Plastikmüll am Meeres-Strand: Machen wir weiter so wie bisher, landen im Jahr 2040 etwa 2,5-mal so viele Plastikabfälle und Kunststoffe im Meer und in der Umwelt an Land, das zeigt eine aktuelle Studie.
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Entschiedene, schnelle Maßnahmen könnten die Plastik-Flut in die Meere und die Umwelt bis 2040 deutlich verringern.

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So ließe sich die große Flut an Plastikmüll bis 2040 eindämmen

So ließe sich die große Flut an Plastikmüll bis 2040 eindämmen

Jahr für Jahr produzieren wir mehr Kunststoff für Produkte und Verpackungen. So landet auch immer mehr Plastikmüll in der Umwelt. Eine neue Studie zeigt, was wir tun können und müssen, um bis zum Jahr 2040 nicht in Plastik zu ertrinken.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Angesichts Jahr für Jahr steigender Plastikmengen, die produziert, verbraucht und irgendwann weggeworfen werden, hat sich ein internationales Forscherteam auf die Suche nach einer Lösung gemacht, wie die Menschheit diesem wachsenden Problem entgegentreten könnte.

Dazu entwickelten die Wissenschaftler mit Datenmodellen fünf verschiedene Szenarien, wie sich die Menge an Kunststoffmüll bis ins Jahr 2040 entwickeln könnte - je nach ergriffenen Maßnahmen:

  • Business as usual: Politik und Abfallwirtschaft machen einfach weiter wie bisher
  • Einsammeln & Entsorgen: Optimierung der Beseitigung von Plastikmüll
  • besseres Recycling von Kunststoff-Abfällen
  • Verringern & Ersetzen: Produktion von Kunststoffen mindern bzw. durch andere Materialien ersetzen
  • System Change: einen kompletten Systemwechsel durch Anwendung aller möglichen Maßnahmen

Weiter wie bisher und die Plastikflut steigt

Der Unterschied zwischen den einzelnen Szenarien erwies sich in der Hochrechnung auf die nächsten zwanzig Jahre als extrem: Verfährt die Menschheit im Umgang mit Plastik weiter so wie bisher, wird sich die jährliche Menge an Plastikmüll, die im Meer landet, bis ins Jahr 2040 um das 2,6-fache erhöhen. Zu Lande würde sich Kunststoffabfall in der Umwelt sogar ums 2,8-fache steigern. Selbst die derzeit von der Politik angedachten Maßnahmen könnten diese Zahlen nur um rund sieben Prozent senken. Dazu kommt aber noch das Mehr an Plastik, das auf Müllkippen, im Recyclingprozess oder in den Verbrennungsanlagen landen wird.

Wichtigster Faktor: Wie viel Kunststoff produzieren wir?

Der einflussreichste Faktor auf die Menge an Plastikmüll ist ganz vorne im Plastikfluss: die Herstellung an frischen, neuen Kunststoffen für Produkte und Verpackungen. Die Plastikproduktion steigt stetig an und wird durch den globalen Bevölkerungszuwachs und fortschreitende Modernisierung in Drittwelt- und Schwellenländern weiter zunehmen. Studien prognostizieren eine Verdoppelung der Kunststoff-Herstellung bis 2050, wenn die momentanen Steigerungsraten anhalten. Beim Verbrauch von Plastik ist Deutschland europaweit an der Spitze - und auch bei uns landen laut einer Studie von 2018 fast eine halbe Million Tonnen Plastik pro Jahr in der Umwelt.

"In vielen Bereichen unseres Lebens ist Plastik nicht oder kaum wegzudenken - zum Beispiel im Zusammenhang mit Hygiene - beziehungsweise es gibt noch keine Alternativen." Prof. Dr. Rita Triebskorn, Institut für Evolution und Ökologie, Eberhard Karls Universität Tübingen

Corona könnte das Kunststoff-Problem derzeit noch verschärfen

Ereignisse wie etwa die aktuelle Covid-19-Pandemie lassen den Kunststoff-Konsum noch steigen, da mehr Hygiene-Produkte verbraucht werden, die ihrerseits in Kunststoff verpackt sind, oder weil unverpackt Einkaufen aus Hygiene-Gründen derzeit nicht möglich ist.

"Eine weitere Frage ist, zu welchem Anteil die momentane COVID-19-Pandemie und der damit verbundene rasante Anstieg im Gebrauch von Einwegplastik für persönlichen Infektionsschutz in professionellem wie auch privatem Bereich und auch bei Verpackungen und in der Lebensmitteltechnologie zu einer Umkehr in unserem Umgang mit Plastik führt, und ob die sich daraus ergebenden Tendenzen noch drastischere Szenarien als die in der Studie betrachteten Projektionen darstellen." Stefan Krause, Professor für Ökohydrologie und Biogeochemie, University of Birmingham, Vereinigtes Königreich

Möglicher Lösungsansatz: Mehr einsammeln und besser entsorgen

Aber nach Ansicht von Winnie Lau von der US-amerikanischen Umweltschutz-NGO Pew Charitable Trusts, Hauptautor der Studie, gibt es mehrere Möglichkeiten, das Problem Plastikmüll zu bekämpfen. Welche der Möglichkeiten am sinnvollsten und weitreichendsten ist, sollte die aktuelle Studie errechnen.

