Die große Kreisstadt Dillingen an der Donau möchte die Energiewende so richtig angehen. Der Strom für viele Haushalte im Landkreis kommt jetzt schon aus Biogasanlagen oder von Photovoltaik auf Dächern und Freiflächen. Wenn es nach Dillingens Oberbürgermeister Frank Kunz geht, könnte man auch die Fläche eines ausgebeuteten Baggersees im nahegelegenen Kieswerk für schwimmende Photovoltaik nutzen.
"Mit unseren Donau-Stadtwerken Dillingen-Lauingen vor Ort würden wir gern in den neuen Floating-PV-Bereich einsteigen", sagt Kunz. "Aber mit den jetzigen Rahmenbedingungen können wir absolut nicht arbeiten. Wir brauchen da mehr Flexibilität. Wir brauchen da neue Regelungen."
- Zum Artikel: Photovoltaik: Braucht Bayern dafür einen Plan?
Floating-PV: Vom Bund gefördert und eingeschränkt
Damit meint Dillingens Oberbürgermeister die Bundesregierung in Berlin. Denn die Ampel-Koalition hat im Juli 2022 das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) grundlegend überarbeitet. Mit weitreichenden Folgen speziell für schwimmende Solaranlagen.
Einerseits wollte der Gesetzgeber Floating-Photovoltaik eine dauerhafte Perspektive sichern, indem es aus der Innovationsnische in die klassische Ausschreibung für Photovoltaik integriert wurde. Andererseits ist aber der mögliche Einsatz schwimmender Solaranlagen durch Vorschriften im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) massiv eingeschränkt worden. Ein Kuriosum.
Anlage soll mindestens 40 Meter vom Ufer weg sein
Dass nur weitgehend künstliche Gewässer, wie Stauseen, Baggerseen oder Tagebauseen, für eine Bebauung erlaubt sind, ist für Experten verständlich. Dass aber der Abstand einer schwimmenden Photovoltaik-Anlage zum Ufer mindestens 40 Meter betragen muss und höchsten 15 Prozent der Wasseroberfläche bedeckt sein dürfen, sorgt für Kopfschütteln.
Das Potenzial läge in Deutschland, konservativ geschätzt, bei 44 Gigawatt Leistung in der Spitze. Das hat das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg bereits 2020 analysiert. Etwa 90 Prozent aller bereits angedachten Floating-PV-Projekte können aber mit den aktuellen gesetzlichen Vorgaben gar nicht umgesetzt werden.
Schwimmendes PV-Projekt in Dillingen: Alles wäre angerichtet
Deshalb liegt auch das geplante Floating-PV-Projekt in Dillingen erstmal auf Eis. In der Region gibt es zwar ein Kies-Abbaugebiet, aber eben nicht einen großen See, sondern viele einzelne. "Und jetzt kommen wir zum springenden Punkt, wenn es viele kleine Seen sind", ärgert sich Oberbürgermeister Kunz, "dann müssen wir letzten Endes 40 Meter vom Rand weggehen, dürfen nur 15 Prozent der Fläche belegen – sodass es schlussendlich nicht funktionieren kann".
Klar ist: Der Ertrag wäre auf diesen, dann sehr kleinen PV-Flächen einfach zu gering. Dabei versorgen die Donau-Stadtwerke Dillingen-Lauingen (DSDL) schon jetzt mit einer Flächen-PV-Anlage direkt neben den Baggerseen etwa 650 Haushalte mit Strom aus erneuerbaren Energien. Die Infrastruktur wäre ebenfalls vorhanden – mit einer 20 Kilovolt-Leitung zum Abtransport des Stroms aus der Floating-PV-Anlage. Saubere Energie für noch mal bis zu 700 Haushalte, sagt Wolfgang Behringer, Werksleiter der DSDL: "Das war der ehemalige Kieswerksee, der so genannte Schlammsee. Der ist auch nicht der Fischerei verpachtet, also von daher gibt es keinen optimaleren See wie diesen."
Floating-Photovoltaik-Projekt auch in Erding gestoppt
Perfekte Rahmenbedingungen helfen aber wenig, wenn der Stromertrag nicht einmal die Fixkosten decken kann, weil die PV-Fläche zu klein ist. Das musste auch die "BayWa r.e. Solar Projects GmbH" aus München, eines der führenden Unternehmen im Bereich Floating-PV, 2022 in Oberbayern erleben. Ein Sonnenenergie-Projekt auf zwei Kiesweihern in Erding-Eichenkofen, das mehr als 2.500 Haushalte mit Strom versorgen sollte, war damals eigentlich schon unter Dach und Fach.
"Wir standen in Vorbereitung des Genehmigungsverfahrens, die Verträge mit dem Kiesunternehmen waren geschlossen", sagt Marc Krezer, Leiter Projektentwicklung PV der Firma. "Und mit der Gemeinde sind die Gespräche gelaufen gewesen. Dann mussten wir stoppen." Durch die Einschränkungen des Bundes, im Juli 2022, waren die geplanten Anlagen nicht mehr ausführbar – und eine Verkleinerung der Fläche wäre unrentabel gewesen. Jetzt konzentriert sich die BayWa r.e. wieder auf Floating-PV-Projekte in den Niederlanden, in Thailand und im benachbarten Österreich.
Bayern fordert vom Bund: Lockerung der Vorschriften
Auch für Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sind einzelne Pilotprojekte so überzeugend, dass er die Flächen- und Abstandvorgaben gerne wieder gelockert sähe. "Leider sind die Vorgaben des Bundes hier viel zu strikt, was dazu führt, dass sich eine Investition meistens nicht lohnt und dann eben der See wegfällt", sagt Aiwanger. "Wir fordern aus Bayern heraus, dass der Uferabstand auf 15 Meter reduziert und die Wasserfläche auf etwa 40 Prozent freigegeben wird". Dann lohne es sich auch, dort eine Leitung hinzulegen, so der Minister weiter.
