Die Corona-Pandemie hat die gesamte Gesellschaft vor besondere Herausforderungen gestellt. Schüler und Schülerinnen sowie Studierende mussten alleine zuhause lernen, mussten über digitale Lehre ihren Stoff verstehen, litten womöglich unter Vereinsamung.
Rund 35 Prozent der Studierenden, die während der Pandemie ihr Studium aufgenommen haben, sehen sich in ihrem Studium durch die Folgen der Corona-Pandemie sehr stark oder stark belastet. Zu diesem Ergebnis kommt der TK-Gesundheitsreport 2023. Bei denen, die ihr Studium zuvor aufgenommen hatten, waren es demnach sogar 44 Prozent. Besonders belastet fühlten sich diejenigen, die die digitale Lehre als mittelmäßig oder sogar schlecht beziehungsweise sehr schlecht einschätzten.
Digitale Lehre - Pro und Contra
Die digitale Lehre schnitt aber nicht bei allen Studierenden schlecht ab. 65 Prozent fühlten sich laut TK-Gesundheitsreport 2023 insgesamt durch die Corona-Pandemie in ihrem Studium nur ein wenig oder überhaupt nicht belastet. "Gute digitale Lehre federt die Pandemiefolgen offenbar ab", schlussfolgern die Studienmacher.
Digitale Lehre macht einsam(er)
Auch wenn die Vermittlung durch digitalen Unterricht zu weiten Teilen gut ankommt, ein negativer Aspekt bleibt in jedem Fall: Die Sozialkontakte litten. 71 Prozent der Studierenden beklagen, dass sie durch die Digitalisierung weniger Sozialkontakte an der Hochschule haben. Und 44 Prozent leiden unter zunehmender Einsamkeit. Zudem schwächelt die Eigenmotivation: 40 Prozent der Studierenden haben es durch die zunehmende Digitalisierung schwerer, sich zu motivieren, eigenständig zu arbeiten.
Homeoffice belastet die Gesundheit
Wer nur noch zuhause vor dem Rechner sitzt, bewegt sich deutlich weniger. 65 Prozent der Studentinnen geben an, sich im Alltag weniger zu bewegen, 67 Prozent empfinden die viele Bildschirmarbeit als gesundheitlich belastend. Bei den Studenten bewegen sich rund 56 Prozent weniger, 46 Prozent empfinden die Bildschirmarbeit als belastend.
Die Gesundheit der Studierenden hat sich deutlich verschlechtert
Die Belastungen wirken sich auch auf die Gesundheit aus. Schätzten 2015 noch 84 Prozent der Studierenden ihre Gesundheit als sehr gut oder gut ein, taten dies in der neuen Auswertung nur noch 61 Prozent der Befragten. Auch der Anteil, der den eigenen Gesundheitszustand als weniger gut/schlecht eingestuft hat, nahm um 7 Prozent zu und stieg auf 10 Prozent. "Studierende haben bisher immer zu der Bevölkerungsgruppe gehört, der es gesundheitlich überdurchschnittlich gut geht. Das hat sich geändert. Die Studie zeigt, dass die Gesundheit der Studierenden sich deutlich verschlechtert hat und jetzt auf dem Niveau aller Erwachsenen liegt", erklärt Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK).
Unter welchen Beschwerden leiden die Studierenden?
Die häufigsten Beschwerden, unter denen die Studierenden aktuell oder in den letzten zwölf Monaten leiden oder litten, sind Erschöpfung durch Stress, Kopf- und Rückenschmerzen.
Weitere Beschwerden sind Probleme mit dem Magen oder Übelkeit, worunter 34 Prozent leiden. Ebenfalls 34 Prozent gaben an, depressive Verstimmungen zu haben. 30 Prozent haben häufig mit Erkältungskrankheiten zu kämpfen. Und Einsamkeit macht 29 Prozent der Studierenden zu schaffen.
Studierende leiden unter Stress
Der Stress, unter dem die Studierenden leiden, ist hoch. Insgesamt beklagen 83 Prozent, dass sie sowohl im Studium als auch im Privatleben gestresst sind. Vor allem Prüfungen werden als stressig empfunden.
