Erich Prechtl steht am Ufer der Saalach, die das oberbayerische Freilassing vom österreichischen Salzburg trennt. Der Sprecher des örtlichen Bund Naturschutz blickt hinüber auf die andere Seite. Aus einem Kamin der Firma Kaindl, die in Salzburg Holz-Spanplatten und -Fußböden herstellt, steigt weißer Rauch auf. Bisher verbrennt die Firma hier nur ihre eigenen Holzabfälle. Doch das könnte sich bald ändern.
Kaindl plant ein neues großes Heizkraftwerk, um daraus Strom und Wärme für die eigene Produktion zu generieren. Mit der entstehenden Abwärme sollen außerdem 20.000 Salzburger Haushalte geheizt werden. In Zukunft werden die eigenen Produktionsabfälle nur noch etwa 35 Prozent des Brennstoffs ausmachen. Zu etwa 45 Prozent will Kaindl angekauftes Recyclingholz verbrennen und zu etwa 20 Prozent sogenannte Ersatzbrennstoffe. Darunter fallen etwa Restmüll und Verpackungsabfälle.
Bund Naturschutz spricht von einer "Müllverbrennungsanlage"
Prechtl ist von dem Konzept nicht überzeugt. Hinter dem "Recyclingholz" verberge sich auch behandeltes Holz; sogar teeröl-getränkte Masten und Eisenbahnschwellen gehörten dazu. "Das ist de facto eine Müllverbrennungsanlage", schimpft er.
Der Bund Naturschutz warnt in einer Stellungnahme vor Schwermetallen, "Seveso-Giften" wie Dioxinen und Furanen sowie vor den oft als "Ewigkeitschemikalien" kritisierten PFAS. Das alles, so die Befürchtung, könnte von Kaindl in die Luft geblasen werden – und wenn der Wind von Süden oder Osten kommt, auch nach Freilassing hinüberwehen.
Prechtl findet: Kaindl sollte Alternativen prüfen. Müll nicht verbrennen, sondern recyceln. Und Strom und Wärme lieber aus Solarenergie und Erdwärme beziehen.
Kaindl will unabhängig vom Energiemarkt werden
Haustermin auf der anderen Seite der Saalach, bei Kaindl: Dort führt ein Pressesprecher über das Werksgelände und erklärt, warum Kaindl das neue Heizkraftwerk bauen will: "Die letzten Entwicklungen am Strommarkt – auch im Zuge des Ukraine-Kriegs – haben uns gezeigt, dass wir unsere Stromversorgung selber in die Hand nehmen müssen."
Das allein mit Erneuerbaren zu schaffen, sei schlicht nicht möglich, sagt Unternehmenssprecher Johannes Leibetseder: "Sie werden bei uns in der Fabrik kein Dach mehr finden, auf dem noch keine Solarzelle ist." Aber die benötigten Energiemengen könne man nur durch so eine Anlage generieren.
Er versichert aber: Verbrannt würden nur Abfälle, die nicht mehr weiter recycelt werden können. Die Emissionen würden von der Firma streng überwacht. Und: Die Freilassinger könnten direkten Zugriff auf die Daten bekommen. Sogar eine zweite Messstation, die die Luftqualität an der Grenze zu Freilassing misst, bietet Leibetseder an.
In Freilassing nimmt man das überrascht zur Kenntnis - bleibt aber vorsichtig. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens hat auch der Stadtrat zu dem Projekt Kaindl Stellung bezogen. Darin fordert er, dass die Auswirkungen auf Freilassing noch einmal genauer untersucht werden – samt Neubeurteilung des betroffenen Gebietes, der üblichen Windrichtung und von typischen Wetterlagen.
Österreichische Schadstoff-Grenzwerte strenger als die deutschen
Bürgermeister Markus Hiebl und der Bund Naturschutz wollen außerdem, dass die Firma deutsche Schadstoff-Grenzwerte einhält. Das würde in diesem Fall allerdings kaum einen Unterschied machen, erklärt Ilse Schindler, Chemikerin beim österreichischen Umweltbundesamt. Denn die österreichischen Grenzwerte für die Abfallverbrennung seien sogar etwas strenger als die Deutschen.
Und: EU-Gesetze verpflichteten Unternehmen dazu, beim Neubau einer Abfall-Verbrennungsanlage die beste verfügbare Technologie einzusetzen – und diese später alle paar Jahre upzudaten, falls Grenzwerte verschärft werden sollten. Die Filteranlage, die Kaindl plant, hält sie für grundsätzlich geeinigt, um auch gefährliche Stoffe wirksam herauszufiltern.
Also alles gut? Pikant ist, dass die rumänische Staatsanwaltschaft derzeit gegen die Kronospan-Gruppe ermittelt, zu der auch Kaindl gehört. In einem Werk in Rumänien sollen Emissionswerte gefälscht worden sein. Kaindl lässt dazu mitteilen, die Ermittlungen stünden noch am Anfang. Man sei derzeit weder Zeuge noch Beschuldigter.
Anfang April will die Firma ihr Kraftwerk-Projekt noch einmal persönlich im Freilassinger Stadtrat vorstellen. Und hofft, dort endgültig alle Bedenken ausräumen zu können.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!