Mehr als vier Stunden dauerte der Politische Aschermittwoch der AfD im niederbayerischen Osterhofen. Rund tausend Anhänger bejubelten ihre Redner und berauschten sich an deren Sprüchen und Beleidigungen. Flüchtlinge, Transpersonen, politische Gegner – auffallend heftig wurden sie mit boshaftem Spott überzogen.
Im bayerischen Wahljahr scheinen die verbalen Entgleisungen ein neues Niveau erreicht zu haben. Die AfD reagiert damit auf die konservativere Ausrichtung der Union und versucht, das eigene Profil rechts von CDU und CSU zu schärfen, auf Kosten gesellschaftlicher Minderheiten.
- Zum Artikel: Aschermittwoch – Söders Spagat in der Flüchtlingsfrage
Ebner-Steiner: Verschwörungsmythen und Häme gegen queere Menschen
So ätzt Niederbayerns AfD-Bezirkschefin Katrin Ebner-Steiner gegen queere Personen: 2040 hießen das Grundgesetz, der Bundestag und die Bundesrepublik nur noch "Buntes Gesetz", "Bunter Tag" und "Bunte Republik", so Ebner-Steiners Zukunftsvision. Gewählt würde alle vier Jahre nur noch die "schönste Transperson".
Ehen zwischen Weißen seien dann verboten, weil sie "rassistisch wären", sagt die AfD-Landtagsabgeordnete und ruft dem grölenden Zelt zu: "Kinder werden nicht mehr in Deutschland und Bayern geboren, sondern gleich volljährig aus Afrika importiert. Das hat riesige Vorteile, dadurch brauchen die zwei Trans-Väter und drei Inter-Mütter keine Elternzeit mehr!"
Nach Corona: "Wir werden nicht vergessen und nicht verzeihen"
Corona-Skeptiker spricht Ebner-Steiner so an: "Auch wegen Söders Impf-Kampagne sind kerngesunde Menschen plötzlich und unerwartet gestorben." Die Corona-Todeszahlen seien frisiert gewesen, die Impfung lebensgefährlich, sagt die Deggendorfer AfD-Politikerin und erntet lauten Jubel mit ihrer Drohung Richtung Staatsregierung: "Wir werden nicht vergessen und wir werden auch nicht vergeben! Der Tag wird kommen, an dem sich diese schwarze Mafia, diese korrupte Verbrecherbande vor Gericht verantworten muss, das garantiere ich euch!"
Selbst vor kruden Verschwörungserzählungen schreckt die frühere Fraktionschefin nicht zurück: Die AfD mache Politik fürs eigene Volk und arbeite nicht für "Globalisten" und "Finanzeliten", die mit dem Altparteien-Kartell den "Great Reset" verfolgten. Hierbei handelt es sich um antisemitische Chiffren, die bei einem Teil der AfD-Anhängerschaft durchaus beliebt sind und auch auf AfD-Demos verbreitet werden.
AfD-Landeschef Protschka rückt Söder in Nähe von Hitler
Auch AfD-Landeschef Stephan Protschka schreckt nicht vor Tabubrüchen zurück: Den bayerischen Ministerpräsidenten nennt er "Landesverräter" und immer wieder "Södolf". Die Anspielung geht zurück auf die Corona-Zeit, in der Maßnahmen-Kritiker Söder mit Adolf Hitler verglichen.
Über Transpersonen witzelt Protschka: "Sie dürfen jetzt ja einmal kostenlos jährlich ihr Geschlecht ändern. Also ich habe mir schon überlegt, ob ich bei der nächsten Bundestagsrede dann ein bunt glitzerndes Einhorn bin."
Doch die radikalsten Kommentare setzt der AfD-Bundestagsabgeordnete Protschka gegen Flüchtlinge und Migranten. Erst ruft er "Unser Land zuerst" und "Migrantenstopp". Dann schiebt er hinterher, er wolle für solche Menschen nicht mehr morgens um sieben Uhr aufstehen und arbeiten, sondern nur noch für deutsche Rentner und deutsche Kinder.
Nach Erdbeben: Protschka fordert Syrer zur Rückkehr auf
Danach rät der niederbayerische AfD-Politiker den Grünen und der Antifa, die ja "die ganze Welt aufnehmen wollen", den Schlüssel "außen an ihrer Haustür stecken zu lassen", damit jeder "ein- und ausgehen kann wie er will". Und Protschka legt nach: "Der Kühlschrank sollte stets gefüllt sein, und sollte das nicht reichen, dann könnt ihr eure Frau bzw. eure Töchter auch zur Verfügung stellen, weil das ist ja bei dem Klientel sehr angesehen."
Schließlich sagt Protschka zu den Erdbeben in der Türkei und Syrien: "Mein Beileid an alle Verstorbenen und Verletzten und wie auch immer, aber liebe Syrer: Geht doch nach Hause, da gibt’s Arbeit für euch, da muss aufgeräumt werden. Geht nach Hause und räumt euer Land auf!"
Radikale Parolen: Rechte Abgrenzung zur Union
Mit Stimmungsmache dieser Art versucht die AfD, die Probleme vieler Kommunen bei der Aufnahme von Geflüchteten für sich zu nutzen. War Migration noch in der Winterklausur der AfD-Fraktion kein großes Thema, so kommt es nun – eineinhalb Monate später – mit umso größerer Wucht zurück.
Die AfD-Politiker wissen: Sie müssen bei dem Thema deutlich radikaler auftreten als die Union, um jene Wähler zu erreichen, die Angst vor Migration haben. Und: Besonders in Niederbayern bespielt mit Hubert Aiwanger ein weiterer Konkurrent die politische Arena, der deutliche Worte nicht scheut. Diese Art von radikaler Sprache ist selbst für einen Politischen Aschermittwoch der AfD jedenfalls neu.
Sprechchöre "Abschieben, abschieben"
Gleichzeitig fällt auf, dass die meisten AfD-Redner in Osterhofen dem rechtsnationalen Lager der Partei angehören. Angst vor Tabubrüchen und einer gesellschaftlichen Stigmatisierung hat dieser Teil der AfD nicht: Man habe ohnehin nichts zu verlieren, so die Logik.
Dass die Anwesenden der AfD-Kundgebung derartiges verbales Zündeln gutheißen, hat man vor Ort hören können: Immer wieder branden Sprechchöre auf wie "Söder muss weg" oder "Abschieben, abschieben". Die anderen Parteien können sich darauf einstellen: Die AfD wird viel daran setzen, Migration und Flüchtlinge zu einem zentralen Thema im Landtagswahlkampf zu machen.
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