Von der Atmosphäre über das Anthropozän bis zum Atomkrieg: Die Forschungsinteressen von Paul J. Crutzen waren äußerst vielfältig. Am Donnerstag, 28. Januar 2021, ist der niederländische Chemie-Nobelpreisträger im Alter von 87 Jahren gestorben. Den Nobelpreis für Chemie hatte er 1995 - zusammen mit dem Mexikaner Mario Molina und dem Amerikaner Frank Sherwood Rowland - erhalten. Sie erforschten, wie sich Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) auf die Ozonschicht auswirken.
Paul Crutzen erkannte, dass FCKW die Ozonschicht schädigen
Paul Crutzen wurde 1933 in Amsterdam geboren. Er arbeitete zunächst als Tiefbauingenieur und später als Computerprogrammierer an der Universität Stockholm im Fachbereich Meteorologie. Davon begeistert begann er parallel zu seiner Arbeit zu studieren und promovierte 1968 im Fach Meteorologie mit Auszeichnung. In den 1960er- und 1970er-Jahren untersuchte er den Einfluss von Stickoxiden auf die Ozonschicht. Crutzen, Molina und Rowland erkannten, dass die vom Menschen freigesetzten FCKW diese Schicht zerstören würden. Daraufhin wurde die Verwendung von FCKW in Kühlschränken und Klimaanlagen verboten.
"Paul J. Crutzen war in vielfacher Hinsicht ein Pionier. Er hat als Erster gezeigt, wie menschliche Aktivitäten die Ozonschicht schädigen. Für seine wissenschaftlichen Arbeiten zur Erdatmosphäre erhielt er deshalb mit Mario J. Molina und Frank Sherwood Rowland 1995 den Nobelpreis in Chemie. Dieses Wissen über die Ursachen des Ozonabbaus waren die Grundlage für das weltweite Verbot von ozonabbauenden Substanzen – ein bislang einmaliges Beispiel, wie nobelpreisgekrönte Grundlagenforschung unmittelbar in eine weltpolitische Entscheidung münden kann." Martin Stratmann, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft
Paul Crutzen forschte auch zu den Auswirkungen eines Atomkriegs
In den frühen 1980er-Jahren beschäftigte er sich mit den möglichen Auswirkungen eines globalen Atomkriegs. Zusammen mit John Birks beschrieb er, wie sich das Leben auf der Nordhalbkugel nach einem Atomkrieg verschlechtern würde, wenn sich die Erdatmosphäre verdunkeln und es zu einem nuklearen Winter kommen würde. Von 1980 bis 2000 leitete Crutzen als Direktor die Abteilung Atmosphärenchemie am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz.
Der Begriff Anthropozän geht auf Paul Crutzen zurück
Paul Crutzen erforschte nicht nur, wie der Mensch die Ozonschicht und damit die Atmosphäre und das Klima beeinflusst, sondern generell seine Umwelt und die Erde. Auf ihn geht der Begriff Anthropozän - das "menschgemachte Zeitalter" oder "Zeitalter des Menschen" zurück. Damit beschrieb er das aktuelle Zeitalter, in dem der Mensch die atmosphärischen, biologischen und geologischen Prozesse auf der Erde maßgeblich beeinflusst und ihre weitere Entwicklung prägt.
Klimawandel bereitete Paul Crutzen Sorgen
Wie die Max-Planck-Gesellschaft in ihrem Nachruf schreibt, sei Crutzen ein "großer Vordenker und Mahner" gewesen. In den letzten Jahren habe er sich zunehmend gesorgt, ob die Menschheit die Ernsthaftigkeit des Klimawandels früh genug realisieren werde. Bereits 2004 habe Paul Crutzen gemeinsam mit seinem Kollegen Ram Ramanathan aufgezeigt, dass "drastische Maßnahmen auf internationaler Ebene erforderlich" seien, "um insbesondere die CO2-Emissionen durch Energieeinsparungen, alternative Energiequellen und Abscheidung zu reduzieren".
Paul Crutzen: "weltweit einer der meistzitierten Wissenschaftler"
Paul Crutzen veröffentlichte laut Max-Planck-Institut mehr als 360 wissenschaftliche Artikel mit einem sogenannten "Peer Review", also einer Fachbegutachtung, 135 weitere wissenschaftliche Publikationen in Fachzeitschriften und 15 Bücher. Er sei weltweit einer der meistzitierten Wissenschaftler gewesen, wurde vielfach geehrt und mit Preisen ausgezeichnet. Crutzen war Mitglied in zahlreichen wissenschaftlichen Akademien, zum Beispiel in der päpstlichen Akademie der Wissenschaften, außerdem Ehrenmitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
Paul Crutzen starb, wie die Max-Planck-Gesellschaft mitteilt, nach langer Krankheit in Deutschland im Beisein seiner Familie. Er hinterlässt seine Frau, zwei Töchter und drei Enkel.
"Pauls Tod erschüttert uns zutiefst. Seine grenzenlose wissenschaftliche Neugier und seine charismatische Persönlichkeit haben nicht nur mich und unser Institut, sondern viele Generationen von Wissenschaftlern geprägt. Auch nach seiner Emeritierung blieb er viele weitere Jahre bis ins hohe Alter wissenschaftlich aktiv. Wir verlieren einen engen Freund." Jos Lelieveld, geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Chemie
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