Immer mehr Daten werden digital gespeichert und über das Netz verschickt. Damit bieten sich auch Angriffsmöglichkeiten für Hacker. In Zukunft sollen Daten hundertprozentig sicher verschlüsselt werden – mit Hilfe von Quantentechnologie. Einen Versuch hat das Bundesforschungsministerium am Dienstag in Bonn präsentiert – die Grundlagen dafür kommen vom Erlanger Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts.
Die Bundesforschungsministerin steht im 14. Stock ihres Bonner Amtssitzes. Von hier aus sieht man ein 300 Meter entferntes Gebäude mit Antennen und Teleskopschüsseln auf dem Dach - das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Per Knopfdruck startet Anja Karliczek eine Videokonferenz dorthin, jetzt ist sie verbunden mit einigen Herren am BSI – ansonsten hört auf der Leitung garantiert niemand mit. Die Videokonferenz ist hundertprozentig abhörsicher.
Revolution der Kommunikation
"Eine Revolution in der Kommunikation" nennt die Bundesforschungsministerin das Experiment. Eine solche Revolution ist auch dringend notwendig, Hackerangriffe haben gezeigt, dass hierzulande viele Daten nicht sicher sind, auch solche von Behörden. Zuletzt war der Landkreis Anhalt-Bitterfeld betroffen, wo vor ein paar Wochen keine Sozialhilfe und kein Kindergeld mehr ausbezahlt werden konnten. Karliczek spricht vom "bundesweit ersten Cyberkatastrophenfall".
Schutz für sensible Gesundheitsdaten
Auch der Physiker Christoph Marquardt vom Erlanger Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts warnt davor, dass wir es bei öffentlichen Einrichtungen mit immer mehr sensiblen Daten zu tun haben. Das Erlanger MPI hat zusammen mit weiteren Instituten der Fraunhofer Gesellschaft und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt die Grundlagen für das Bonner Experiment erforscht und den Versuch vorbereitet.
"Insbesondere Gesundheitsdaten müssen ein Leben lang geschützt sein, aber auch Finanzinformationen", sagt Marquardt. Dafür brauche man extrem gute Verschlüsselungsverfahren, die man auch in Zukunft nicht knacken könne. Und das ist bei herkömmlichen Verschlüsselungsverfahren nicht der Fall.
Quantencomputer bedrohen Sicherheit
Die Datensicherheit wird in Zukunft noch stärker bedroht sein - etwa durch Quantencomputer. Denn sie sind so leistungsfähig, dass sich damit schnell aus den Verschlüsselungscodes die Schlüssel errechnen lassen.
"Das Ziel ist, einen geheimen Schlüssel zwischen zwei Parteien zu generieren, so dass der Schlüssel nicht von Dritten abgehört werden kann", sagt Marquardt. Ausgerechnet die Quantenphysik kann wiederum dabei helfen. Mi Hilfe von Lichtteilchen oder Photonen werden Schlüssel erzeugt. Der Clou dabei ist: Wenn jemand lauscht, sieht man das sofort, denn durch die Gesetze der Quantenphysik wissen die Lichtteilchen quasi voneinander. Jede Messung der optischen Information verändert sofort den Zustand der Photonen. Anhand der Statistik der Verschlüsselung kann man sehen, ob abgehört wurde oder nicht. Man kann sogar messen, welche Menge an Informationen abgehört wurde.
Zusammenarbeit mit Behörden
Für den Versuch haben die Forscher verschiedene Datenleitungen getestet – Glasfaserkabel und Lichtstrahlen. Und sie haben eng mit Sicherheitsbehörden wie dem BSI zusammengearbeitet. Das Ziel ist es, die Technologien so zu entwickeln, dass sie mit den hohen Sicherheitsanforderungen kompatibel sind.
Konkurrenz aus China
Dieses Vorgehen sieht der Erlanger Forscher Marquardt als Vorteil gegenüber bisherigen Tests. Insbesondere China hat bereits Schlagzeilen gemacht: Im Frühjahr hat man dort Institutionen in vier Metropolen mittels eines Quantennetzes verbunden. Marquardt ist überzeugt, dass Europa ganz vorne mitspielt, er sieht Anwendungen in sieben bis zehn Jahren: "Technologisch wollen wir die Industrie soweit befähigen, dass sie Behörden mit solchen Systemen absichern kann."
Auch Bundesforschungsministerin Anja Karliczek will "Deutschland und Europa als den vertrauenswürdigsten Datenraum der Welt organisieren", sagte sie am Dienstag.
Quantenkommunikation für alle
Und irgendwann könnte es auch sein, dass wir alle unsere Daten mit Hilfe von Quantenkommunikation austauschen. Wenn die Technik klein genug und Handys entsprechende optische Elemente haben, ist das in zwanzig Jahren durchaus möglich, meint Marquardt. Die Quantenverschlüsselung ist jedenfalls keine Utopie mehr.
"Hier ist Bayern": Der neue BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!