Eine Indigene im kolumbianischen Amazonasgebiet flicht einen Korb. Die Nutzung wilder Arten ist für viele Menschen auch wichtig zur Gewinnung des Lebensunterhaltes.
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Die Nutzung wildlebender Arten muss nachhaltig werden, denn sie ist für viele Menschen lebensnotwendig, so der Bericht des IPBES.

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Weltbiodiversitätsrat: Wilde Arten für die Zukunft erhalten

Weltbiodiversitätsrat: Wilde Arten für die Zukunft erhalten

Die Beziehung von Mensch und Natur braucht einen Wandel: Um wildlebende Arten nachhaltig zu nutzen, ist eine weltweite, gemeinsame Vision notwendig, fordert der Weltbiodiversitätsrat in seinem heute veröffentlichten Bericht.

Über dieses Thema berichtet: IQ - Wissenschaft und Forschung am .

Ein Fünftel der Menschheit lebt von der Nutzung wildlebender Arten, als Nahrung oder zum Erwerb des Lebensunterhaltes. 20 Prozent sind somit unmittelbar vom Artensterben bedroht. Das ist nur eine der Kernaussagen eines ersten am vergangenen Freitag veröffentlichten Berichts des Weltbiodiversitätsrates IPBES. Dieser widmet sich der nachhaltigen Nutzung wildlebender Arten.

Ausbeutung wilder Natur führt zu weltweitem Artensterben

Die weltweite Nutzung von Wildarten geht weit über das hinaus, was sich die meisten darunter vorstellen. Rund 50.000 wilde Arten werden vom Menschen genutzt - Tiere, Pflanzen, Pilze oder Algen. Und das meist nicht nachhaltig. Die Ausbeutung wilder Natur ist einer der Hauptfaktoren für das Artensterben und muss dringend gestoppt werden, um die Biodiversität auch für die Zukunft zu erhalten, so der Bericht.

Artensterben wird zur Bedrohung für die Menschen

Der Artenschwund ist eine der größten globalen Krisen, das hat der Weltbiodiversitätsrat bereits in seinem Bericht 2019 festgestellt: Von rund acht Millionen Arten insgesamt sind etwa eine Million vom Aussterben bedroht. Der aktuelle Bericht verdeutlicht, dass das Artensterben auch für die Menschheit zur Bedrohung wird.

Nutzung wilder Arten ist unvermeidlich, Nachhaltigkeit ist das Ziel

Die Ausbeutung zu stoppen, heißt für die zahlreichen Autoren und Autorinnen des Berichts aber nicht, die Nutzung wildlebender Arten zu beenden, sondern sie nachhaltig zu gestalten. Eine Nutzung von Wildarten durch den Menschen wird es immer geben. 70 Prozent der Armen weltweit sind direkt von wildlebenden Arten abhängig. Mehr als 10.000 wilde Arten werden für die Ernährung gejagt oder gesammelt, etwa jeder dritte Mensch braucht Brennholz zum Kochen. Der Handel mit Wildtieren und Wilderei nehmen weltweit zu. Aber auch für Medizin, Kosmetik, Material (etwa Schilf zur Herstellung von Körben) oder schlicht zur Dekoration werden wildlebende Arten auf der ganzen Welt genutzt.

Der Druck auf die Natur wird weiter zunehmen

Der Druck auf die Natur wird noch zunehmen: Die Weltbevölkerung wächst weiter an, der Bedarf steigt, während zugleich technische Neuerungen immer effizientere Ausbeutung möglich macht. Auf der anderen Seite bringe der fortschreitende Klimawandel, Umweltverschmutzung und die Ausbreitung invasiver Arten viele Wildarten in immer größere Bedrängnis. Deshalb wird es Zeit zu handeln, so der IPBES-Bericht.

IPBES-Bericht will politisches Handeln unterstützen

Dazu veröffentlichte der IPBES heute eine Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger, in der nicht nur der Ist-Zustand anhand tausender Studien von Experten und Expertinnen analysiert wurde, sondern der Möglichkeiten, Strategien und Maßnahmen identifiziert, die ein neues politisches Handeln ermöglichen sollen.

