Eine halluzinogene Droge zu nehmen, um eine Depression zu behandeln, mag zunächst ungewöhnlich klingen. Seit einigen Jahren jedoch mehren sich klinische Studien, die sich mit dem Einsatz von psychedelischen Wirkstoffen gegen Depressionen und anderen psychiatrischen Erkrankungen beschäftigen. Dass beispielsweise der in psychedelischen Pilzen enthaltene Wirkstoff Psilocybin gegen Depressionen wirken kann, ist bereits bekannt. Nun hat ein Forscherteam mithilfe von bildgebenden Verfahren ergründet, wie Psilocybin im Gehirn depressiver Patientinnen und Patienten wirkt: Demnach scheint der Wirkstoff die funktionale Konnektivität von Netzwerken im Gehirn zu erhöhen und erlaubt es den Patientinnen und Patienten so, sich aus ihren festgefahrenen Denkmustern zu befreien. Die Studie erschien im Fachmagazin "Nature Medicine" .
Psilocybin verändert das Gehirn von Patientinnen und Patienten mit Depression
Für die Studie sammelte und analysierte ein Team um Richard Daws vom Kings College London Gehirnscans von 59 Probandinnen und Probanden. Die Studienteilnehmer hatten an zwei unterschiedlichen klinischen Studien teilgenommen, die den Einsatz von Psilocybin als Therapiemittel gegen Depression ausloteten. In einer Studie litten alle Teilnehmer unter behandlungsresistenter Depression und wussten, dass sie Psilocybin erhielten. Die andere Studie arbeitete mit einem Placebo: Die Teilnehmer erhielten entweder Psilocybin oder aber Escitalopram, ein Antidepressivum. Darüber hinaus nahmen alle an einer Therapie teil.
Die Magnetresonanzbilder wurden vor der Behandlung sowie drei Wochen danach angefertigt. Die Analyse ergab, dass die positive Wirkung von Psilocybin auf die Linderung depressiver Symptome mit einer Zunahme der funktionalen Konnektivität zwischen den Netzwerken des Gehirns zusammenhing. Dieser Effekt hielt auch noch drei Wochen an, nachdem die Probandinnen und Probanden zum letzten Mal Psilocybin erhalten hatten. "Die erhöhte funktionelle Verbindung könnte einer beschriebenen subjektiven erhöhten Flexibilität und emotionaler Entspannung entsprechen", sagt Matthias Liechti, Professor für klinische Pharmakologie am Universitätsspital Basel, der nicht an der Studie beteiligt war.
"Aus bisherigen Studien geht hervor, dass psychedelische Substanzen antidepressiv wirken können. Jedoch ist bisher unklar, was der genaue Wirkmechanismus ist. In anderen Worten: Wir wissen nicht, warum die Substanzen Menschen, die an Depressionen leiden, helfen", erklärt Katrin Preller von der Universität Zürich. Die nun beobachtete Veränderung in der Informationsverarbeitung im Gehirn war etwas, das bei den Probanden, die nur Escitalopram erhalten hatten, nicht beobachtet werden konnte.
Vom Selbstversuch mit Psychedelika wird dringend abgeraten
Während Antidepressiva wie SSRIs (selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) täglich eingenommen werden müssen, genügten beim Psilocybin eine zweimalige Einnahme, um die antidepressive Wirkung hervorzurufen und diejenigen Veränderungen zu bewirken, welche die Forschenden in ihren Gehirnscannern einige Wochen später beobachten konnten. Noch unklar ist allerdings, wie lange dieser Effekt wirklich anhält.
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der vorliegenden Studie werten sie insofern als Erfolg, als dass sie zeigt, dass Psilocybin tatsächlich anders als konventionelle Antidepressiva wirkt. Es mache das Gehirn flexibler – und daher weniger in den negativen Denkmustern festgefahren, unter denen Menschen mit Depressionen zu leiden haben. "Damit Psychedelika in der Therapie von Depressionen zugelassen werden können, fehlen noch größere Phase-III-Studien, die die Wirksamkeit überprüfen", sagt Katrin Preller.
In der Zwischenzeit warnen die Forschenden vor einem Selbstversuch. Zusammen mit dem Fachartikel veröffentlichten sie auch eine warnende Notiz. Sie schrieben, dass derartige Studien zu Psilocybin als Therapiemittel bei Depressionen in einem kontrollierten, klinischen Umfeld stattfinden. Die Dosis ist dabei reguliert. Probandinnen und Probanden erhalten ausführliche professionelle psychologische Begleitung vor, während, und nach der Einnahme von Psilocybin. Die Forschenden schreiben: "Die Einnahme von Magic Mushrooms oder Psilocybin ohne diese Schutzmaßnahmen könnte keine positiven Folgen nach sich ziehen."
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