Wenn die Sonne scheint und viele Photovoltaikanlagen Strom ins Netz liefern, müssen Netzbetreiber immer öfter eingreifen: Sie regeln einzelne Anlagen vorübergehend ab, um das Netz vor Überlastung zu schützen. So auch die Metzgerei von Augustin Keller in Langenbach bei Moosburg: die PV-Module auf dem Firmendach haben eine beachtliche Leistung von 200 Kilowatt. Was die Metzgerei nicht selbst verbraucht, geht ins öffentliche Stromnetz und wird geringfügig vergütet.
Abgeregelte PV-Anlagen verursachen hohe Kosten
Aber an sonnigen Tagen, erzählt Metzgermeister Augustin Keller, "so von 10 Uhr bis 17 Uhr schalten die ab. Das ist Verschwendung, brutale Verschwendung". Dann produziert seine PV-Anlage gar keinen Strom mehr, auch nicht für den eigenen Bedarf. Keller muss dann teuren Strom aus dem Netz beziehen – das kostet ihn bis zu 500 Euro am Tag. Für die entgangene Einspeisevergütung kann er eine Erstattung beantragen – ob er sie bekommt, ist nicht sicher.
Netzstabilität hat Priorität
Maximilian Zängl vom Netzbetreiber Bayernwerk rechtfertigt dieses Vorgehen. Netzstabilität und damit die Versorgung der Allgemeinheit habe oberste Priorität. Natürlich investiere das Bayernwerk "Rekordbudgets" in den Netzausbau. Fünf Milliarden Euro bis 2026. Aber der Zubau bei den PV-Anlagen sei immens, deshalb rechnet man für 2024 mit drei Millionen Eingriffen ins Netz.
Abregelung am Netzanschlusspunkt wäre möglich
Hans Urban ist seit vielen Jahren in der PV-Branche tätig. Der Ingenieur aus Haag in Oberbayern berät auch Unternehmen bei der Energiewende. Er sagt: technisch sei es möglich, dass der Netzbetreiber die Anlagen erst nach dem Wechselrichter abregelt. Der Wechselrichter steuert die gesamte Anlage: Er wandelt den produzierten Gleichstrom in Wechselstrom um, leitet ihn ins Haus und den Überschuss weiter ins öffentliche Netz. Würde die Anlage erst an diesem Netzanschlusspunkt abgeregelt, wäre wenigstens der eigene Verbrauch möglich.
Netzbetreiber erlaubt technische Lösung nicht
Der Elektriker der Metzgerei Keller, Martin Kistler, hat die Anlage schon entsprechend technisch umgerüstet. Aber: Der Netzbetreiber habe diese Lösung untersagt. Und das kritisiert er stark: "Ich betrachte es als massiven Eingriff in die Eigentumsrechte. Okay, die Netze dürfen nicht überlastet werden, wir dürfen nichts nach draußen speisen ins Netz. Aber was ich auf meinem eigenen Gelände mache, ist doch eigentlich meine Sache".
Steuerbox wartet noch auf die Zertifizierung
Maximilian Zängl vom Bayernwerk erklärt auf Anfrage von BR24, dass die technischen Anforderungen dafür hoch seien und vor allem: noch nicht zugelassen. Damit Anlagen am Netzverknüpfungspunkt abgeregelt werden können, brauche es ein intelligentes Messsystem, eine Steuerbox und ein Energiemanagementsystem. Und eine zertifizierte Steuerbox gebe es noch nicht. Bis nächstes Frühjahr könnte es aber so weit sein.
Energiewende wird ausgebremst
Energieexperte Hans Urban regt das alles auf. Er hat Verständnis für die Nöte der Netzbetreiber. Aber es müsse doch gesetzlich möglich sein, den Eigenverbrauch zu gewährleisten. Wenn Unternehmen so ausgebremst würden, dann seien die Signale fatal: Am Ende sparen sich die Unternehmen die eigentlich ja gewünschte Investition in eine CO₂-neutrale Zukunft.
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