Umdenken in der Beziehung Mensch-Natur

Ziel ist es laut Weltbiodiversitätsrat, weltweit ein Umdenken zur Nachhaltigkeit in Gang zu setzen, damit die Beziehung von Mensch und Natur in Zukunft wieder ins Gleichgewicht kommt.

"Übernutzung ist eine der Hauptbedrohungen für das Überleben vieler Land- und Wasserarten in freier Wildbahn. Die Ursachen nicht nachhaltiger Nutzung anzugehen und, wo immer möglich, diese Trends umzukehren, wird zu besseren Ergebnissen für Wildarten und die Menschen fuhren, die von ihnen abhängig sind." Prof. John Donaldson, Leiter des IPBES-Berichts zur nachhaltigen Nutzung wildlebender Arten

Als zentrales Beispiel führt der Bericht die Fischerei an. Ein Drittel der Fischbestände weltweit gelte als überfischt, doch 66 Prozent der Fischbestände würden nach aktuellen Schätzungen inzwischen nachhaltig befischt werden. Das sei dann möglich, wenn Länder ein effektives Fischereimanagement haben. Auf diese Weise habe sich beispielsweise der Bestand des Roten Thunfischs im Atlantik so sehr erholt, dass er heute nachhaltig gefischt werden kann. Doch 90 Prozent der in der Fischerei tätigen Menschen betreiben Kleinfischerei, die nach Ansicht des IPBES meist wenig nachhaltig sein dürfte und daher dringend Unterstützung bräuchte, um in Zukunft nachhaltige Fischerei zu betreiben.

Ein anderer Schwerpunkt des Berichts liegt auf der Abholzung der Wälder: 12 Prozent der wilden Baumarten sind durch Abholzung vom Aussterben bedroht - jede achte Baumart. Zwei Drittel der industriell genutzten Rundhölzer sind dem Bericht zufolge wilde Bäume. 20 Prozent der Tropenwälder werden selektiv abgeholzt, heißt es in dem Bericht.

Doch die Abholzung sei dort geringer, wo indigene Völker Wälder nutzen, insbesondere dann, wenn ihre Besitzrechte auch rechtlich gesichert seien.

Wissen und Willen indigener Völker einbeziehen

Indigene Völker sind besonders im Fokus in dem aktuellen IPBES-Bericht: Schon bei der Erstellung des Berichts wurden Wissensträger indigener Völker oder lokaler Bevölkerungsgruppen mit einbezogen. Der Weltbiodiversitätsrat stellt heraus, dass Indigene oft eine deutlich nachhaltigere Nutzung der Natur pflegen: "Die nachhaltige Nutzung von Wildarten ist von zentraler Bedeutung für die Identität und Existenz vieler indigener Volker und lokaler Gemeinschaften. Diese Praktiken und Kulturen sind unterschiedlich, aber es gibt gemeinsame Werte, einschließlich der Verpflichtung, die Natur respektvoll zu behandeln, sich für das, was genommen wird, zu revanchieren, Verschwendung zu vermeiden, Ernten zu verwalten und die faire und gerechte Verteilung der Vorteile von Wildarten zum Wohl der Gemeinschaft sicherzustellen", sagt Dr. Marla R. Emery, Leiterin des IPBES-Berichts

So ist es denn auch eine der wichtigen Empfehlungen des IPBES-Berichts an die Politik, Wissen und Willen indigener Völker in politische Entscheidungen mit einzubeziehen.

Globale Beschlüsse zu Artenschutz und Biodiversität im Herbst erwartet

Doch ob die weltweite Politik überhaupt den jetzt vorgelegten Bericht des IPBES in ihre Entscheidungen einbezieht, wird sich im Herbst zeigen: Im November tagt die Artenschutz-Konferenz CITES, um ein neues Artenschutzabkommen zu verabschieden. Und im Dezember soll auf der UN-Biodiversitätskonferenz ein neuer globaler Biodiversitätsrahmen beschlossen werden.

