In der heute im Fachblatt "Nature" erschienenen Studie zeigen Forschende aus den USA, wie es möglich ist, Nieren von genetisch angepassten Yucatan-Miniaturschweinen erfolgreich in Javaner-Affen zu transplantieren. Mit der Spenderniere im Körper überlebte einer der Affen fast 260 Tage länger als bislang bei ähnlichen Versuchen beobachtet. Das jedenfalls stellt Joachim Denner vom Institut für Virologie an der Freien Universität Berlin fest: "758 Tage bei einem Tier und 100 bis 673 Tage bei sechs weiteren Tieren ist ein großer Erfolg."
Schweine-Nieren in Affen? Das ist neu an der Methode
Innovativ an der Vorgehensweise der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind dabei laut Joachim Denner vor allem drei Aspekte: Erstens, um eine Abstoßung durch das menschliche Immunsystem zu verhindern, hätten die Forschenden aus dem Genom der Schweine mithilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas spezifische Gene entfernt. Neu dabei sei der "Knockout" der N-Glycolylneuraminsäure, sagt Joachim Denner. Diese "Sialinsäure" kommt in Tieren, aber nicht in Menschen vor.
Dabei seien, zweitens, noch weitere organische Strukturen entfernt worden: insgesamt 59 sogenannte PERVs (Porcine endogene Retroviren). PERVs stehen bei der Xenotransplantation von Schweineorganen zum Menschen im Fokus, da sie ein potenzielles Risiko für die Übertragung von Viren vom Spenderorgan auf den menschlichen Empfänger darstellen.
Drittens seien erstmals Yucatan-Miniaturschweine als Organspender verwendet worden. Sie wurden aufgrund der vergleichbaren Größe ihrer Organe mit denen des Menschen bewusst für die Studie ausgewählt. Joachim Denner sagt dazu: "In früheren Studien, unter anderem bei der Herztransplantation in Baltimore, wurden Tiere von der Größe von Hausschweinen verwendet und die notwendige Größe des Schweineherzens wurde durch die Inaktivierung des Gens für den Rezeptor des Wachstumshormons erzielt."
Organ-Spende vom Schwein: Nicht alle Affen überleben so lange
Das Resultat des jüngsten Versuchs lässt sich jedoch nicht uneingeschränkt als Erfolg verbuchen: Gerade mal einer der 21 Affen überlebte die angesprochenen 758 Tage mit der implantierten Schweineniere, musste jedoch am Ende aufgrund von Ödemen und Nierenversagen eingeschläfert werden. Für einige Tiere war der Versuch auch nach einem Zeitraum von gerade mal vier bis 35 Tagen beendet, und nur fünf Affen lebten länger als ein Jahr.
Die Ursachen für diese stark abweichenden Ergebnisse sind noch weitgehend unklar. Professor Eckhard Wolf vom Lehrstuhl für molekulare Tierzucht und Biotechnologie der Ludwig-Maximilians-Universität München betont jedoch, dass sich diese Probleme bei Menschen möglicherweise gar nicht so stark auswirken könnten. Der Grund dafür: Die Schweineorgane seien ja spezifisch für Menschen und nicht für Affen genetisch angepasst worden.
Studienergebnisse sind für Xenotransplantation wichtig
Fest steht, dass präklinische Forschungsarbeit im Bereich der Xenotransplantation einen vielversprechenden Ansatz zur Bewältigung von Organmangel darstellt. Denn, auch wenn die Ergebnisse der Nieren in den Studien noch konsistenter werden müssten, macht die Studie laut Eckhard Wolf klar, "dass die Xenotransplantation von Schweine-Nieren langfristig funktionieren kann, wenn alle Parameter optimiert sind".
Bei der Xenotransplantation, also der Organübertragung von Tier auf Mensch, stand zuletzt ein Fall aus Baltimore (USA) im Zentrum der Aufmerksamkeit. Dort war kürzlich einem 58-jährigen Vater zweier Kinder als überhaupt erst zweitem Patienten erfolgreich ein Schweine-Herz transplantiert worden. Nach Angaben der zuständigen Universität in Maryland funktioniert das Herz bislang, ganz ohne maschinelle Unterstützung. Der erste Patient mit Schweine-Herz war etwa zwei Monate nach dem Eingriff Anfang 2022 verstorben.
Xenotransplantation oder Tierversuche: "Unethische" Experimente in der Kritik
Organtransplantationen wie diese werfen jedoch weiterhin Fragen auf. Obwohl Herzklappen von Schweinen seit Jahrzehnten erfolgreich bei Menschen verwendet werden, ist die Züchtung von Schweinen ausschließlich für Organtransplantationszwecke ethisch nicht unproblematisch.
Auch Tierversuche, besonders an Affen, stehen immer wieder in der Kritik. Im Rahmen eines Interviews mit ARD alpha sagte der Medizinethiker Marcel Mertz von der Medizinischen Hochschule Hannover zum Thema Tierversuche, dass diese aufgrund unzureichender Investitionen in alternative Forschungsmethoden weiterhin Realität seien. Das Mindeste wäre hier, die aktuell praktizierten Methoden fortlaufend zu verbessern, beispielsweise durch die Reduzierung der Anzahl und der Belastung der Versuchstiere. Marcel Mertz betonte dabei jedoch, dass eine differenzierte Betrachtung von Tierversuchen essenziell sei und pauschale Urteile vermieden werden sollten.
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