Stress kann zu Burnout führen
"Permanenter Stress und häufige Belastungen können auf Dauer zu Burnout führen", erklärt Professor Bertolt Meyer von der TU Chemnitz, der die Befragung für die TK ausgewertet hat. In der Gesamtschau zeigt sich laut Meyer, dass sich 37 Prozent der Studierenden stark emotional erschöpft fühlen, besonders Frauen sind mit 44 Prozent stark betroffen. Bei einer vergleichbaren Studie von 2017 lag der Wert für die Studierenden insgesamt noch bei 25 Prozent. Emotionale Erschöpfung gehört zu den Leitsymptomen für drohenden Burnout.
Die Zahl der Studierenden, die Antidepressiva nehmen, steigt
Da verwundert es nicht, dass der Anteil der Studierenden, die Antidepressiva verordnet bekommen haben, von 2019 auf 2022 um 30 Prozent gestiegen ist. Basis der Zahlen ist eine Auswertung der Arzneimittelverordnungen der bei der TK versicherten Studierenden im Alter zwischen 20 und 34: "Damit erhalten Studierende deutlich häufiger Antidepressiva als gleichaltrige Erwerbspersonen", erklärt Thomas Grobe vom Aqua-Institut für angewandte Wissenschaften: "Bei männlichen Studierenden nahm die Verordnungsrate um 18 Prozent zu, bei weiblichen sogar um 38 Prozent." TK-Chef Baas findet diesen Anstieg alarmierend: "Medikamente sind in vielen Fällen ein Segen. Wir müssen jedoch im Blick behalten, dass nicht auf jede Art von Stress oder Belastung Tabletten die richtige Antwort sind."
Was tun Studierende gegen den Stress?
Um Stress abzubauen, hilft es den Studierenden vor allem anderen, sich mit Freunden oder Familie zu treffen. Auch Spazieren gehen, kochen oder Videospiele helfen beim Stressabbau. 28 Prozent nutzen Entspannungstechniken wie Autogenes Training oder Yoga. 2015 waren es noch 16 Prozent, die diese Techniken nutzten.
Alkohol und Nikotin zum Stressabbau hingegen scheinen rückläufig. 2015 haben noch 39 Prozent der Befragten gesagt, mit Alkohol runterzukommen. Im Bericht von 2023 hat sich die Anzahl auf 25 Prozent reduziert. Auch die Raucher sind von 17 Prozent auf 12 Prozent zurückgegangen. Nur die Anzahl der Cannabisraucher ist annähernd gleichgeblieben (7 Prozent gegenüber 6 Prozent 2015).
Angebote für gestresste Studierende
Um die Leistungsfähigkeit der kommenden Generationen auch in Zukunft aufrecht zu erhalten, seien die Hochschulen dringend aufgefordert, in die Gesundheit ihrer Studentinnen und Studenten zu investieren, empfiehlt TK-Chef Baas. "Wichtig ist, sich die Probleme genauer anzuschauen und nachhaltige Lösungen zu entwickeln - beispielsweise mit einem gezielten studentischen Gesundheitsmanagement. Lösungen könnten etwa ein bewegungsfreundlicher Campus sein oder die bessere Organisation von Prüfungsphasen. Ein Stressreduktionskurs reicht da nicht."
Sind Studierende bestimmter Fakultäten besonders von Erschöpfung betroffen?
In den verschiedenen Studienfächern gibt es einen deutlichen Unterschied, wie viele Studierende unter Erschöpfung leiden. Besonders die Sprach- und Kulturwissenschaftler leiden mit 56 Prozent unter emotionaler Erschöpfung. Darauf folgen Studierende der Fakultäten Jura und Medizin.
Hintergrund: Erhebung der Zahlen
Für den Gesundheitsreport 2023 wertete die TK die Krankschreibungen von 5,6 Millionen bei der TK versicherten Erwerbspersonen aus. Für das Schwerpunktthema "Gesundheit Studierender" wurden zudem die Arzneimittelverordnungen sowie ambulante Diagnosedaten von Studierenden im Alter zwischen 20 und 34 Jahren mit eigener TK-Versicherung in den Jahren 2006 bis 2022 ausgewertet. Zusätzlich hat das Meinungsforschungsinstitut Forsa für die repräsentative Umfrage im Auftrag der TK vom 5. bis 20. Januar 2023 telefonisch bundesweit insgesamt 1.000 Studierende ab 18 Jahren zu ihrer Gesundheit befragt. Die Vergleichszahlen stammen aus dem TK-Campus-Kompass aus dem Jahr 2015.
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