Ein weiteres Problem sieht Aiwanger darin, dass Floating-PV bei Ausschreibungen durch die Bundesnetzagentur zur klassischen Freiflächen-Photovoltaik gerechnet wird. Optimaler wäre es laut dem Minister "wenn es ein eigenes Ausschreibungs-Segment für diese Art der Photovoltaik gäbe. Dass also hier die Vergütung anders läuft als beispielsweise bei der Freiflächen-Photovoltaik."
Bundesumweltministerium will "langfristige Wirkung" ermitteln
Das zuständige Bundesumweltministerium (BMUV) teilte auf BR24-Anfrage mit, dass es zunächst noch mehr Hintergrundwissen zu Floating-PV-Anlagen sammeln will: "Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) fördert mit Mitteln des BMUV ein Forschungsvorhaben zur Ermittlung der mittel- und langfristigen Wirkung von schwimmenden PV-Anlagen auf Arten, Lebensräume (inkl. Gewässerqualität) und das Landschaftsbild sowie zur Entwicklung entsprechender ökologischer Anforderungen an die Standortwahl und Ausgestaltung von schwimmenden PV-Anlagen", heißt es in einer Stellungnahme.
Bis daraus konkrete Maßnahmen abgeleitet werden können, kann es dauern. Änderungen an den gerade erst zum 1. Januar 2023 in Kraft getreten Neuregelungen sind also vorerst nicht zu erwarten.
Ein Floating-Projekt schwimmt in Unterfranken
Immerhin: Neben einer relativ kleinen Floating-PV-Anlage im Donau-Ries ist auch im Freistaat ein größeres Floating-Projekt tatsächlich umgesetzt worden. Allerdings bereits im März 2022, also bevor die Bundesregierung restriktivere Vorgaben für Floating-PV umgesetzt hat. Der Baustoffkonzern Heidelberg Cement betreibt auf einem See eine schwimmende Photovoltaikanlage – im eigenen Kieswerk in Dettelbach, im Landkreis Kitzingen in Unterfranken. Der dort gewonnene Strom versorgt Teile des Kieswerks.
Floating-PV ist klimafreundlich und nachhaltig
Grundsätzlich ist Floating-PV eine der klimafreundlichsten und auch nachhaltigsten Methoden, mit Sonnenenergie Strom zu erzeugen. Einziger Haken: Photovoltaikanlagen benötigen Platz. Natürlich möglichst auf Flächen, die auch sonst nicht genutzt werden: Dächer, Brachland, landwirtschaftliche Böden von geringer Güte und so weiter. Aber auch Gewässer wie etwa Baggerseen sind gut geeignet.
"Man kann sich das vorstellen, wie ein Floß, auf dem Photovoltaik drauf ist", erklärt PV-Unternehmer Wolfgang Kempfle von ESS Kempfle in Leipheim. "Und das wird vom Energie-Einspeisegesetz seit zwei Jahren forciert und bevorzugt, aber die gesetzlichen Regelungen sind sehr, sehr schwierig."
Eine Ergänzung – mit erhöhtem Wartungsbedarf
Floating-PV kann also nur eine Ergänzung zu Freiflächenanlagen sein. Aber, das sagt auch Dillingens OB Frank Kunz, es ist eine gute Alternative: "Statt wertvollen Ackerboden den Landwirten zur Nutzung zu entziehen. Oder wir nehmen auf der anderen Seite diese ausgebeuteten Baggerseen, die im Moment brachliegen, die uns riesiges Potenzial bieten und die man nur besser nutzen müsste, im Moment aber leider nicht nutzen kann."
Ein weiterer Vorteil von Floating-PV-Anlagen ist die Effizienz. Durch den Kühleffekt des Gewässers erhöht sich Stromproduktion um drei bis fünf Prozent. Außerdem muss hier, im Vergleich zu Freiflächen, der Boden vorher nicht aufwendig für Anlagen vorbereitet werden. Andererseits bedeuten Wind, Wellen oder die Verschmutzung durch Wasservögel auch einen erhöhten Wartungs- und Reinigungsbedarf.
Ökologische Folgen nicht abschließend geklärt
Fundierte Langzeitstudien zu Auswirkungen auf Flora und Fauna durch Floating-PV gibt es bisher nicht. Untersuchungen und Einschätzungen von Experten sehen aber eher Vorteile. Zum Beispiel durch die Verschattung der stehenden Gewässer. "Dass man vielleicht auch die Bildung von toxischen Blüten vermindern kann, auch die Verdunstung", sagt Konstantin Ilgen vom Fraunhofer Institut ISE in Freiburg. "Gerade wenn man jetzt Richtung Klimawandel denkt, kann da auf jeden Fall reduziert werden und das kann sich vielleicht auch auf die Wasserbilanz von Seen positiv auswirken."
Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger sieht noch weitere Vorteile. Laut ihm könnten sich Fische "unter diesen PV-Teilen verstecken – vor Kormoranen und anderen Fisch-Feinden. Es nutzt den Tieren dort. Es können sogar Vögel dort brüten - auf der Wasserfläche - und sind dort vor Feinden geschützt." Insofern sei es sogar ein Beitrag zum Umweltschutz.
Ob Forschungen des Bundesumweltministeriums, die jetzt erst beginnen sollen, zeitig Ergebnisse und auch Erkenntnisse liefern, wird sich zeigen. Unter den gegebenen Umständen haben schwimmende PV-Anlagen als Teil der Energiewende jedenfalls kaum eine Chance.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!