"Der dritte Artikel, in dem die Bauern die Abschaffung der Leibeigenschaft und damit ihre Freiheit fordern, das ist der zentrale Punkt", sagt Fabian Fiederer vom Haus der Bayerischen Geschichte. Er hat die Ausstellung "Projekt Freiheit – Memmingen 1525" zu den Zwölf Artikeln im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in den vergangenen zwei Jahren konzeptioniert. Das Manifest nennt er die "bahnbrechende Schrift des Bauernkriegs".
Die Abschaffung der Leibeigenschaft als zentrale Forderung
Eingangs können Besucher erfahren, unter welchen Härten und Entbehrungen die Landbevölkerung im Feudalsystem der Frühen Neuzeit noch ächzte – was sie schließlich zu ihren Forderungen trieb: Dazu gehörten laut Fiederer neben der Abschaffung der Leibeigenschaft auch andere bedeutende Punkte aus den Zwölf, "etwa die Forderung nach der Reduzierung der Frondienste oder auch die freie Nutzung von Wiesen und Wäldern und der Jagd".
50 Bauernvertreter trafen sich in der Memminger Kramerzunft
Der Ort, an dem Vertreter der Bauernschaft sich auf ihre Forderungen verständigt haben, war die Memminger Kramerzunft. 50 Vertreter der Allgäuer, Baltringer und Bodenseer Bauern haben sich hier im März 1525 auf Grundlage der Zwölf Artikel eine Bundesordnung gegeben. Die historische Holzdecke des Raumes, in dem die Bauern zusammenkamen, ist in der Bayernausstellung in einem eigenen Raum nachgebildet.
Original-Schrift kommt erst kurz vor der Ausstellungseröffnung an
Auch ein Original des ersten Drucks der Zwölf Artikel wird in einer Glasvitrine ausgestellt. Erst kurz vor der Eröffnung am Samstag wird es aus dem Memminger Stadtarchiv dorthin gebracht, um das kostbare Papier nicht unnötig zu strapazieren: "Das ist aus konservatorischen Gründen erforderlich, weil die Bedingungen im Ausstellungsraum nicht denen eines Archivmagazins entsprechen", sagt Christoph Engelhard, der Memminger Stadtarchivar. So schädige etwa UV-Licht langfristig das Papier und die Tinte.
"Dokument der Freiheitsgeschichte in Deutschland und in Europa"
Im Keller des Stadtarchivs, wo ideale klimatische Bedingungen für die Aufbewahrung historischer Schriften herrschen, nimmt Engelhard eines der zwei Exemplare der Zwölf Artikel, die die Stadt Memmingen besitzt, aus dem Regal. "Das bedeutet eine große Verantwortung, handelt es sich doch bei den Zwölf Artikeln um vielleicht das überregional bedeutendste Exponat, die bedeutendste Archivalie hier im Stadtarchiv Memmingen", sagt Christoph Engelhard. Es sei ein "Dokument der Freiheitsgeschichte in Deutschland und in Europa".
Um die Belastung für das Papier möglichst gering zu halten, wird das Exemplar der allerersten Auflage von der Druckerei Ramminger aus Augsburg zur Halbzeit der Ausstellung durch das zweite ersetzt. Dieses stammt aus einem Druck in Straßburg. Dass es auch dort gedruckt wurde, zeigt, welche großen Runden die Zwölf Artikel damals machten.
"Das, was da drin stand, war großer Sprengstoff"
"Wie ein Lauffeuer" haben sie sich verbreitet, sagt Fabian Fiederer. Die Revolution des Buchdrucks habe dem "natürlich in die Karten gespielt". Mehr als 25.000 Mal wurde die Schrift damals in kürzester Zeit an verschiedenen Orten gedruckt – für die damalige Zeit eine enorm große Auflage. Die Obrigkeit habe das in helle Aufregung versetzt, "weil das, was da drin stand, war natürlich großer Sprengstoff", so Fiederer, und ein Mitauslöser des Bauernkriegs im Allgäu und weit darüber hinaus. Letztlich hätten die Bauern aber erste Schritte zu einem besseren Leben erreichen können, wie teilweise mildere Abgabenregelungen im Erbschaftsfall oder Erleichterungen bei der Eheschließung.
Inhalt der Zwölf Artikel hat "nichts von seiner Aktualität eingebüßt"
Der Inhalt der Zwölf Artikel wirkt bis heute nach und habe "nichts von seiner Aktualität eingebüßt", sagt Fiederer. "Überall auf der Welt" gebe es auch heute noch Menschen, für die Freiheit nichts Selbstverständliches sei. Zum Ausgang der Ausstellung sehen die Besucher Bilder von historischen Dokumenten und Ereignissen, die den Freiheitsgedanken verkörpern, den die Bauern damals zu Papier gebracht haben: Ein Bildnis der Französischen Revolution, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Menschen am Brandenburger Tor zur Zeit der deutschen Wiedervereinigung.
Bundespräsident und Ministerpräsident kommen zur Eröffnung
Zur Eröffnung der Bayernausstellung am Samstag werden der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erwartet. Das ganze Jahr über findet in Memmingen und an vielen weiteren Orten im Allgäu und in Schwaben ein großes Veranstaltungs- und Kulturprogramm zur Erinnerung an die Errungenschaften der Landbevölkerung zur Zeit des Bauernkriegs statt.
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