Kind in vereister pinker Mütze und Schal.
Bildrechte: picture alliance / AA
Bildbeitrag

Polarwirbel und Jetstream: Wird es heuer noch einmal eisig kalt?

Bildbeitrag
> Wissen >

Polarwirbel-Split: Droht Ende Februar noch eine Kältewelle?

Polarwirbel-Split: Droht Ende Februar noch eine Kältewelle?

Wird es in diesem Winter nochmal so richtig kalt? Wetterprognosen hatten angekündigt, dass der Polarwirbel auseinanderbricht und eine eisige Kältewelle auf uns zu rollt. Bis jetzt sind die Temperaturen aber eher mild. Erwartet uns da noch etwas?

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Einige Wetterdienste prognostizierten für Ende Februar noch einmal eisige Temperaturen. Grund dafür soll ein Auseinanderbrechen des Polarwirbels sein. Normalerweise kreist der arktische Polarwirbel in den Wintermonaten eng um den Nordpol. Wenn er zerbricht, kann das extreme Kältewellen mit sich bringen.

Kommt da auf Bayern noch etwas zu? "Wenn der Polarwirbel instabil ist - was im Winter regelmäßig vorkommt-, stört er die Stabilität der Westwind-Zirkulation. Dadurch macht er die Wahrscheinlichkeit für Kälteeinbrüche größer", sagt Klaus Pankatz vom Deutschen Wetterdienst (DWD).

Droht heuer noch ein Kälteeinbruch?

Laut Dr. Michael Sachweh, Wetterexperte des Bayerischen Rundfunks, ist es in diesen Tagen mal wieder soweit: "Eine massive Erwärmung hat am vergangenen Wochenende über der Nordpolarregion stattgefunden [...]. Die Fachwelt ist nun gespannt, ob sich diese Anomalie in unsere Wettersphäre fortpflanzen wird und unserem bisher lauen Winter ein eisiges Finale droht".

Und in der Tat zeigen einige der Computerprognosen zum letzten Februarwochenende hin eine markante Abkühlung. Unterm Strich ist aber derzeit noch kein Konsens unter den konkurrierenden Wetterprognosen zu erkennen, resümiert Dr. Michael Sachweh (Stand: Sonntag, 19. Februar 2023) und hält es als seriöser Meteorologe lieber mit Wilhelm Busch: "'Der Weise äußert sich vorsichtig, der Narr mit Bestimmtheit über das kommende Wetter'".

Was ist der arktische Polarwirbel?

Aber was genau hat es mit dem Polarwirbel und dem Wetter auf sich? Das Wetter wird von diversen Faktoren bestimmt. Einer davon ist der Polarwirbel (im internationalen Fachjargon "Polar vortex"). Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine große Luftmasse, die sich in etwa 15 bis 40 Kilometern Höhe über dem Nordpol wie ein Strudel dreht.

"Der Polarwirbel ist für gewöhnlich eine sehr stabile Zone tiefen Luftdrucks, die sich im Winterhalbjahr in der Atmosphäre weit oberhalb der Arktis befindet. Die winterliche arktische Luftmasse ist außerordentlich kalt und über Kaltluft ist der Luftdruck aus physikalischen Gründen stets tief - das ist der Grund für dieses stabile winterliche Höhentief", sagt Michael Sachweh.

Wie beeinflusst der Polarwirbel das Wetter?

Der Schwerpunkt des Polarwirbels liegt in der Stratosphäre und damit so weit oberhalb unserer Wettersphäre, der Troposphäre, dass eine Einflussnahme auf unsere Wettersphäre normalerweise nicht stattfindet.

"Manchmal jedoch - statistisch gesehen in durchschnittlich zwei von drei Wintern - bekommt der Polarwirbel für einige Tage einen regelrechten Schwächeanfall, spaltet sich mitunter sogar in zwei Wirbel auf und rückt mit diesen an den Rand der Polarzone. Im Kern der Polarzone macht sich dann höherer Luftdruck breit und dieser ist mit ungewöhnlich warmer Luft erfüllt", erklärt Sachweh.

Was passiert bei einem Polarwirbel-Split?

Die Ursachen für diese Anomalie einer Stratosphärenerwärmung ("Stratospheric warming") sind noch nicht ausreichend geklärt und derzeit Gegenstand der "Forschungsfront", meint Sachweh: "Fest steht, dass eine solche anomale Situation ein bis zwei Wochen später zu einer völligen Umstellung der Wetterlage in mittleren und höheren Breiten führen kann. 'Kann', weil dies nicht immer passiert. Und wenn, dann auch nicht überall in diesen Breiten, sondern nur gebietsweise. Wenn es aber bei uns passiert, dann nicht selten in Gestalt markanter russischer Kaltluftausbrüche in die Mitte oder sogar bis in den Westen Europas hinein" so Sachweh.

