Am Sonntag, den 18. Juni 2023, lädt das Amt für Ländliche Entwicklung Oberpfalz (ALE) ab 10 Uhr zum "Tag der offenen Tür" in Tirschenreuth ein. Dazu wird auch der bayerische Finanz- und Heimatminister Albert Füracker (CSU) erwartet. Der Grund: Vor zehn Jahren ist das Amt umgezogen.
Verlagerung zur Stärkung des ländlichen Raums
Es war rein politischer Wille der Staatsregierung und des Landtags, der 2005 beschloss, dass die Behörde komplett gut 100 Kilometer weiter aus der Großstadt Regensburg in die Kleinstadt Tirschenreuth umziehen soll. Damit sollte der ländliche Raum gestärkt werden.
Mitarbeiter wehrten sich gegen den Umzug
Die Mitarbeiter wehrten sich jahrelang mit Petitionen dagegen, auch der Oberste Rechnungshof in Bayern rügte das Vorhaben aufgrund der Kosten. 8,5 Millionen Euro hat allein der Neubau in Tirschenreuth gekostet. Doch das Ansinnen der Politik scheint aufgegangen zu sein. Heute wird die Verlagerung von mehreren Seiten als Erfolgsmodell bezeichnet.
Studie stellt positive Auswirkungen fest
Über 140 Beschäftigte arbeiten am ALE in Tirschenreuth, über 70 Prozent davon wohnen und leben in der Region rund um die Stadt. 23 Mitarbeiter pendeln nach wie vor nach Regensburg, sagt Behördenchef Kurt Hillinger. Die Belegschaft habe sich verjüngt, seit der Verlegung werde fleißig ausgebildet. Bis zum Umzug habe es viele Jahre einen Ausbildungsstopp in der Behörde gegeben. Außerdem bringe der eigens geschaffene Studiengang Geoinformatik und Landmanagement an der OTH Weiden Fachkräfte ans Amt. Junge Menschen aus der nördlichen Oberpfalz können so hochqualifizierte Ausbildung und Arbeitsplätze des Staates in ihrer Heimat vorfinden.
Eine Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo) hat im Juni 2022 ergeben, dass die Verlagerung des ALE Oberpfalz den Standort Tirschenreuth aufgewertet hat. Außerdem wirke sie sich positiv auf die Nachfrage von Investoren aus, wird darin Bezug genommen auf Aussagen von regionalen Wirtschaftsvertretern.
Erfahrene Mitarbeiter hatten Behörde vor Umzug verlassen
Allerdings sei die Verlagerung mit einem "großen Wissensverlust" einhergegangen, bestätigt ALE-Chef Kurt Hillinger. Erfahrene Mitarbeiter hätten die Behörde kurz vor dem Umzug verlassen. 88 Beschäftigte hätten in den vergangenen zehn Jahren Möglichkeiten wie die Altersteilzeit genutzt, 21 Mitarbeiter sich andere Stellen an Ämtern im Großraum Regensburg gesucht.
Freistaat übernahm zehn Jahre Kosten für das Pendeln
Dennoch seien die kritischen Stimmen in der Belegschaft mit dem vollzogenen Umzug nach Tirschenreuth verstummt, so Hillinger. Die Akzeptanz des neuen Standortes mit einer modernen Büroausstattung habe sich schnell gesteigert. Auch weil die Stadt Tirschenreuth die Mitarbeiter mit offenen Armen empfangen habe. Bürgermeister Franz Stahl (CSU) und die Verwaltung halfen bei Umzugsfragen, der Suche nach Häusern, Wohnungen und Kitaplätzen. Der Freistaat hat die Kosten für das Pendeln zwischen altem und neuem Standort zehn Jahre lang bezahlt. Seit Kurzem ist der Pendelbus zwischen Regensburg und Tirschenreuth für die ALE-Mitarbeiter eingestellt worden.
Amt ist zentrale Anlaufstelle für Kommunen und Privatleute
Das Amt für Ländliche Entwicklung kümmert sich neben den klassischen Aufgaben wie Flurbereinigung und Dorferneuerung vor allem um Zukunftsaufgaben für Kommunen und Bürger im ländlichen Raum. Dazu gehören z.B. Programme für Biodiversität, Oberflächenwasserhaushalt und Regenrückhaltung, der Anbau von Energiepflanzen bis hin zu Netzwerktätigkeiten für Rückkehrer in die Heimat. Kommunen können sich Know-How und Förderung holen zur Innenentwicklung, also zu Leerständen, um dem Flächenverbrauch entgegenzuwirken. Außerdem gibt es auch ein Programm für Kleinstunternehmer, die sich vergrößern oder sanieren wollen. Das ALE berät jeweils und wickelt entsprechende Förderprogramme des Staates mit Kommunen und Privatleuten ab.
Ländlicher Raum soll von Behördenverlagerung profitieren
Die Politik hat aus dem einst umstrittenen Projekt auch Lehren gezogen. Seit 2015 läuft eine ganze Welle von Behördenverlagerungen aus Zentren in die ländlichen Regionen Bayerns. Die Staatsregierung verfolgt mit ihrer "Heimatstrategie" das Ziel, dass gleichwertige Lebensverhältnisse in Bayern gefördert werden sollen. Bis zum Jahr 2030 sollen 5.200 Arbeitsplätze und 1.330 Studienplätze in die Regionen verlagert oder dort neu aufgebaut werden, das geht aus der Internetseite des Finanz- und Heimatministeriums hervor. Allerdings sind diese Verlagerungen auf einen langen Zeitraum angelegt, nämlich zum Teil auf mehr als zehn Jahre. Und der Fokus liegt darauf, keine Menschen, sondern Arbeitsplätze zu verlagern. Es gebe keine Zwangsversetzungen, sondern sozialverträgliches Vorgehen sowie ein ganzes Paket finanzielle und nicht-finanzielle Anreize.
In der Oberpfalz gibt es z.B. neue Behördenansiedlungen in Waldsassen, Windischeschenbach, Nabburg, Amberg, Weiden und Kemnath.
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