20.09.23, Schwandorf: Hubert Aiwanger in der BR24 Wahlarena.
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20.09.23, Schwandorf: Hubert Aiwanger in der BR24 Wahlarena.

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Aiwanger über Klimaziele: "Ob wir's erreichen, wissen wir nicht"

Für Bayerns Wirtschaftsminister Aiwanger sind die Klimaziele des Freistaats nicht in Stein gemeißelt. Klimaneutralität bis 2040 sei das Ziel – "ob wir's erreichen, wissen wir nicht", sagte er in der BR24 Wahlarena. "Wir sind ja keine Diktatur."

Über dieses Thema berichtet: BR24 Wahlarena am .

Eigentlich will die bayerische Staatsregierung beim Klimaschutz besser und schneller sein als ganz Deutschland: Bis 2040 – und damit fünf Jahre früher als der Bund – soll Bayern klimaneutral sein. Das legt das Klimaschutzgesetz des Freistaats fest, das der Landtag Ende vergangenen Jahres mit den Stimmen der Regierungsfraktionen CSU und Freie Wähler beschloss. Nach Meinung von Wirtschaftsminister und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger bleibt allerdings abzuwarten, ob das wirklich gelingt: "Wir setzen uns eben dieses Ziel – ob wir's erreichen, wissen wir nicht", sagte der Vize-Ministerpräsident in der BR24 Wahlarena in Schwandorf.

"Das ist genau so, wie wenn ich sage: 'Ich will nächstes Jahr Tabellenführer im Fußball werden.' Man strebt das an. Wenn wir sehen, die Leute wählen einen ab und wandern ins Ausland mit der Industrie, dann müssen wir wieder zurück", argumentierte Awianger. Ein solches Ziel müsse man politisch auch durchhalten. "Wir sind keine Diktatur, wo wir sagen, ab morgen gibt’s kein Fleisch mehr, kein Auto mehr und kein Haus mehr – dann habe ich's durchgesetzt in fünf Jahren." Vielmehr müsse auch die Bevölkerung solche Ziele akzeptieren, und auch "die ganze Welt" müsse mitspielen.

Erneuerbare Energie: Aiwanger sieht "gute Fortschritte"

Zugleich zeigte sich der Minister überzeugt, dass Bayern "gute Fortschritte" beim Klimaschutz erziele. Er habe als einziger Wirtschaftsminister bisher ein Förderprogramm für Wasserstoff-Tankstellen auf den Weg gebracht, er habe mitgeholfen, dass die 10-H-Regel für Windräder geöffnet werde, Bayern sei Deutschlands Spitzenreiter beim Zubau von Freiflächen-Photovoltaik.

Aber Bayern müsse auch seine starke Industrie im Blick haben. "Wenn wir die in kurzer Zeit plattmachen, dann können Sie in kurzer Zeit zum Arbeiten nach Australien fahren künftig oder nach Amerika", sagte Aiwanger.

Neue Kernkraftwerke? "Schließe ich in 10, 15 Jahren nicht aus"

Bayerns Wirtschaftsminister erneuerte auch seine Kritik daran, dass die letzten deutschen Atomkraftwerke im April abgeschaltet wurden. Er sei "kein Atom-Fetischist", aber es sei in seinen Augen ein Fehler gewesen, Isar 2 bei Landshut vom Netz zu nehmen. Dort lägen noch Brennstäbe für vier Monate Vollbetrieb. "Wir hätten den jetzigen Winter noch mit abdecken können."

Dass zeitnah neue Atomkraftwerke gebaut werden, bezweifle er, sagte der Minister auf eine entsprechende Frage aus dem Publikum. In zehn oder 15 Jahren schließe er das aber nicht aus. "Keine Ahnung, was auf uns zukommt. Wir arbeiten ja an der Fusionstechnik, vielleicht kommt auch die Kernfusion."

Lehrermangel: Aiwanger kritisiert Abwerben in anderen Ländern

Kritisch äußerte sich der Minister über den Versuch seiner eigenen Regierung, Lehrer aus anderen Bundesländern abzuwerben. "Ist in meinen Augen auch nicht ganz sauber", betonte der Vize-Ministerpräsident. Es bringe nichts, "wenn wir die anderen Bundesländer ausbluten". Vielmehr gelte es, national zu denken. "Wir müssen wieder mehr Lehrer ausbilden und das Berufsbild attraktiver machen, dass genügend junge Leute dort wieder reingehen."

Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte Anfang des Jahres eine Abwerbeprämie für Lehrer aus anderen Bundesländern angekündigt. Letztlich führte der Freistaat später "eine "Regionalprämie" von 3.000 Euro für Lehrer aus Bayern oder anderen Ländern ein, die sich für den Einsatz an einer Schule in einer Region mit besonders hohem Personalbedarf entscheiden. Auf BR24-Anfrage teilte das Kultusministerium kürzlich mit, dass unter den rund 450 neu eingestellten Lehrern mit Anspruch auf die Prämie nur etwa 35 aus anderen Bundesländern stammen.

Aiwanger betonte in der Wahlarena, die Staatsregierung habe in der aktuellen Legislaturperiode "ein paar tausend neue Lehrerstellen geschaffen", es fehlten aber häufig die Köpfe dazu. Ein Grundübel sei nach wie vor auch, dass "Lehrer Bürokratie erledigen müssen, die auch andere Leute erledigen könnten". Deswegen müssten in der neuen Wahlperiode Verwaltungskräfte deutlich aufgestockt werden – "und ich sage: eine Stelle pro Schule".

"Bin nicht Außendienstmitarbeiter der Grünen"

Darüber hinaus nutzte der Minister die Live-Sendung, um einige seiner Kernforderungen unterzubringen – die überwiegend aber nicht die Staatsregierung durchsetzen kann, sondern Bundesrecht betreffen: die Einkommenssteuer senken und die Erbschaftssteuer abschaffen.

Auf die Frage, ob die "Hetze" gegen die Grünen und die Ampel-Bundesregierung die Gesellschaft nicht spalte, verteidigte Aiwanger seine Bierzelt-Reden: "Ich glaube, dass diese Spaltung sich die jetzige Regierung selber zuzuschreiben hat. Mit dem Heizungsgesetz haben sie im wahrsten Sinne des Wortes politisch die Hütte angezündet in Deutschland." Die "deutliche Mehrheit der Bevölkerung" habe Angst vor dem Gesetz gehabt, der Ampel sei das aber egal gewesen.

Die Menschen seien "wirklich erbost" über den Politikstil der Ampel, sagte Aiwanger. "Und natürlich, wenn ich dann draußen meine Wahlversammlungen halte – ich bin ja nicht Außendienstmitarbeiter der Grünen, um die Leute zu beruhigen, sondern ich muss diese Themen natürlich aufgreifen und auch politisch besetzen." Aiwanger fügte mit Blick auf die Bundesregierung hinzu: "Die legen uns den Ball auf den Elfmeter."

Die BR24-Wahlarenen

An drei Abenden finden sechs einzelne Wahlarenen in der Länge von jeweils 30 Minuten statt. Das Konzept der BR24 Wahlarenen ist angelehnt an die Sendung "jetzt red i", ein Sendeformat des BR, in dem Bürgerinnen und Bürger live vor Ort mit verantwortlichen Politikerinnen und Politikern über aktuelle Themen diskutieren. Es moderieren Franziska Eder und Christian Nitsche, Helene Reiner greift die Fragen aus dem Netz auf.

Bei jeder der drei Sendungen haben etwa 90 Studiogäste die Möglichkeit zur Teilnahme. Um den speziellen Anforderungen der Wahlsendungen gerecht zu werden, soll das Publikum in seiner Zusammensetzung die ganze Breite der bayerischen Bevölkerung widerspiegeln - die Auswahl des Publikums besorgt jeweils das Institut infratest dimap.

Die weiteren BR24 Wahlarenen, in denen sich die Spitzenkandidaten der im Landtag vertretenen Parteien den Fragen von Bürgern stellen, finden am Mittwoch, 27. September (20.15 Uhr Florian von Brunn, SPD, sowie 21 Uhr Martin Hagen, FDP) statt. Am 13. September waren Markus Söder (CSU) und Ludwig Hartmann (Grüne) zu Gast in der Wahlarena, am 20. September neben Hubert Aiwanger auch Katrin Ebner-Steiner (AfD).

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