Drängende Appelle an die Politik und viel Applaus in der Arena – nach vielen Corona-Monaten fand die BR Bürgersendung "jetzt red i" am Mittwochabend endlich wieder mit Publikum statt. Im oberbayerischen Burghausen diskutierten rund 50 Bürgerinnen und Bürger live mit Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger und dem Grünen-Bundestagsabgeordneten Dieter Janecek.
Bayerisches Chemiedreieck wäre von Embargo besonders betroffen
Was ist uns die Unabhängigkeit von Russland wert? Gleich zu Beginn der Sendung fiel in mehreren Wortmeldungen das Stichwort Energie-Embargo. Denn gerade für Burghausen – mitten im bayerischen Chemiedreieck – hätte das große Auswirkungen. Über 20.000 Menschen in der Region sind im Bereich der chemischen Industrie beschäftigt, allein rund 10.000 beim größten Arbeitgeber Wacker Chemie in Burghausen. Die Region verbraucht fast ein Zehntel des Stroms im Freistaat.
Entsprechend groß sind die Sorgen von Industriemeister Peter Hitzenauer und Projektleiter Marek Sobota, die beide bei Wacker arbeiten. "Wir dürfen die Wirtschaft nicht gegen die Wand fahren", meinte Hitzenauer und sprach sich gegen ein Embargo aus. Dieses würde Putin nicht davon abhalten weiter Krieg zu führen. Ein Argument, das noch mehrfach in der Sendung fiel. Sobota hingegen will die Abhängigkeit von Russland sofort beenden: "Von mir ein klares Ja für ein Embargo." Durch unser Geld würde der russische Genozid am ukrainischen Volk finanziert.
Aiwanger: "Jetzt abzuschalten wäre katastrophal"
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) schloss ein Embargo für russisches Gas weiterhin kategorisch aus. "Deswegen würde der Krieg ja nicht beendet", sagte er. Während Putin mit neuen Handelspartnern wie China "weitermachen" würde, wäre Deutschland wegen des wirtschaftlichen Schadens "kein erst zu nehmender Gegner mehr". Man müsse weiterhin russisches Gas beziehen. "Jetzt abzuschalten wäre katastrophal."
Er sehe Russland in einer Zeit nach Putin auch wieder als Handelspartner für Deutschland. Für die Sorgen der Betriebe in der Region hatte der Freie Wähler-Chef verschiedene Lösungen parat: Einer Wäscherei empfahl er, beim Heizen auf Holzpellets umzusteigen. Für Wacker sieht Aiwanger die Zukunft in der Wasserstofftechnologie. Einer Busunternehmerin versprach er wirtschaftliche Hilfen, wenn sich auch der Bund daran beteilige. Insgesamt würde der breite Mittelstand jetzt "radikal erwischt" und deshalb müssten die Energiepreise schnell wieder sinken.
Janecek: Kurzfristiges Energie-Embargo nicht sinnvoll
Unterstützung bekam Aiwanger dabei vom bayerischen Bundestagsabgeordneten und wirtschaftspolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion Dieter Janecek. Er könne alle verstehen, die angesichts des Krieges ein sofortiges Embargo forderten. Kurzfristig sei das aber nicht sinnvoll. Vielmehr müsse man jeden Tag dafür kämpfen, unabhängiger von russischer Energie zu werden. "Bei Öl und Kohle schaffen wir das dieses Jahr noch, bei Gas kommen wir sukzessive runter und schwächen uns dabei nicht selber", so Janecek.
Wichtig sei jetzt, Energie einzusparen. Hier seien alle gefordert: Die Industrie und auch die Privatleute. Bis zum kommenden Winter müsse man 20 Prozent der Energie einsparen. Der einzige Grund, warum man gut durch den vergangenen Winter gekommen sei, waren laut Janecek die milden Temperaturen. Das dürfe sich so nicht wiederholen. Auch ein Tempolimit sei ein wichtiger Beitrag zum Sparen von Energie, machte der Grünen-Politiker deutlich. Leider habe man sich diesbezüglich in Berlin in der Regierung noch nicht einigen können.
Tempolimit wäre für Aiwanger "zu krass"
Der bayerische Wirtschaftsminister Aiwanger sprach sich dagegen klar gegen ein Tempolimit aus. Er glaube, dass es mit den heutigen Autos durchaus sinnvoll sei, "auch mal 150 oder 160 fahren zu können." Die Vorstellung, dass man bei einem Tempolimit ab 130 Stundenkilometer von der Polizei rausgewunken werde, sei ihm "zu krass". Immer 130 sei zu wenig. Wörtlich sagte Aiwanger: "Lasst den Leuten noch ein bisschen eine Freude."
Die Forderung nach einem Tempolimit war in der Sendung zuerst von Helmut Fabian aus Burghausen aufgeworfen worden. Unter großem Applaus sagte er, dass sich die Politik bei diesem Thema nun "zusammenraufen" müsse. Er könne nicht verstehen, warum sich Deutschland als einziges Land in Europa noch gegen eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen sperre.
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