Nein, Psychotherapeuten müssen nicht auch noch zu Extremismusexperten ausgebildet werden, sagt der Islamismusexperte und Psychologe Ahmad Mansour. Aber die Messerattacke in Würzburg habe gezeigt, dass die Themen Extremismus und Islamismus Teil der Ausbildung sein müssten. Der mutmaßliche Täter war ein somalischer Asylbewerber, psychisch auffällig und zwei Mal im Haus für seelische Gesundheit in Würzburg in Behandlung. Weil er eine weitere Behandlung ablehnte, konnte er von den Ärzten nicht zwangsweise eingewiesen werden.
Ob eine zwangsweise Einweisung möglich gewesen wäre, vermag Ahmad Mansour nicht zu sagen. Der Fall habe aber deutlich gemacht, dass auch die Einstellungen und Werte in anderen Kulturen und Religionen gelehrt werden müssten, sagte er im Interview mit der Frankenschau aktuell im Bayerischen Fernsehen.
"Psychotherapeuten müssen nicht Islamismusexperten sein, aber sie müssen in der Lage sein, Alarmsignale zu verstehen, um dann Experten und Berater zu Hilfe zu holen." Ahmad Mansour, Islamismusexperte und Psychologe
Gesellschaftsaufgabe: Zahl der desintegrierten Menschen niedrig halten
Hätte die Messerattacke in Würzburg mit drei Toten verhindert werden können? Ahmad Mansour glaubt das nicht. Aber die Gesellschaft müsse alles tun, um das Risiko eines solchen Anschlags zu minimieren. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte in dem Zusammenhang Defizite bei der Integration beklagt.
Die Zahl der desintegrierten Menschen, die bereit seien, Gewalt gegen die Mehrheitsgesellschaft auszuüben, müsse mit neuen Ideen und neuen Konzepten so gering wie möglich gehalten werden, erklärte Mansour. Andererseits müsse Zugewanderten, die sich nicht integrieren wollten, klargemacht werden, dass sie ihr Anrecht auf Asyl verspielen, wenn sie die Werte der Mehrheitsgesellschaft nicht akzeptieren.
Ahmad Mansour: IS muss niemanden mehr anwerben
Ob der somalische Asylbewerber der Ideologie der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) anhängt, ist noch nicht geklärt. Allerdings mache es der IS potentiellen Anhängern leicht, sagt Ahmad Mansour.
"Der IS muss niemanden mehr anwerben, er muss seine Botschaften nicht mehr vermitteln, die Ideologie ist da und sie ist bekannt. Wenn diese Ideologie auf Labilität trifft, dann kann eine explosive Mischung entstehen." Ahmad Mansour, Islamismusexperte und Psychologe
Ahmad Mansour rechnet mit weiteren Anschlägen
Das habe man nicht nur bei der Messerattacke in Würzburg gesehen, sondern auch in Berlin, in Hamburg oder in Dresden. Niemand müsse Mitglied beim IS werden, um in seinem Namen Terror zu verbreiten. Für Ahmad Mansour ist deshalb klar: Ein Anschlag wie in Würzburg kann wieder passieren. "Da müssen vor allem die Sicherheitskräfte umdenken, was den Terror und die Zukunft des Terrors angeht."
Ahmad Mansour ist ein deutsch-israelischer Psychologe und Autor, der sich als Islamismusexperte einen Namen gemacht hat. Er beschäftigt sich mit Projekten und Initiativen gegen Radikalisierung, Unterdrückung im Namen der Ehre und Antisemitismus in der islamischen Gemeinschaft. Seit 2004 lebt Mansour in Deutschland.
"Darüber spricht Bayern": Der neue BR24-Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!