Millionen Menschen weltweit sind schwerhörig. Bei vielen hätte es nicht so weit kommen müssen und auch jetzt könnte vielen Betroffenen mit einfachen Mitteln geholfen werden. Darauf weist die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrem heute vorgestellten Bericht "World Report on Hearing" hin. Morgen, am 3. März, ist der Welttag des Hörens, und die WHO hat deshalb hochgerechnet, wie viele Menschen von Hörverlust betroffen sind: Rund 1,6 Milliarden Menschen seien gerade in ihrem Hören beeinträchtigt. Bis zum Jahr 2050 könnten es 2,5 Milliarden Menschen sein.
"Wir wissen, wie wir das verhindern könnten - oder zumindest viel davon." Shelly Chadha, WHO-Expertin, Programm Prävention von Taubheit und Hörverlust
Zehn Millionen Schwerhörige in Deutschland
Allein in Deutschland leben rund zehn Millionen Menschen mit einer Schwerhörigkeit, teilt der Bundesverband der Hörsysteme-Industrie (BVHI) mit. Fast sechs Millionen davon seien deutlich beeinträchtigt. Doch nur ein Drittel der Betroffenen unternehme etwas dagegen. Der Verband weist darauf hin, dass Schwerhörigkeit im mittleren Lebensalter ein Risikofaktor für eine spätere Demenzerkrankung sei. Auch soziale Isolation und Depressionen könnten Folgen von Schwerhörigkeit sein.
Verbesserter Lärmschutz, gute Ohrhygiene und mehr Fachärzte
Das Gehör kann zum Beispiel durch Probleme während der Geburt oder Infektionskrankheiten beeinträchtigt werden. Rund 1,1 Milliarden junge Menschen riskieren laut WHO Hörschäden, weil sie zu oft zu laut Musik hören. Für diesen Bereich fordert die WHO verstärkt gesetzliche Regelungen. Auch bei Erwachsenen sei mangelnder Lärmschutz oft die Ursache für Hörverlust. Für alle Menschen sei eine gute Ohrhygiene wichtig.
Ein HNO-Arzt pro Million Einwohner
Ein weiteres Problem stellt laut WHO der Mangel an Fachärzten und Spezialisten dar: In den meisten Entwicklungsländern mangele es an HNO-Ärzten, Sprachtherapeuten und Lehrern für Gehörlose. Von den Ländern mit niedrigen Einkommen hätten gut drei Viertel nur einen einzigen Hals-Nasen-Ohrenarzt pro Million Einwohner. Laut WHO-Bericht verwenden derzeit nur 17 Prozent der Schwerhörigen weltweit, die Hörgeräte bräuchten, solche Hilfsmittel.
"Es gibt einen riesigen Mangel, weil Hörakustik vielerorts keine Priorität hat." Shelly Chadha, WHO-Expertin, Programm Prävention von Taubheit und Hörverlust
Ohrerkrankungen und Hörschäden vorbeugen
"Medizinische Behandlungen und Operationen können die meisten Ohrerkrankungen beheben und potenziell auch Hörverlust wieder wettmachen", schreibt die WHO. Bei Kindern wären laut WHO-Expertin Shelly Chadha fast 60 Prozent der Fälle vermeidbar - zum Beispiel durch Impfungen, Früherkennung und eine bessere Versorgung von Müttern und Neugeborenen. Impfungen gegen Röteln und Meningitis sowie die Früherkennung und Behandlung von akuten Mittelohrentzündungen könnten laut WHO viele Kinder vor Hörschäden bewahren.
WHO rechnet bis 2050 mit 2,5 Milliarden Menschen mit Hörschäden
Weil die Weltbevölkerung weiter wächst und die Lebenserwartung steigt, könne die Zahl der Menschen mit Hörverlust bis 2050 auf fast 2,5 Milliarden steigen, wenn die ärztliche Versorgung nicht verbessert wird, schätzt die WHO. Dann würde jeder vierte Mensch auf der Welt mit einer Höreinschränkung leben. Die Zahl der Menschen mit schweren Einschränkungen drohe von 430 Millionen auf 711 Millionen zuzunehmen. Die WHO weist darauf hin, dass gerade diese Gruppe besser mit Unterricht in Zeichensprache, Hörgeräten und Implantaten versorgt werden müsste.
"Unsere Fähigkeit zu hören ist wertvoll. Unbehandelter Hörverlust kann verheerende Auswirkungen auf die Fähigkeit der Menschen haben, zu kommunizieren, zu lernen und den Lebensunterhalt zu verdienen. Er kann sich auch auf die geistige Gesundheit der Menschen und ihre Fähigkeit, Beziehungen aufrechtzuerhalten, auswirken." Tedros Adhanom Ghebreyesus, WHO-Generaldirektor
Wichtig: Sich frühzeitig Ohr- und Hörproblemen bewusst werden
Mit dem Bericht über das Hörvermögen weltweit, aber auch mit dem Welttag des Hörens, möchte die WHO darauf hinweisen, dass es oft die mangelnden Informationen und die voreingenommenen Einstellungen zu Ohrenerkrankungen und Hörverlust sind, die Menschen davon abhalten, die Initiative zu ergreifen. Schließlich sei gerade die Identifizierung eines Ohrproblems der erste Schritt, um etwas gegen Ohrenerkrankungen und Hörverlust zu unternehmen. Bei Schwerhörigkeit ist es ausschlaggebend, sie frühzeitig und professionell zu behandeln. Um mit dem Hören nicht auch Lebensqualität einzubüßen, sollte jeder daran denken, regelmäßig sein Gehör testen zu lassen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil eine Schwerhörigkeit oft schleichend und lange unbemerkt einsetzt, darauf weist der Bundesverband der Hörsysteme-Industrie zum Welttag des Hörens hin. Er empfiehlt Hörscreenings ab Geburt und im Kleinkindalter, spätestens ab dem 50. Lebensjahr.
3. März 2021: Welttag des Hörens
Der Welttag des Hörens findet jedes Jahr am 3. März statt, 2021 bereits zum elften Mal. Dafür engagiert sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO), das World Hearing Forum (WHF), der europäische Herstellerverband EHIMA und in Deutschland zum Beispiel der Bundesverband der Hörsysteme-Industrie, zusammen mit vielen anderen Organisationen, Unternehmen, aber auch Hörakustikern, Ärzten, Vereinen und Kultureinrichtungen. Zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen weisen dann auf die Wichtigkeit des Hörens, das regelmäßige Testen sowie die Vorbeugung und Behandlung von Ohr- und Hörproblemen hin. Der Welttag des Hörens steht jedes Jahr unter einem bestimmten Motto. 2021 lautet es: "Hörgesundheit für Alle!"
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