Eine Frau am Laptop mit Teströrhrchen.
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Die übers Internet erhältlichen Mikrobiom- und Bluttests für zuhause sehen Experten kritisch. Für sie ist die ärztliche Beratung unverzichtbar.

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Wie sinnvoll sind Blut- und Mikrobiomtests für zuhause?

Wie sinnvoll sind Blut- und Mikrobiomtests für zuhause?

Wer unter unspezifischen Beschwerden leidet, möchte möglichst schnell wissen, was ihm fehlt. Abhilfe versprechen Blut- und Mikrobiomtests, die man zuhause machen kann. Doch was bringen sie wirklich? Experten sehen Risiken und raten davon ab.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Sogenannte Mikrobiomtests, also Stuhltests, sowie Bluttests, die man bequem von zuhause aus durchführen kann, werden im Internet immer häufiger angeboten. Die Firmen, oft Start-ups, versprechen mit ihren Tests nicht nur die Ursache unspezifischer Beschwerden, wie ständige Abgeschlagenheit und Antriebslosigkeit, zu finden. Sie geben auch vor, mit angebotenen Nahrungsergänzungsmitteln die Lösung des Problems gleich parat zu haben und dadurch das gesundheitliche Wohlbefinden ihrer Kunden nachhaltig zu verbessern.

Was ist von solchen Mikrobiom- und Bluttests für zuhause zu halten? Sind sie nützlich oder schaden sie gar? Und: Was sollte man bei der Suche nach der Ursache von unspezifischen Beschwerden beachten? Hans Hauner, Leiter des Instituts für Ernährungsmedizin an der Technischen Universität München (TUM) sowie Direktor des Else Kröner-Fresenius-Zentrums für Ernährungsmedizin, Elisa Neutatz, Fachteamleiterin Ernährung beim Verbraucherservice Bayern e. V., und Ulrike Siegmund, Praxisinhaberin und Ärztin in München, erklären, was sie von solchen Tests halten.

Mikrobiom- und Bluttests: Was sind die Risiken dieser Tests?

Für den Ernährungsmediziner Hauner ist es wichtig, dass die Mikrobiom- und Bluttests zuverlässig sind und korrekt durchgeführt werden. Dafür gebe es in der Medizin hohe Qualitätsanforderungen. Das werde bei diesen für zuhause angebotenen Tests nicht überprüft und sei dort oft auch nicht gewährleistet, "sodass auch die Ergebnisse praktisch nicht belastbar sind", sagt der Mediziner.

Ein weiteres Problem dieser Tests ist nach Hauners Ansicht, wie Laien die Ergebnisse der Untersuchungen bewerten. "Sie erhalten ja keine direkte Beratung, sie bekommen allgemeine Empfehlungen, vielleicht. Und viele Menschen fühlen sich psychisch belastet, wenn sie die Mitteilung erhalten, dass ihr Mikrobiom nicht stimmt", erklärt der Mediziner. Das könne Ängste erzeugen und Menschen belasten. "Das ist für mich eine unerwünschte Nebenwirkung [...]", betont Hauner.

Elisa Neutatz vom Verbraucherservice Bayern sieht es ähnlich. "Durch Fehl- oder Überinterpretation, zum Beispiel, wenn durch den Test ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krankheiten bescheinigt wird, ist der Verbraucher beziehungsweise die Verbraucherin eher verunsichert und überfordert." Kritisch werde es, wenn von den Tests nicht haltbare Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder -allergien abgeleitet würden. "Dann verzichtet der Verbraucher beziehungsweise die Verbraucherin womöglich unnötig auf Lebensmittel, schränkt seine Lebensqualität ein und erhöht das Risiko einer Mangelernährung."

Was kann man bei Blut- oder Stuhltests zuhause falsch machen?

Hausärztin Ulrike Siegmund nennt im BR-Interview folgende Fehlerquellen, die speziell bei der Blutabnahme zuhause auftreten können: Einerseits könne das Verschicken der Probe per Post bei zu niedrigen Außentemperaturen zu Verfälschungen im Ergebnis führen. Eine weitere Verfälschung der Blutwerte sei laut der Ärztin möglich, wenn man zu wenig Blut abnehme oder die Fingerkuppe bei der Blutabnahme zu stark quetsche.