Einsammeln und Entsorgen ist eine wichtige Maßnahme, um die Menge an Kunststoff, die am Ende in der Umwelt landet, deutlich zu reduzieren, so die Studie. Das klingt für unsere Ohren vielleicht seltsam, denn wir sammeln und entsorgen unseren Plastikabfall ja in der Regel. Und werfen ihn noch dazu in gelbe Säcke oder Tonnen, damit der Kunststoff wieder recycelt werden kann. Das ist aber eben nicht überall so. Die Abfallsammelquoten müssten insbesondere in Ländern mit mittlerem und geringem Einkommen deutlich ausgeweitet werden, so das Ergebnis der Studie: In den kommenden zwanzig Jahren müssten über eine Milliarde Haushalte weltweit an die Abfallentsorgung erst angeschlossen werden - jede Woche mehr als eine Million Haushalte. Dann würde der Plastikmüll wenigstens nicht mehr in der Umwelt landen, sondern zumindest auf Müllhalden oder in Verbrennungsanlagen.

Die Kosten für diese Maßnahme seien allerdings unter allen in der Studie betrachteten die höchsten und finanziert würden sie in der Regel über Steuern, so die Autoren. Zudem sei die Abfallwirtschaft global betrachtet nicht in der Lage, die anfallenden Mengen an Plastikmüll zu entsorgen.

Kunststoff-Abfall nicht einfach exportieren

Zugleich plädieren die Forscher dafür, das Problem mit Plastikmüll nicht einfach in andere Länder zu verlagern, in dem reichere Länder ihn weiterhin in ärmere Länder exportieren. Denn dort sei die Abfallwirtschaft zum Teil nicht einmal in der Lage, den eigenen Kunststoffmüll zu entsorgen oder gar zu verwerten.

Mehr Kunststoff recyceln und Verbundstoffe vermeiden

Eine deutlich günstigere Maßnahme im Kampf gegen den Plastikmüll ist verstärktes Recycling von Kunststoffen. Plastik ist ja auch ein Rohstoff. Damit könnte man nicht nur Müll abbauen, sondern zugleich die Menge an neu produziertem Kunststoff senken. Doch dazu muss die Quote beim Recycling deutlich erhöht werden. Denn auch bei uns wird nur ein Bruchteil des Kunststoffes wiederverwertet, den wir brav in gelbe Säcke und Tonnen stopfen.

Wichtig wäre insbesondere für das Kunststoff-Recycling, dass Plastikprodukte möglichst nur noch aus einem Kunststoff hergestellt werden, nicht mehr aus mehrschichtigem Plastik oder Verbundstoffen, die kaum verwertbar sind, weil man sie bestenfalls mit sehr hohem Aufwand wieder trennen kann.

    Gelbe Säcke voller Kunststoffmüll: Was bringt Recycling? Was kann die Industrie besser machen und wie können wir als Verbraucher mithelfen, dass noch mehr Plastik recycelt wird?
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    Wie viel von unserem Verpackungsmüll kann überhaupt recycelt werden?

    Kunststoffproduktion verringern und andere Materialien nutzen

    Das dritte Szenario, dass die Wissenschaftler für die Studie durchrechneten, war "Verringern & Ersetzen": Durch den Verzicht auf viele Kunststoff-Verpackungen, durch Mehrweg- statt Einwegprodukte oder durch den Einsatz anderer Materialien wie Papier oder kompostierbaren Kunststoffen könnte viel der Plastik-Umweltverschmutzung verhindert werden, so die Studie. Es könnte so gelingen, im Jahr 2040 mit weniger als der Hälfte neuen Kunststoffes auszukommen als im "Weiter-wie-bisher"-Modell. Das wären immerhin elf Prozent weniger neues Plastik als im Jahr 2016.

    Allerdings gehen die Autoren bei der Berechnung nicht auf Probleme ein wie beispielsweise der Frage, ob Papier statt Plastik eine sinnvolle Lösung sein kann, wenn die Wälder zugleich gerade durch den Klimawandel geschwächt sind. Auch die Entwicklung neuer Materialien, etwa besser kompostierbaren Kunststoffen, wird nur gestreift. Doch sie betonen, dass Innovationen wichtig sind, um dem Plastik-Problem zu begegnen. Und großer Aufwand:

    "Eine beachtliche zusätzliche Anstrengung wird nötig sein, um mit der nie zuvor dagewesenen Menge an Umweltverschmutzung durch Plastik zurande zu kommen." Winnie Lau et.al.

