Auf der Erde könnte man eine Lieferzeit von sieben Jahren und Versandkosten von rund einer Milliarde US-Dollar getrost als horrend bezeichnen. Doch für die US-Weltraumbehörde NASA ist die Mission Osiris-Rex ein guter Deal: Statt wie geplant 60 Gramm Staub des Asteroiden Bennu erhält sie voraussichtlich mehr als vier Mal so viel Material. Geplante Zustellung: diesen Sonntag, 24. September 2023.
Die kostbare Fracht ist viel mehr als nur eine Handvoll Staub. Sie soll Forschenden etwas darüber verraten, wie unser Sonnensystem und vor allem die Erde entstanden sind – und ob nicht Asteroiden wie Bennu einst die Bausteine des Lebens unserem Planeten angeliefert haben.
Osiris-Rex war mit Staubsauger zum Asteroiden Bennu unterwegs
2016 war die Raumsonde Osiris-Rex zum Asteroiden Bennu gestartet, 2018 kam sie dort an. Eine richtige Landung war auf diesem rund 500 Meter großen, pechschwarzen Schutthaufen nicht geplant: Stattdessen umkreiste die Sonde den Asteroiden und suchte zunächst nach einer geeigneten Stelle, um Bodenproben zu nehmen. Das tat die Sonde dann im Jahr 2020 mit einem Saugarm. Das kostbare Gut wurde anschließend in einem Probenbehälter verstaut. 2021 machte sich Osiris-Rex auf den Rückweg zur Erde.
Die Raumsonde selbst wird dort nicht mehr landen. Stattdessen schickt sie nur den Probenbehälter gen Erdoberfläche. Sobald dieser am Sonntag wie geplant auf einem Testgelände in Utah eintrifft, wird das Material zunächst eingesammelt und kurze Zeit später auch schon an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zur weiteren Analyse verteilt.
Asteroiden als Zeitkapsel in unsere Vergangenheit
Einer der Wissenschaftler, der schon Mitte Oktober mit einigen Bröseln dieses himmlischen Mitbringsels rechnen kann, ist Frank Brenker von der Goethe-Universität Frankfurt. Für Frank Brenker und seine Kolleginnen und Kollegen sind Asteroiden wie Bennu vor allem Zeitkapseln, die es ihnen ermöglichen, mehr über die Entstehung des Sonnensystems und der Erde zu erfahren. Derartige Asteroiden sind Überbleibsel aus den jungen, wilden Zeiten des Sonnensystems vor rund 4,5 Milliarden Jahren. Nachdem sie sich einmal gebildet hatten, tat sich seither nicht mehr viel auf ihnen.
Deshalb können uns Asteroiden wie Bennu viel mehr über die Entstehung unserer Erde verraten als die Erde selbst, so Frank Brenker: "Bei der Entstehung der Erde sind die leichten und flüchtigen Elemente ins Weltall entwichen. Das bedeutet, dass wir auf der Erde keine Ozeane oder überhaupt Wasser auf der Oberfläche hätten, wenn nicht zu einem späteren Zeitpunkt Asteroiden auf der Oberfläche eingeschlagen wären und somit Wasser und organische Bestandteile mitgebracht hätten. Deshalb ist es wichtig, sich diese Bestandteile in ihrer ursprünglichen Form anzusehen."
Asteroiden könnten das Wasser zur Erde gebracht haben – und die Bausteine des Lebens
Asteroiden gelten somit nicht nur als Wasserlieferanten für die Erde. Vielleicht haben sie auch die Bausteine des Lebens zur Erde gebracht: Kohlenwasserstoffverbindungen oder gar ganze Aminosäuren, vielleicht noch komplexere Moleküle. Frank Brenker sagt: "Ist es wirklich so, dass diese Asteroiden die kompletten Bausteine für Leben liefern? Wenn das so ist, dann wäre die Konsequenz daraus, dass ich nur noch einen geeigneten Lebensraum brauche und dann ist es unweigerlich so, dass sich dort damit höchstwahrscheinlich Lebensformen bilden. Und dann bekommt die Jagd nach Leben im Sonnensystem noch einmal eine andere Relevanz."
Bennu, die Gefahr aus dem Weltraum?
Somit waren Asteroideneinschläge zwar vielleicht sogar lebenswichtig für die Erde. Aus heutiger Sicht würden wir derartige Begegnungen aber lieber vermeiden. Ausgerechnet der Asteroid Bennu könnte der Erde in 150 Jahren möglicherweise gefährlich nahekommen. Zwar ist das Risiko eines Einschlags sehr gering, trotzdem zählt die NASA Bennu zu den gefährlichsten derzeit bekannten Asteroiden.
Die Proben von Osiris-Rex könnten sich auch in dieser Hinsicht als nützlich erweisen: "Wir versuchen, die physikalischen Eigenschaften dieses Materials zu untersuchen, also die Härte, die Widerstandsfähigkeit, die Brüchigkeit, die Dichte. Diese Eckdaten brauchen wir, wenn wir erfolgreich einen Asteroiden abwehren wollen", sagt Frank Brenker.
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