Wer sich zuhause selbst Blut abnimmt oder eine Stuhlprobe ohne medizinische Fachberatung entnimmt, kann vieles falsch machen, das gibt auch der Mediziner Hauner zu bedenken. Speziell ausgebildetes Personal für die korrekte Durchführung der Probeentnahme ist für den Internisten das "A und O, bevor man überhaupt eine Messung durchführen sollte".

Wann können Mikrobiom- bzw. Bluttests sinnvoll sein?

Bluttests, mit denen man zum Beispiel den Cholesterin- oder Blutzuckerwert gut messen kann, hält Hauner zwar für sinnvoll - allerdings nur unter medizinischer Aufsicht. "Jeder Mensch hat in Deutschland die Möglichkeit, über seinen Hausarzt und andere medizinische Anbieter Tests durchführen zu lassen", sagt Hauner. Damit habe jeder dann eine wesentlich höhere Sicherheit und dann auch die Möglichkeit, falls ein Test auffällig ist, "dass das dann wirklich erklärt wird und wenn eine Therapie sich daraus ableitet, die dann auch korrekt eingeleitet wird", betont der Ernährungsmediziner.

Von sogenannten Mikrobiom-Analysen rät Hauner hingegen "grundsätzlich" ab, "weil wir nicht in der Lage sind, das wirklich zu interpretieren", sagt er. Selbst die Wissenschaft, die sich darum seit Jahren bemühe, tue sich schwer, ein normales, gesundes Mikrobiom zu definieren, begründet der Ernährungsexperte seine ablehnende Haltung gegenüber den Tests. Neben der fehlenden Interpretationsmöglichkeit seien aber die Mikrobiom-Analysen derzeit auch deshalb nicht sinnvoll, "weil wir da einfach noch viel zu wenig wissen über den Nutzen und die Wertigkeit solcher Analysen", erklärt Hauner. Und das gilt laut Hauner natürlich umso mehr, "wenn das anonym über die Einsendung einer Stuhlprobe erfolgt und dann irgendein Brief zurückkommt und irgendetwas empfehlt", schildert der Mediziner das Problem. Für ihn sind die angebotenen Mikrobiom-Analysen "wirklich Humbug und reine Geschäftemacherei". Schließlich kosten die im Internet angebotenen Analysen oft mehrere hundert Euro.

Elisa Neutatz vom Verbraucherservice Bayern e. V. rät ebenfalls von Mikrobiom-Analysen ab. "Nach aktuellem wissenschaftlichem Stand sind die Aussagen, die durch eine Stuhlanalyse über die Zusammensetzung des Darmmikrobioms getroffen werden können, begrenzt. Man kann dadurch weder auf spezifische Erkrankungen schließen noch spezielle Ernährungsempfehlungen ableiten", sagt sie. Im Gegensatz zu den Mikrobiom-Selbsttests seien die etablierten Stuhltests zur Darmkrebsvorsorge hingegen durchaus sinnvoll. Die Kosten für diese Untersuchung würden für Versicherte ab 50 Jahren von der Krankenkasse übernommen, betont die Verbraucherschützerin.

Was sollte man bei unspezifischen Beschwerden tun?

Wie Hauner rät Elisa Neutatz vom Verbraucherservice Bayern e. V. bei unspezifischen Beschwerden, sich an Spezialisten zu wenden. "Bei gesundheitlichen Problemen ist eine Kombination aus regelmäßigen ärztlichen Kontrollen und einer kompetenten Ernährungsberatung die richtige Herangehensweise." Die Empfehlungen würden dort auf Grundlage eines Ernährungsprotokolls, Messdaten und der erhobenen Laborwerte besprochen, sagt sie. Eine ärztliche Beratung bleibt im Zweifel also unverzichtbar.

Eine Frau am Laptop mit Teströhrchen - Die übers Internet erhältlichen Mikrobiom- und Bluttests für zuhause sehen Experten kritisch. Für sie ist die ärztliche Beratung unverzichtbar.
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