Die Infektionszahlen steigen und mit Blick auf die kälteren Jahreszeiten die Sorge, sich in geschlossenen Räumen mit dem Coronavirus anzustecken. Vor allem in den Schulen sind überfüllte Klassenzimmer schon seit Jahren ein Problem. Um nun aber Distanzunterricht zu vermeiden, wird versucht mit Mund-Nasen-Schutz und einer regelmäßigen Durchlüftung dem entgegen zu wirken. Im Hygienekonzept des Kultusministeriums werden alle Schulen in Bayern dazu aufgefordert. Doch nach jeder Stunde möglichst fünf Minuten alle Fenster komplett zu öffnen, kann das wirklich die einzige Lösung sein? Oder wären mobile Raumluftreiniger eine geeignete Maßnahme?
Was ist in geschlossenen Räumen anders als im Freien?
Eine Ansteckung mit Sars-Cov-2-Viren läuft über Tröpfchen, Aerosole oder über Kontakt, wenn wir einen Gegenstand anfassen, der mit Viren behaftet ist. Niesen oder Husten löst eine Tröpfcheninfektion aus, gegen die man sich mit genügend Abstand und herkömmlichen Masken gut schützen kann. Die Tröpfchen sinken rasch zu Boden. Kontaktflächen können durch regelmäßiges Desinfizieren und Händewaschen gereinigt werden. Doch in geschlossen Räumen ist die Möglichkeit einer Ansteckung mit Sars-Cov-2-Viren mehr gegeben, als im Freien und das liegt hauptsächlich an den Aerosolen. Wie sich Coronaviren jedoch verteilen und welcher Ansteckungsweg die Viren leichter weiter verbreitet, das ist wissenschaftlich noch nicht eindeutig geklärt. Vermutlich sind Aerosole von großer Bedeutung, betonen Virologen im Hinblick auf die bereits bekannten größeren Infektionsausbrüche.
Aerosole schweben in geschlossen Räumen
Aerosole sind winzige, 0,1 bis 0,2 Mikrometer kleine, feste oder flüssige Teilchen, die wir durch Ausatmen in die Luft schicken. Je nach Luftzirkulation schweben oder bewegen sie sich in unserer Umgebung. Mit unserer Atemluft stoßen wir etwa 50 Aerosolteilchen in der Sekunde aus und auf diesen Partikeln können die Viren sitzen. Unklar ist aber, wie viele Viren sich auf einem Schwebeteilchen befinden und wie viel Viren überhaupt notwendig sind, um sich zu infizieren. Weil sich die Partikel im Raum verteilen, können sie von anderen Menschen wieder eingeatmet werden. Mit gewöhnlichen Masken lassen sich Aerosole nicht ganz aufhalten, weil sie so winzig sind, können sie seitlich und an den Rändern einer Mund-Nasen-Bedeckung ausweichen. Nach bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen bewegen sich Aerosole mehrere Stunden in einem Raum, wenn sie nicht durch Luftbewegungen vertrieben oder verdünnt werden. Das kann durch klassisches Lüften geschehen oder mithilfe von Raumluftreinigern. Wissenschaftler suchen nach praktischen Lösungen für eine gute Luftqualität in geschlossenen Räumen.
Technische Lösung: Raumluftreiniger
Wie kann man nun Schüler und Lehrer vor ansteckenden Viren schützen, wenn sie sich in überfüllten und schlecht belüfteten Klassenzimmern mehrere Stunden aufhalten müssen? Forscher hoffen, mit mobilen Raumluftreinigern die Ansteckung in geschlossenen Räumen zu vermeiden bzw. zu reduzieren. An der Bundeswehruniversität München testete Christian Kähler und sein Team in einem originalgetreu nachgebauten Klassenzimmer den Einsatz von mobilen Raumluftreinigern.
Mobile Raumluftreiniger als Virenkiller
Mit einem Raumluftreiniger wird die Viren-belastete Luft eingesaugt, gereinigt und saubere Luft wieder zurück in den Raum geführt. Für den Forscher steht fest: Bestimmte Geräte eignen sich als Virenkiller. In ihren Tests halbierte sich innerhalb der ersten Minuten die Aerosolkonzentration. Deshalb empfehlen sie, die mobilen Raumluftreiniger für Schulen, Gastronomie und Büroräume.
