Die Bestände der meisten Wildtiere schrumpfen anscheinend doch nicht so stark wie befürchtet. Die meisten Wirbeltierbestände, von Fischen über Vögel bis zu den Säugetieren, sind nämlich relativ stabil. Zu diesem Ergebnis kommt eine in der Fachzeitschrift Nature erschienene Studie. Sie widerspricht dem düsteren Bild, das die Naturschutzorganisation WWF in seinem Living Planet Index im September gezeichnet hatte.
Gleiche Datenbasis, neues Ergebnis
Der WWF hatte in seinem Bericht einen durchschnittlichen Rückgang von 68 Prozent bei den Populationen aller erfassten Tiere seit 1970 ausgemacht. Untersucht wurden dabei 14.000 Bestände von Wirbeltieren weltweit. Der durchschnittliche Rückgang muss aber nicht für alle Bestände gelten.
"Angesichts früherer mathematischer Methoden zur Modellierung von Wirbeltierpopulationen könnte sich diese Schätzung jedoch aus zwei sehr unterschiedlichen Szenarien ergeben: weit verbreiteten systematischen Rückgängen oder einigen extremen Rückgängen." Brian Leung, leitender Autor, UNESCO-Lehrstuhl für Dialoge für Nachhaltigkeit an der McGill University in Montreal, Kanada
Die Wissenschaftler untersuchten deshalb, ob möglicherweise extreme Werte bei einzelnen Tierbeständen den Gesamtdurchschnitt signifikant beeinflusst hatten. Dazu nutzten sie ebenfalls den Datensatz der über 14.000 Wirbeltierpopulationen, der auch Grundlage des Living Planet Index des WWF war. Allerdings rechneten sie das eine Prozent der Tierbestände, das am stärksten vom Rückgang betroffen ist, aus den Ergebnissen heraus.
Wenige Tierbestände haben viel Einfluss
Nach diesem Ausschluss kamen die Forscher zu einem ganz anderen Ergebnis: Die verbleibenden Wirbeltierpopulationen nahmen zusammengefasst im Allgemeinen weder zu noch ab. Laut Leung gibt es zwar auf der Erde durchaus Regionen, in denen viele Bestände stark schrumpfen. Betroffen seien etwa Vögel im asiatisch-pazifischen Raum oder Reptilien in tropischen Gebieten Nord-, Mittel- und Südamerikas. Es sei jedoch irreführend, sie in einen Gesamtdurchschnitt einzubeziehen.
"Wir waren überrascht, wie stark die Auswirkungen dieser extremen Populationen die vorherige Schätzung des durchschnittlichen globalen Rückgangs beeinflusst haben. Unsere Ergebnisse identifizieren Regionen, die dringend Maßnahmen zur Verbesserung des weit verbreiteten Rückgangs der biologischen Vielfalt benötigen. Sie geben aber auch Grund zur Hoffnung, dass unsere Maßnahmen etwas bewirken können." Co-Autorin Anna Hargreaves, Professorin für Biologie an der McGill University.
Ein weitere Mitautor der Studie, Robin Freeman von der Zoological Society of London (ZSL) war auch am Living Planet Index des WWF beteiligt. Er ist ebenfalls der Ansicht, dass die Tierbestände "im Durchschnitt stabil zu sein" scheinen, wenn man das am stärksten betroffene Prozent herauslässt. Das bedeute jedoch nicht, "dass es den verbleibenden 99 Prozent aller im Index vertretenen Populationen gut geht".
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