Wenn es um Klimaschutz geht, ist das Umweltministerium das bayerische Vorzeige-Ministerium. Seit 2018 kann es sich damit rühmen, klimaneutral zu sein. Alle anderen Ministerien sollen das bald auch sein, nämlich dieses Jahr noch – so das Ziel, das sich die Staatsregierung selbst im neuen bayerischen Klimaschutzgesetz auferlegt hat. Das bedeutet, dass im Laufe des Jahres 2023 alle Treibhausgas-Emissionen, die im vergangenen Jahr ausgestoßen wurden, kompensiert werden müssen.
Bisher ist wenig passiert – nicht einmal Emissionen bekannt
Der erste Schritt hin zur Klimaneutralität ist: Wissen, wie viel Emissionen überhaupt in die Luft geblasen wurden. Erst dann kann das CO2 ausgeglichen werden – zum Beispiel mit Klimaschutzprojekten. Genau diese Menge sei aber noch gar nicht bekannt, die Ministerien seien im Moment noch dabei, ihre CO2-Bilanz zu ermitteln, teilt das Umweltministerium auf BR24-Nachfrage mit, stellvertretend für alle Nachzügler.
"Da steht die Staatsregierung noch ganz am Anfang", kritisiert Martin Stümpfig, Grünen-Abgeordneter im bayerischen Landtag. "Das ist wirklich eine ganz große Frage, wie sie die Klimaneutralität jetzt in zehn Monaten noch erreichen will."
Staatskanzlei ist seit 2020 klimaneutral
Nur die Staatskanzlei meldet sich noch auf die BR-Anfrage und teilt mit: Auch sie sei bereits klimaneutral, sogar schon seit 2020. Geschafft habe man das durch den Erwerb von Zertifikaten.
Als er das hört, kann sich der Grünen-Abgeordnete Martin Stümpfig ein Lachen nicht verkneifen. Aus seiner Sicht ist der Kauf von Zertifikaten der vollkommen falsche Weg: "Was wir befürchten, ist, man nimmt jetzt viel Geld, steckt das in Ausgleichsprojekte rein, wo man sich irgendwo Zertifikate holt und sich damit freikauft. Und lässt alles andere links liegen." Wichtiger sei, in den Ministerien den Stromverbrauch zu senken, Gebäude zu dämmen und bei Dienstreisen auf Flüge zu verzichten.
Bayerisches CO2-Ausgleichsprojekt in China
Gerade das "irgendwo" Zertifikate kaufen, stört Stümpfig und seine grüne Fraktion. Denn das mache auch das sonst so vorbildliche bayerische Umweltministerium: Zwar hat das Ministerium mehrere Photovoltaikanlagen auf dem Dach und der Fassade, hat E-Autos als Dienstwägen, Fenster ausgetauscht und ist dabei, sein Gebäude umfassend zu sanieren. Doch das alles reicht nicht, um den CO2-Ausstoß des Umweltministeriums auf null zu bringen.
Der Haken liegt für Stümpfig darin, was mit den restlichen, nicht vermeidbaren Emissionen passiert: Sie werden mit einem Biogasprojekt in China ausgeglichen. "Das ist so weit weg, da hat man null Kontrolle, ob das wirklich umgesetzt wird", kritisiert er. Seine Forderung: "Wenn Kompensation, dann am besten in Bayern, mindestens in Deutschland."
Künftig soll in Bayern CO2 kompensiert werden
Das sieht das Umweltministerium eigentlich genauso. Ziel seien künftig Ausgleichsmaßnahmen, mit denen nachhaltige Klimaschutzprojekte in Bayern unterstützt werden, so ein Sprecher. Deshalb werde an einer bayerischen Kompensationsplattform gearbeitet. Die Staatskanzlei weist darauf hin, dass sie CO2-Zertifikate jetzt schon bei Anbietern kaufe, die auch regionale Klimaschutzprojekte im Angebot haben. Außerdem sei das Ziel eigentlich, Emissionen gar nicht erst entstehen zu lassen und nur das zu kompensieren, was wirklich unvermeidbar ist.
Interessant ist die Einhaltung des 2023-Ziels auch wegen eines anderen ambitionierten Vorhabens, das sich die Staatsregierung prominent ins neue Klimaschutzgesetz geschrieben hat: Bis zum Jahr 2040 will ganz Bayern klimaneutral sein – und damit deutlich schneller als andere: fünf Jahre vor dem Bund und zehn Jahre vor der EU.
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