    Das anvisierte Ziel: 80 Prozent weniger Plastikmüll in der Umwelt

    Keine der bislang durchgerechneten Maßnahmen bringt alleine eine wesentliche Verringerung der Menge an Plastikmüll. Dennoch zeigen die Wissenschaftler auf, wie es gelingen kann, dass in zwanzig Jahren die Menge an Plastikmüll, die in der Umwelt oder im Wasser landet, um 80 Prozent niedriger ist, als wenn wir einfach weitermachen wie bisher. Und das mit bestehendem Wissen, Können und Mitteln:

    "Die hier untersuchten Interventionen sind alle mit vorhandenen und bereits ausgereiften Technologien erreichbar. Die von uns vorgeschlagenen Ansätze liegen bereits innerhalb unserer Möglichkeiten – aber es erfordert den politischen, gesellschaftlichen und unternehmerischen Willen, um dies zu erreichen." Ed Cook, Universität Leeds, Ko-Autor der Studie

    Wohlgemerkt: Dann würden nur ein Fünftel der Plastikmüll-Menge in die Umwelt gelangen, die im ersten Szenario bis 2040 anfallen würde. Es wären aber immerhin auch um 40 Prozent weniger als im Jahr 2016. Noch einmal ganz anders sieht es mit der Gesamtmenge an Plastikmüll aus: Denn dazugerechnet werden müssen laut der Studie die Plastikmengen, die regulär auf Müllhalden oder in Verbrennungsanlagen landen werden.

    Die effektivste Lösung: ein kompletter Systemwechsel durch Anwendung aller Maßnahmen

    Die Lösung ist nicht bequem: Es müssten alle untersuchten Maßnahmen zugleich angewandt werden, um das Plastikmüll-Problem in den Griff zu kriegen, so die Wissenschaftler. Das Einsammeln und Entsorgen von Kunststoff-Abfällen durch die Abfallindustrie muss weltweit ausgebaut und verbessert werden, die Recycling-Quoten erhöht werden und vor allem von vorneherein weniger neuer Kunststoff produziert werden. Dazu müsste allerdings so weitreichend umgedacht und tiefgreifend umstrukturiert werden, dass die Autoren dieses Szenario als Systemwechsel bezeichnen. Zurecht, finden auch andere Wissenschaftler:

    "Viel zu lange haben sich viel zu viele von uns nicht dem Ernst der Lage gestellt und positioniert, und es hat sich fast nichts, oder zumindest nichts Signifikantes geändert. Obwohl es in den letzten Jahren unglaublich viele Studien zum Thema Plastik/Mikroplastik gegeben hat. Auch weil solche Zahlen fehlten, und viele glaubten, mit ein bisschen Recycling sei es schon getan. Diese Zahlen belegen, das dies nicht der Fall ist, deswegen ist diese Studie so wichtig. Denn worauf sie hindeutet: Mit dem Verbieten von Wattestäbchen und Einweggeschirr haben wir das Problem noch lange nicht im Griff." Melanie Bergmann, Meeresbiologin, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI)

    Dieser System Change wäre allerdings auch die kostengünstigste Variante nach Ansicht der Studien-Autoren.

    Anpacken, nicht länger warten!

    Noch ein Punkt war den Autoren der Studie wichtig: Man dürfe nicht mehr lange warten, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen und umzusetzen. Selbst wenn die globale Politik noch 2020 damit anfängt, gelangen bis ins Jahr 2040 weitere 710 Millionen Tonnen Plastikmüll in die Umwelt, 250 Millionen Tonnen davon landen im Meer. Würde die Menschheit aber nur fünf Jahre länger warten, werden es noch 300 Millionen Tonnen mehr sein.

    "Zum ersten Mal werden die Auswirkungen verschiedener Instrumente zur Reduzierung von Plastik-Emissionen beziehungsweise ihre Gesamtwirkung berechnet, und es zeigt sich, dass selbst beim gebotenen sehr ehrgeizigen Ziel 'System Change' immer noch 22 Prozent in unsere Umwelt gelangen, was nicht wenig ist. Genau derartige Zeitskalen brauchen wir, um den Ernst der Lage zu begreifen und beherzt umzusteuern." Melanie Bergmann, Meeresbiologin, Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI)

    Wie ernst ist diese aktuelle Studie zu nehmen? Die Einschätzung einer anderen Wissenschaftlerin:

    "Die aktuelle Publikation von Lau et al. betrachtet das Thema 'Plastik in der Umwelt' sehr umfassend und differenziert. Möglichkeiten und Grenzen der Reduktion der Plastikeinträge in die Umwelt auf der Basis des Status quo werden über verschiedene Modellierungsansätze erarbeitet. ... Diese umfassende und selbstkritische Herangehensweise führt insgesamt dazu, dass die Publikation einen sehr vertrauenswürdigen Eindruck hinterlässt." Prof. Dr. Rita Triebskorn, Institut für Evolution und Ökologie, Eberhard Karls Universität Tübingen
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