Am Ende werden es wohl doch mehr Abgeordnete als zuletzt angedacht: Der Bundestag soll nach der nächsten Wahl von derzeit 736 auf dauerhaft 630 Abgeordnete schrumpfen. Darauf haben sich die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP verständigt, wie die Deutsche Presse-Agentur am Sonntag aus Koalitionskreisen erfuhr und damit einen Bericht des Nachrichtenportals "Pioneer" stützt.
Zahl "verwaister Wahlkreise" soll verringert werden
Die Ampel-Koalition hatte ihren ersten Entwurf für eine Wahlrechtsreform Ende Januar in den Bundestag eingebracht. Darin waren noch 598 Sitze im Bundestag vorgesehen. Die Zahl wurde nun erhöht, um die Zahl "verwaister Wahlkreise" zu verringern, aus denen kein direkt gewählter Abgeordneter ins Parlament entsendet wird. Der Änderungsantrag liege der Nachrichtenagentur dpa vor. Die Reform soll am Donnerstag oder Freitag im Bundestag verabschiedet werden.
Der Bundestag ist seit der Wahl von 2021 mit 736 Abgeordneten so groß wie noch nie zuvor. Das liegt an den vielen Überhang- und Ausgleichsmandaten. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei über die Erststimmen mehr Mandate erringt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen. Diese zusätzlichen Mandate darf die Partei behalten. Die anderen Parteien erhalten dafür Ausgleichsmandate.
Neuer Ampel-Vorschlag: Mehr Mandate über Landeslisten
Beides soll nun wegfallen. Die Zahl der Wahlkreise bleibt bei 299. Es werden aber 331 Mandate über die Landeslisten vergeben - statt wie ursprünglich vorgesehen 299. Damit soll die Zahl der Abgeordneten, die einen Wahlkreis über die Erststimmen gewinnen und trotzdem nicht in den Bundestag kommen, möglichst klein gehalten werden.
Dürfte der Linken missfallen: "Grundmandatsklausel" gestrichen
Neben der geänderten Parlamentsgröße enthält der Koalitionsantrag noch eine andere Änderung, die vor allem der Fraktion der Linken gegen den Strich gehen dürfte: Die sogenannte Grundmandatsklausel entfällt. Danach können Parteien, die weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen erhalten, trotzdem in den Bundestag einziehen, wenn sie mindestens drei Direktmandate gewinnen. Diese Klausel kam bisher vier Mal zum Tragen: 1953 und 1957 profitierte die Deutsche Partei (DP) davon, 1994 die PDS und 2021 deren Nachfolgepartei Die Linke, die mit 4,9 Prozent der Zweitstimmen an der 5-Prozent-Hürde scheiterte.
Vorstoß der Union für Wahlrechtsreform erntete Kritik
Wie die Union auf den neuen Vorschlag reagiert, ist noch unklar – den alten Vorschlag der Ampel hatte sie kategorisch abgelehnt. Die Union hatte daraufhin einen Vorschlag eingebracht, die Zahl der Wahlkreise zu reduzieren und bis zu 15 Überhangmandate nicht auszugleichen. Der Wahlforscher Robert Vehrkamp sah das kritisch: "Es geht einfach darum, dass vor allen Dingen die CSU auf diese unausgeglichenen Überhangmandate nicht verzichten will, weil sie davon profitieren würde. Das ist für die anderen Parteien, übrigens auch für viele aus der CDU, nicht akzeptabel und hat deshalb aus meiner Sicht auch zurecht keine Chance, die Diskussion noch mal neu aufzumachen."
Bundestagspräsidentin Bas mahnt rasche Reform an
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) drängte zuletzt immer wieder auf eine baldige Verabschiedung der Reform des Wahlrechts – notfalls auch ohne die Stimmen der Opposition: "Mein Ziel ist ein möglichst breiter Konsens, den sehe ich derzeit aber nicht", sagte Bas im Januar. Die Bürger erwarteten zu Recht eine Verkleinerung des Bundestags – "und deshalb muss das neue Wahlrecht zur Not auch mit einer einfachen Mehrheit im Parlament verabschiedet werden".
Kosten in Milliardenhöhe für den Bundestag
Auf jeden Fall spart eine Schrumpfkur Steuergelder, die für Abgeordnetendiäten, Mitarbeiter, Büros und Reisen anfallen. Im Haushalt 2023 werden für den Bundestag Kosten von insgesamt rund 1,14 Milliarden Euro veranschlagt. 2018 waren es 974 Millionen Euro, 2016 laut Bundesfinanzministerium noch rund 857 Millionen Euro.
Mit Informationen von dpa und AFP
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