Mit einem Laserstrahl konnte Christian Kähler vom Institut für Strömungsmechanik und Aerodynamik die Aerosolteilchen sichtbar machen und die Abnahme der Konzentration gleich nach dem Start messen. Mobile Luftreiniger mit sogenannten H14-HEPA-Filter konnten in seinen Studien erfolgreich bestehen. Sie filtern die winzigen Partikel heraus, d.h. sie schaffen eine Luftleistung von 2.100 Kubikmeter in der Stunde. Die Kosten für ein Gerät beginnen bei etwa 2.000 Euro. Um die rund 50.000 Klassenzimmer in Bayern damit auszustatten, bräuchte man bis zu 100 Millionen Euro. Noch effektiver ist es, wenn zwischen zwei Sitznachbarn eine Plexiglasscheibe angebracht wird. Sie bietet einen zusätzlichen Schutz gegen Ansteckung in Verbindung mit dem Raumluftreiniger.
Nicht jedes Gerät kann Aerosole filtern
Doch nicht jedes Gerät ist für den Einsatz gegen Coroanviren in geschlossenen Räumen geeignet. Von Geräten mit UV-Licht, UV-C Geräte, Ionisation- oder Ozon-Geräte raten Experten ab. Je nach Einsatz und Raumgröße können sie die Luftqualität sogar noch verschlechtern, warnt das Umweltbundesamt. Falsch angewendet, können Raumluftreiniger sogar mehr schädigen als schützen. Deshalb sieht die Kommission "Innenraumlufthygiene am Umweltbundesamt", IRK, den Einsatz dieser Geräte sehr kritisch und rät zu einer einfacheren Methode: Fenster auf und regelmäßig durchlüften.
Saubere Luft soll Coronaviren vertreiben
Regelmäßiges Lüften gehört seit Beginn des Schuljahres zum Hygienekonzept. Nach jeder Schulstunde müssen die Fenster mindestens für fünf Minuten geöffnet werden. Bei den warmen Temperaturen der letzten Wochen standen Türen und Fenster in manchen Schulen sogar die ganze Zeit offen. Richtiges Lüften bedeutet, dass durch die Frischluftzufuhr die Viren-belasteten Aerosole aus dem Raum verschwinden sollen. Das geschieht am besten durch Zugluft, wenn gegenüberliegende Fenster geöffnet sind. Im Herbst und Winter bedeutet das aber: Warm anziehen, um sich gegen Coronaviren zu schützen. Doch damit lassen sich nicht nur Viren beseitigen. Eine saubere Luft hilft, sich auch besser zu konzentrieren.
"Wir brauchen Sauerstoff, wir brauchen diese niedrige CO2-Konzentration, um letztlich keine gesundheitlichen Schäden zu nehmen und auch leistungsfähig zu sein." Prof. Martin Kriegel, Leiter des Hermann-Rietschel-Instituts für Energietechnik, TU Berlin
Durchlüften im leeren Raum
Für den Wissenschaftler Martin Kriegel von der Technischen Universität Berlin, der zur Qualität von Raumluft forscht, reichen fünf Minuten Frischluftzufuhr in Klassenzimmern nicht aus. Es muss mindestens 10 bis 15 Minuten gelüftet werden und der Raum sollte dann auch leer sein, erst dann besteht die Chance Viren-belastete Aerosole zu beseitigen. Das würde allerdings zu einem neuen Lüftungskonzept in Schulen führen und einen anderen Stundenwechsel.
CO2-Ampeln messen die Luftqualität
Eine gute Luftqualität lässt sich mit sogenannten CO2-Ampeln messen. Wird der CO2-Gehalt in einem Raum zu hoch, dann schaltet die Ampel auf rot und rät zum Lüften. Aerosole können mit diesen Ampeln nicht gemessen werden, aber „eine gute Luftqualität bedeutet erst mal eine geringe Virenlast im Raum“, betont Martin Kriegel.
Lüftungsanlagen für frische Luft und zum Schutz gegen Viren
Schwierig wird es jedoch, wenn in Räumen keine Fenster komplett geöffnet werden können. Dann wären wiederum geeignete Raumluftreiniger eine Lösung, wie auch der Bayerische Philologenverband bereits im August für alle Klassenzimmer forderte. Martin Kriegel hat einen anderen Vorschlag: fest eingebaute zentrale Lüftungsanlagen. Sie tauschen automatisch die Raumluft gegen frische Luft von außen aus. Damit kann die Ansteckungsgefahr stark reduziert werden und es ist immer ausreichend Sauerstoff im Raum. Eine nachhaltige Lösung, die sicher nicht so schnell umgesetzt werden kann, die jedoch bei Modernisierungen oder bei einem Neubau von Schulen berücksichtigt werden sollte.
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