Menschliche Einflüsse und der Klimawandel sorgen seit Jahren dafür, dass der Vogelbestand auf der Welt abnimmt. Untersuchungen zufolge ist in Europa bereits die Hälfte der Feldvögel verschwunden. In Nordamerika ist der gesamte Vogelbestand in den letzten 50 Jahren um rund ein Drittel geschrumpft. Eine Studie, veröffentlicht in "Nature Communications", zeigt jetzt, dass dieser Rückgang auch hörbar ist.
Vogelzählungen aus Bürgerprojekten
Da es aus der Zeit vor 25 Jahren kaum Tonaufnahmen von Vogelgesang gibt, entschied sich ein internationales Team von Forscherinnen und Forschern für einen anderen Weg: Sie nahmen sich Daten aus sogenannten Citizen-Science-Projekten vor. Hier dokumentieren interessierte Bürgerinnen und Bürger die Vogelbestände in ihrer Umgebung. Für Nordamerika wurden Vogelzählungen des North American Breeding Bird Survey (NA-BBS), für Europa aus dem Pan-European Common Bird Monitoring Scheme (PECBMS) herangezogen. Die Daten stammen von über 200.000 europäischen und nordamerikanischen Standorten.
Von statistischen Daten zu Klangkulissen
Um sich einen Eindruck zu verschaffen, wie sich die Vogel-Klanglandschaften in 25 Jahren verändert haben, wurden aus den Statistik-Daten Klangkulissen geschaffen. Und zwar mit Tonaufnahmen von "Xeno Canto", einer Datenbank, die Aufnahmen von Vogelstimmen aus aller Welt zur Verfügung stellt. Mithilfe dieser rekonstruierten Geräuschkulissen konnten die Forscherinnen und Forscher hören, wie sich der Vogelgesang damals anhörte und wie er heute klingt. Anschließend wurde der Gesang nach akustischer Vielfalt, Intensität, Heterogenität und Dichte beurteilt.
Artenrückgang lässt Stimmen verstummen
Das Fazit der Studie lautet: Die Gesänge werden immer leiser und weniger vielfältig. Die Klanglandschaften in Europa und Nordamerika verarmen regelrecht. Das gilt für urbane Bereiche genauso wie für ländliche. Johannes Kamp, Professor für Biologie und Naturschutz an der Universität Göttingen und Co-Autor der Studie, sieht als Grund für diese Verarmung des Klanges zum einen den Rückgang vieler Vogelarten: "Wer nicht mehr da ist, kann logischerweise nicht mehr singen. Aber auch eine veränderte Zusammensetzung der Vogelgemeinschaften spielt sicherlich eine Rolle. Wenn zum Beispiel der Kiebitz oder die Feldlerche mit ihrem unglaublich variablen Gesangsrepertoire weniger werden und durch expandierende Arten mit einfacheren Stimmen wie etwa der Ringeltaube ersetzt werden, ändert sich im Frühjahr der gesamte Soundtrack der Landschaft."
Auf dem Weg zum "stummen Frühling"?
Die Entwicklung hin zu insgesamt weniger und auch weniger vielfältigen Vogelgesängen bestätigt in gewisser Weise, was die US-Biologin Rachel Carson in ihrem 1962 erschienenen Buch "Silent Spring", "Der stumme Frühling", bereits befürchtete. Sie deckte damals den Zusammenhang zwischen Pestiziden und Artensterben auf und warnte vor den Auswirkungen des Pestizideinsatzes auf Ökosysteme, eben auch auf Vögel.
Die Autorinnen und Autoren der aktuellen Studie weisen neben den Auswirkungen auf die Tierwelt auch auf negative Folgen für uns Menschen hin. Die für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden wichtige Verbindung zur Natur würde durch schwindende Vogelgesänge weiter abnehmen. Dadurch besteht auch die Gefahr, dass uns ihre Zerstörung gleichgültiger wird.
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