Seit Montag gibt es sie nun an allen bayerischen Grenzen: europäische Binnengrenzkontrollen - sowohl in der Bahn als auch an größeren Straßen. Die Bundespolizei und die bayerische Grenzpolizei können ab sofort "abhängig von der jeweiligen aktuellen Lage räumlich und zeitlich flexibel" kontrollieren, heißt es aus dem Bundesinnenministerium.
Auch an stationären Grenzkontrollpunkten wird der Verkehr nun gesichtet und "fahndungsrelevanter Verkehr einer gezielten Kontrolle" zugeführt, so ein Sprecher der Bundespolizei. Eine Ausnahme des eigentlich im Schengen-Raum geltenden Prinzip der offenen Binnengrenze, die das Innenministerium bei der EU angemeldet hat.
Ziel: "Gewerbsmäßige Schleuser stoppen"
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bezeichnete die Ausweitung der Grenzkontrollen als "überfällig". Und auch die niederbayerische Landrätin aus Regen, Rita Röhrl (SPD), begrüßte die Kontrollen an der Grenze zu Tschechien. Es gehe nicht darum, die "Menschen abzuhalten, die Schutz und Zuflucht in Deutschland suchen", sondern darum, gewerbsmäßige Schlepper zu stoppen. Wer an der Grenze ein Asylbegehren äußert, könne nämlich in der Regel nicht zurückgewiesen werden, erklärte auch die Bundesinnenministerin.
Der Rottaler Landrat Michael Fahmüller von der CSU nahm die neuen Grenzkontrollen zum Anlass, "flächendeckend" Grenzkontrollen zu fordern, damit Schleuser nicht auf andere "Schleichwege ausweichen".
Wirtschaft warnt vor Folgen für Automobilindustrie
Die Industrie- und Handelskammern Oberfranken, Niederbayern und Oberpfalz hingegen warnen "eindringlich" vor den Folgen stationärer Grenzkontrollen. Nach den einschneidenden Erfahrungen der Corona-Zeit befürchten die Unternehmen erhebliche Einschränkungen im grenzüberschreitenden Liefer- und Pendlerverkehr. Vor allem Deutschlands Automobilindustrie stehe im engen Verbund mit Produktionsbetrieben und Technologielieferanten in Tschechien, Polen und der Slowakei, hieß es. Jegliche Unberechenbarkeit durch Grenzkontrollen würde die Leistung der innereuropäischen Wertschöpfungsketten gefährden.
Bundesinnenministerium will "schnellstmöglich" Kontrollen wieder abschaffen
Bundesinnenministerin Nancy Faeser beteuerte, dass man schnellstmöglich zurückwolle "zu Binnengrenzen, an denen wir nicht kontrollieren müssen." Dafür sei das gemeinsame europäische Asylsystem mit einem umfassenden Schutz der EU-Außengrenzen der entscheidende Schritt.
Die Beamten achteten darauf, dass es bei Kontrollen so wenige Auswirkungen wie möglich auf den Pendlerverkehr gibt, erklärte auch eine Sprecherin der Bundespolizeiinspektion Waldmünchen über Kontrollen an Oberpfälzer Grenzübergängen. Ganz verhindern lasse sich das aber nicht.
Kontrollen zu Österreich: "Zahlen auf hohem Niveau weiter gestiegen"
An der Grenze zu Bayern, von Österreich kommend, sind die Kontrollen schon seit fast acht Jahren gang und gäbe. Hier wurden im Jahr 2015 "temporäre Binnenkontrollen" eingeführt und immer wieder um sechs Monate verlängert. Das nächste Mal am 12. November.
Allein in diesem Jahr hat die bayerische Grenzpolizei an dieser Grenze bisher 2.085 unerlaubte Einreisen und 154 Schleuserfälle festgestellt. Die Zahlen seien im Vergleich zum Vorjahreszeitraum "auf hohem Niveau weiter gestiegen", erklärt das bayerische Innenministerium. Bei den unerlaubten Einreisen seien es rund 26 Prozent und bei den Schleuserfällen rund 53 Prozent mehr Aufgriffe als im Jahr zuvor. Damit die Kontrollen nicht einfach umfahren werden, seien außerdem Schleierfahnder unterwegs, die in der Nähe der Grenzen kontrollierten.
Bundespolizei: Bisher über 1.550 Schleusungen
Die Bundespolizei, die an den Grenzen mit der bayerischen Grenzpolizei zusammenarbeitet, hat in diesem Jahr bisher deutschlandweit insgesamt über 1.550 Schleusungshandlungen und rund 1.700 Schleuser aufgegriffen und etwa 98.000 unerlaubte Einreisen nach Deutschland festgestellt. Es sei davon auszugehen, dass etwa jeder vierte unerlaubt einreisende Drittstaatsangehörige nach Deutschland geschleust wird.
- Zum Artikel: "Gegen Schleuser: Weitere stationäre Grenzkontrollen beginnen"
Im Video: BR-Korrespondent Christoph Röder im Gespräch zu den Grenzkontrollen
Dieser Artikel ist erstmals am 18. Oktober 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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