Es ist eine Fläche größer als das Saarland: 285.000 Hektar Wald müssen in Deutschland aufgeforstet werden, um die Waldschäden der vergangenen Jahre auszugleichen. Nach den neuen Zahlen aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen, steht es damit schlimmer um den deutschen Wald als ohnehin befürchtet. Denn Trockenheit und Borkenkäfer-Befall haben die Widerstandsfähigkeit der Bäume in den letzten Jahren so weit geschwächt, dass 40.000 Hektar Wald mehr aufgeforstet werden müssen, als ursprünglich angenommen. Die zusätzliche benötigte Waldfläche entspricht in etwa der Größe des Kölner Stadtgebiets.
Deutlich mehr Schadholz
Aus dem Datenmaterial aller Bundesländer zum Waldzustand aus den Jahren 2018, 2019 und der ersten Hälfte des Jahres 2020 geht zudem hervor, dass auch die Schadholz-Menge deutlich gestiegen ist: von 160 Millionen auf rund 178 Millionen Kubikmeter. Unter Schadholz verstehen Forstexperten Bäume, die wegen Stürmen, Bränden, Schneebruch sowie Krankheiten oder Pilz- und Käferbefall geschädigt sind und deshalb gefällt und aus dem Wald entfernt werden müssen.
Borkenkäfer setzt Wäldern zu
2019 mussten nach Angaben des Statistischen Bundesamtes mit 32 Millionen Kubikmetern fast dreimal so viel Schadholz wegen Insektenschäden eingeschlagen werden wie im Jahr zuvor. Der Anteil des Schadholzeinschlags am gesamten Holzeinschlag war mit knapp 68 Prozent mehr als dreimal so hoch wie 2010. Lang andauernde Trockenheit und Hitzeperioden sind besonders schädlich für die Wälder, da der Borkenkäfer sich in den durch die Dürre geschwächten Bäumen besonders schnell vermehren kann.
Fallende Holzpreise
Für die Forstwirtschaft ist der hohe Schadholzanfall ein Problem. Denn die Bergung etwa von Sturmholz in schwer zugänglichen Lagen ist oft arbeitsintensiv und damit teuer. Zugleich sinken jedoch die Preise auf dem Holzmarkt durch das Überangebot an Schadholz.
Trockene Böden
Besonders betroffen von den Waldschäden der vergangenen Jahre sind die Länder Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Niedersachsen und Hessen. Insbesondere die Fichten in den Tieflagen seien durch Dürre und Schädlinge stark geschwächt, heißt es aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium. Zwar habe der Regen der vergangenen Wochen die Situation etwas entspannt, doch fehle es insbesondere in den tieferen Bodenschichten der deutschen Wälder nach wie vor an Wasser.
Ein Drittel Deutschlands ist bewaldet
Insgesamt gibt es hierzulande rund 11,4 Millionen Hektar Wald, das entspricht knapp einem Drittel der Gesamtfläche Deutschlands. Deutschland ist damit das waldreichste Land Mitteleuropas. Die Wiederaufforstung sowie die Anpassung der Wälder an den Klimawandel hatten Bund und Länder auf einem Waldgipfel bereits im vergangenen Jahr beschlossen und umfangreiche Geldmittel bewilligt.
Finanzmittel für Wiederaufforstung
In diesem Jahr seien bislang 31 Millionen Euro an Finanzhilfen an Waldbesitzer ausgezahlt worden, heißt es aus Berlin. 138 Millionen Euro stünden 2020 insgesamt für diesen Zweck zur Verfügung. Wegen angepasster Förderrichtlinien und aufgehobener Obergrenzen würde diese Summe in der zweiten Jahreshälfte deutlich steigen, sagte eine Ministeriums-Sprecherin.
Mehr Artenvielfalt durch Waldschäden?
Hoffnung auf mögliche positive Effekte von Waldschäden macht unterdessen eine Studie im Fachmagazin „Nature - Ecology & Evolution“ (13. Juli 2020), die Wissenschaftler der Julius-Maximilians-Universität Würzburg erstellten. Das Forscherteam um den Tierökologen Jörg Müller stellte fest, dass Waldschäden nicht immer mit Nachteilen für die Artenvielfalt einhergehen müssen. Ein Wechsel von dichtem Wald und Lücken erhöht demnach die Vielfalt in den meisten Artengruppen. Die Forscher hatten etwa 500 Waldstücke in Deutschland mit Lasertechnik auf ihre Struktur, Tier- und Pflanzenarten hin untersucht.
„Damit erscheinen die aktuell häufig beklagten Waldschäden im Zuge des globalen Klimawandels mit absterbenden Baumgruppen in dichten Wäldern in einem neuen Licht.“ Professor Jörg Müller, Lehrstuhl für Zoologie III, Universität Würzburg
Eine Bedingung für mehr Artenvielfalt sei jedoch, dass genügend geschlossene Wälder überlebten, um Moosen und Pilzen einen geeigneten Lebensraum zu geben, so der Tierökologe.
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