Jetstream kann Polarluft nicht mehr aufhalten

Eine plötzliche starke Stratosphärenerwärmung destabilisiert aber nicht nur den Polarwirbel, sondern schwächt und verschiebt auch den Jetstream - erst den stratosphärischen, dann ein bis zwei Wochen später unter Umständen auch den troposphärischen Jetstream unserer Wettersphäre, so Sachweh: "Dann kann es bei uns passieren, dass sich Ostwinde mit russischer Kaltluft durchsetzen - was ein intakter Jetstream in der Regel zu verhindern weiß."

Was ist ein Jetstream?

Der Polarwirbel wird von einem weiteren Band von Höhenwinden, dem sogenannten Jetstream, aufgehalten. Er trennt die kalte Luft vom Nordpol von der wärmen Luft im Süden. Ein Jetstream ist ein Starkwindband in der höheren Atmosphäre.

"Er ist eine wichtige Steuergröße der Großwetterlage und wirkt zudem als Transportband für Hochs, Tiefs und Luftmassen. Im Normalzustand umgibt er mehr oder weniger kreis- bis wellenförmig den Polarwirbel. Er sorgt zum Beispiel bei uns in den mittleren Breiten dafür, dass westliche Winde dominieren, deshalb gilt der Atlantik auch als unsere 'Wetterküche'", sagt Sachweh.

Bildrechte: NOAA | Grafik: BR
Bildbeitrag

Ein stabiler Polarwirbel und ein auseinander gebrochener Polarwirbel

Grundsätzlich dient Wind dazu, Druckunterschiede in der Erdatmosphäre auszugleichen. Am Äquator zum Beispiel ist es warm, an den Polen sehr kalt. Um dieses Gefälle abzumildern, weht ständig ein starker Wind. Der Ausgleichswind weht aber nicht geradewegs vom Äquator zum Nordpol, sondern wird auf dem Weg nach Norden abgelenkt, weil sich unter ihm die Erde weiterdreht. Der Wind bildet dabei eine wellenförmige Bewegung aus. Dabei entstehen Windgeschwindigkeiten von bis zu 500 Stundenkilometern.

Jetstreams scheinen schwächer zu werden

Das Windband des Jetstreams ist zwar hoch über der Erde, wird aber doch von zahlreichen Faktoren beeinflusst. Außerdem führt der Klimawandel dazu, dass sich die Polkappen stärker erwärmen als die Tropen am Äquator. Der Jetstream muss also kein so großes Temperaturgefälle mehr ausgleichen. Werden aber die Temperaturunterschiede zwischen Arktis und Äquator zunehmend geringer, beginnt die Luftströmung langsamer zu werden, wie Experten vermuten.

Eine Folge davon ist, dass sich Wetterlagen offenbar über längere Zeiträume stabil halten. Es kann lange heiß sein oder auch besonders viel und lange regnen.

Klimawandel als Ursache für Wettextreme?

Steigende Temperaturen und schmelzende Eisflächen am Nordpolarmeer sind eindeutige Anzeichen für eine Veränderung des Klimas auf unserer Erde. Bittere Kälte und extreme Hitze bestimmen zunehmend unser Wetter. Es gibt jedoch noch viele offene Fragen in Bezug auf die spezifischen Auswirkungen des Klimawandels auf den Jetstream.

Forscher sind weiterhin bemüht, diese Zusammenhänge besser zu verstehen und Vorhersagen über zukünftige Wetterbedingungen zu treffen. "Die Langfristprognostiker unter den Meteorologen schauen deshalb immer mit Argusaugen auf den Zustand des Polarwirbels. Und die Klimaforscher untersuchen, ob der langfristige globale Erwärmungstrend auch Auswirkungen auf die stratosphärischen Wärmeeinbrüche und damit auf Wetterkapriolen haben könnte", sagt Sachweh.

Für einen Klimaforscher ist der Zeitraum von knapp vierzig Jahren noch zu kurz, um gesicherte Aussagen treffen zu können. Deshalb gilt der Zusammenhang zwischen Klimaerwärmung und zunehmenden Wetterextremen bislang noch unter Vorbehalt.

Wie der Polarwirbel das Wetter aufmischt

Grafik: Jetstream-Lage auf der Nordhalbkugel im Mai 2021
Bildrechte: BR
Audiobeitrag

Grafik: Jetstream-Lage auf der Nordhalbkugel im Mai 2021

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!