ist erstmals am 1. September 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.
Im Audio: Grünes Licht für angepassten Covid-19-Impfstoff von Biontech/Pfizer
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