Kritik am IPBES-Bericht

Doch die Durchschlagskraft des IPBES-Berichts zur nachhaltigen Nutzung wildlebender Arten wird auch bezweifelt: "Ganz offensichtlich fehlt der politische Wille, sich ernsthaft mit diesem Problem auseinanderzusetzen," meint Dr. Rainer Froese vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel (GEOMAR). Daran will er den Wert des Berichtes messen: "Wenn der IPBES-Bericht daran etwas ändert, dann kann er zur zukünftigen Ernährung und Versorgung der Menschheit beitragen, sonst nicht." Froese kritisiert, dass der aktuelle Bericht des Weltbiodiversitätsrates zu allgemein gehalten sei. Statt konkreter Maßnahmen wie etwa einem verbindlichen Zeitrahmen präsentiere der IPBES hier eher "allgemeine 'Gutfühl-Weisheiten', denen jeder zustimmen kann."

"Es gibt aber einen Grund, warum Jahrzehnte nach ähnlichen Erklärungen die Lage fast überall nicht besser, sondern schlechter geworden ist: es wurde nicht gehandelt." Dr. Rainer Froese, GEOMAR

Zweiter IPBES-Bericht: Menschen vernachlässigen Natur bei Entscheidungen

Neben dem Bericht zur nachhaltigen Nutzung wildlebender Arten hat der IPBES nun auch noch einen weiteren Themenbereich ins Auge gefasst. Dabei geht es um die Art und Weise, wie die Natur in politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen bewertet wird - für die Autoren eine Hauptursache für die weltweite Krise der Biodiversität. Das ergab eine vierjährige methodische Untersuchung durch 82 führende Wissenschaftler und Experten aus allen Regionen der Welt. Die Kapitalismus-kritische Schlussfolgerung: Es herrsche eine Schwerpunktsetzung auf kurzfristigen Gewinnen und Wirtschaftswachstum. Dabei kommen naturbezogene Werte in der Entscheidungsfindung oft zu kurz.

Um das Vorgehen diesbezüglich zu verbessern, schlagen die Autoren vier Perspektiven vor, die Entscheider weltweit mitberücksichtigen sollen: Leben von, mit, in und als Natur. Leben von der Natur heißt hier, zu berücksichtigen, dass sie uns Menschen Ressourcen für den Lebensunterhalt, also zum Beispiel Nahrung und materielle Güter, zur Verfügung stellt. Leben mit der Natur setzt den Fokus auf das nicht-menschliche Leben um uns herum und verweist beispielsweise auf die Rechte der Fische in einem Fluss – und das ganz unabhängig von unseren menschlichen Bedürfnissen. Leben in der Natur zeigt die Funktion der Natur als Rahmenbedingung für unsere Identität auf. Und schließlich gliedert Leben als Natur uns selbst in den natürlichen Zyklus mit ein, indem es die natürliche Umwelt als einen physischen, aber auch mentalen und spirituellen Teil des Menschen betrachtet.

Elizabeth Maruma Mrema, die Chefin des Sekretariats der UN-Konvention über die biologische Vielfalt (CBD), fasst die Zielsetzung des Bericht wie folgt zusammen:

"Die Natur ist unser aller Lebensgrundlage. Sie versorgt uns mit Nahrung, Medizin, Rohstoffen, Sauerstoff, Klimaregulierung und vielem mehr. Die Natur in all ihrer Vielfalt ist das größte Gut, das sich die Menschheit nur wünschen kann. Doch ihr wahrer Wert wird bei der Entscheidungsfindung oft außer Acht gelassen. Die Natur ist zu einer externen Größe geworden, die nicht einmal nicht einmal in der Bilanz auftaucht. Und so geht sie im Streben nach kurzfristigem Profit unter." Elizabeth Maruma Mrema, Convention on Biological Diversity

Was ist der Weltbiodiversitätsrat IPBES?

Der Weltbiodiversitätsrat (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services, IPBES) wurde vor zehn Jahren von der UN gegründet, im April 2012. Er soll dazu beitragen, die Artenvielfalt weltweit zu schützen, und dafür Entscheidungsgrundlagen und Berichte für Politiker erstellen. Er ist für die Biodiversität das, was der Weltklimarat IPCC für das Klima ist: ein internationales Gremium, das globale Entscheidungen herbeizuführen versucht. Mittlerweile gehören dem Weltklimarat rund 140 Staaten an, darunter auch Deutschland, wo sich das Sekretariat des IPBES befindet, und zwar in Bonn.

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