Verpackungen aus Kunststoff sind praktisch und günstig. Nahezu jedes Produkt wird mittlerweile darin eingepackt. Doch nach meist nur einmaliger Verwendung wird daraus Abfall. Deutschland produziert jährlich rund 6,3 Millionen Tonnen Kunststoff-Müll [externer Link] – das entspricht dem zwanzigfachen Gewicht des Kölner Doms. Mehr als die Hälfte stammt von Verpackungen.
Und es wird immer mehr. Die Recycling-Unternehmen kommen nicht mehr hinterher. Der größte Teil wird verbrannt, um Energie zu erzeugen. In die Statistiken fließt das als "energetische Verwertung" ein, das bedeutet dennoch einen enormen Energie- und Materialverlust, für Kritiker ist das eine Mogelpackung.
- Zum Artikel: "So wird Müll aus Bayerns Privathaushalten verwertet"
Eitting: Eine der modernsten und besten Recycling-Anlagen Europas
In Eitting, östlich vom Münchner Flughafen, steht in einer Halle, so groß wie ein Fußballplatz, eine der modernsten und besten Recycling-Anlagen Europas. Die Firma PreZero, zum Lidl-Konzern gehörend, hat hier 35 Millionen Euro investiert. Jede Woche liefern Lastwagen 2.200 Tonnen Wurstverpackungen, Getränkekartons und Folien, gesammelt im "Gelben Sack" und der "Gelben Tonne".
Der Kunststoff-Müll muss möglichst sortenrein getrennt werden. Hochwertiger Kunststoff kann nicht aus einem Gemisch verschiedener Kunststoffe hergestellt werden, deren jeweilige Anteile unbekannt sind. Aus dem verschmutzten und verklebten Gemisch muss PreZero daher, wie alle anderen Recycling-Firmen auch, möglichst reine Sorten von PET, Polyethylen oder Polyamid und den anderen Sorten herauslösen.
Kunststoffverpackungen: ein häufig untrennbarer Misch-Masch
Hinzu kommt, so der Werkstoff-Wissenschaftler Michael Nase von der Hochschule Hof, dass viele Verpackungen aus verschiedenen, miteinander verschweißten Materialien bestehen. Wurst- oder Käseverpackungen beispielsweise benötigen eine Sauerstoff- und eine Wasserbarriere, damit die Lebensmittel nicht verderben.
Für beide Funktionen sind Folien aus zwei verschiedenen Kunststoffen nötig. Diese beiden Stoffe, so Nase, vertragen sich aber nicht – es braucht noch eine Haftschicht dazwischen. Sind noch weitere Funktionen erwünscht, steigt die Zahl der verschiedenen Kunststoffe an. Bis zu elf verschiedene Kunststoffe werden dann zu einem Behälter für Wurst oder Käse miteinander verschweißt oder verklebt.
Teure High-Tech sortiert Müll
Solche Kunststoffe voneinander zu trennen, so Andreas Schelle vom Recycling-Unternehmen PreZero, ist mit einer mechanischen Sortier-Anlage nicht möglich. Dabei kann die mit ihrer aufwendigen Technik schon sehr viel: Der Abfall wird zunächst in riesigen Siebtrommeln nach Größe sortiert. Laufbänder transportieren ihn anschließend zu verschiedenen High-Tech-Sensoren, die in Sekundenbruchteilen die jeweiligen Sorten herausfiltern. Sogar nach Farben kann die Anlage sortieren.
Mehr als drei Kilometer sind die Laufbänder lang. 38 Spektroskopie-Geräte analysieren den Abfall und fischen die einzelnen Kunststoff-Arten heraus. Aber oft klappt das nicht richtig. Weil eben viele Verpackungen aus Gemischen bestehen. Oder weil sie so verschmutzt, miteinander verklebt oder zerdrückt sind, dass die Sensoren sie nicht richtig erkennen und die Kunststoff-Arten nicht eindeutig identifizieren können. Daher sortieren Mitarbeitende des Unternehmens per Hand nochmals nach. Das kostet zusätzlich.
Recycelter Kunststoff: Guter Rohstoff, aber zu teuer
Einerseits lohnt sich der Aufwand, weil so wieder hochwertige, reine Sorten gewonnen werden können. Andererseits: Das Verfahren ist teuer. Die Kosten für Technik, Energie und Personal machen das Rezyklat, also den recycelten Kunststoff, 20 bis 30 Prozent teurer als neuen Kunststoff. Der wird aus Erdöl produziert.
Und der Rohölpreis, sagt Andreas Schelle, ist so niedrig, dass die Hersteller eben lieber neuen, weil billigen Kunststoff verwenden. Die Folge: Immer mehr Neu-Plastik überschwemmt den Markt. Und die Verpackungen, meist nur einmal benutzt, werden großteils verbrannt, und nicht in einen Kreislauf zurückgeführt.
Quote oder Steuer?
Schelle hofft daher auf eine jüngst beschlossene EU-Verordnung. Darin ist festgelegt, dass ab 2030 die Hersteller bestimmte Mengen Rezyklat dem neuen Kunststoff beimengen müssen. Je nach Sorte und Verwendungszweck bis zu 35 Prozent. Michael Nase hingegen sieht das kritisch. Zum einen ist es dann sehr wahrscheinlich, dass gar nicht genug qualitativ hochwertiges Rezyklat auf dem Markt ist. Zum anderen werden die Hersteller versuchen, das teure Rezyklat irgendwie zu vermeiden.
Viel sinnvoller sei es, neue Kunststoffe aus Erdöl zu verteuern, also mit einer Steuer zu belegen. Und diese Einnahmen dann den Recyclern zugutekommen zu lassen, sodass das Rezyklat verbilligt werden kann. Recycelter Kunststoff würde dann billiger als neuer werden und die Hersteller würden freiwillig auf das Rezyklat setzen. Und sie hätten finanzielle Mittel, um in bessere Sortier-Sensoren zu investieren, so Nase.
Im Video: Kunststoff-Recycling – wie können wir die Plastikflut eindämmen?
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!